Datenmissbrauch: Droht Vodafone eine gewaltige Strafe?
Dem Telekommunikationskonzern Vodafone droht angesichts mutmaßlicher Betrugsfälle und Datenschutzvergehen in Partneragenturen möglicherweise ein gewaltiges Bußgeld. Das berichtet der Spiegel in seiner aktuellen Ausgabe und online (Paywall).
Partnershops nutzten Sicherheitslücken?
Franchise-Partner, sogenannte „Partner-Agenturen“, die einen einzigen Netzbetreiber - hier Vodafone - im Angebot haben, sollen „gravierende Software-Sicherheitslücken“ genutzt haben, um Produkte ohne Zustimmung der Kunden zu buchen und dafür Provisionen zu kassieren. Solche Vorwürfe tauchten schon öfters auch (u.a. auch im teltarif.de Forum). Bekannt ist, dass Verkäufer in den Shops offiziell nur jene Daten einsehen dürfen, die für einen Vertragsabschluss notwendig sind – und das auch nur, wenn die Kunden vor Ort einwilligen und sich mit einem Einmal-Kennwort (kommt per SMS auf das Handy des Kunden) legitimieren können.
Datenleck im Kundenverwaltungs-Tool
Leckere Kekse gibts im Vodafone-Shop eher selten. Dafür erhebt ein ehemaliger Manager schwerwiegende Missbrauchsvorwürfe.
Foto: Picture-Alliance / dpa
In dem von Vodafone bereitgestellten Kundenverwaltungs-System sei es allerdings bis im vergangenen Jahr zeitweilig möglich gewesen, auch ohne Passworteingabe auf Kundendaten zuzugreifen. Das habe Vodafone auf Anfrage eingeräumt. Nicht nur das: Ein weiteres internes Softwaresystem habe „nicht den Sicherheitsanforderungen von Vodafone“ entsprochen und werde aktuell überarbeitet.
Potenzielle Betrüger in den Filialen haben dank solcher Lücken Zugang zu zahlreichen Informationen, um Kunden ohne deren Wissen Verträge unterzuschieben, berichtet der Spiegel. Zu den Betrugsopfern zählten auch Ältere und Menschen mit Schwerbehinderung oder mit mangelnden Sprachkenntnissen oder wenig Verständnis für Details ihres Handy- oder Festnetzvertrags.
460 Millionen Strafe denkbar?
Vodafone habe dem Spiegel mitgeteilt, das Unternehmen dulde „weder Betrug noch sonstiges Fehlverhalten“ und gehe „mit aller Konsequenz dagegen vor“. Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) kann bei Verstößen gegen die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) ein Bußgeld von bis zu vier Prozent des Jahresumsatzes eines Unternehmens verhängen. Bei Vodafone in Deutschland entsprächen das rund 460 Millionen Euro, rechnet der Spiegel vor. Nach seinen Informationen ermittele der BfDI bereits gegen Vodafone.
Vodafone betont, man trage „keine Verantwortung für kriminelle Machenschaften möglicher Partneragenten“. Zudem stehe Vodafone mit dem BfDI im regelmäßigen Austausch und habe Ende Juni fristgerecht eine Meldung über einen Datenschutzverstoß eingereicht. Der BfDI äußert sich gegenüber dem Spiegel nicht zu laufenden Ermittlungen.
Ehemaliger Manager legte Verstöße offen
Die Vorwürfe gegen das Unternehmen gehen auf einen ehemaligen Shop-Manager einer Vodafone-Verkaufsstelle zurück. Er informiert Vodafone seit knapp zwei Jahren in mittlerweile mehr als 1000 E-Mails über Geschäftspartner, die „offenkundig kriminell agierten“. In den vergangenen Monaten hat sich das Unternehmen von zehn Franchise-Partnern getrennt und 53 Filialen geschlossen.
Vodafone für Hilfe dankbar
Vodafone sei „für die Hilfe des Ex-Verkäufers dankbar“. Andererseits bestehe er für seine getätigte Arbeit auf ein Honorar von mehr als 900.000 Euro und weigere sich mitunter, vor Bezahlung weitere Angaben zu angedeuteten Vergehen zu machen. Weil er auch mit „Veröffentlichungen“ gedroht habe, habe Vodafone im Sommer schließlich Strafanzeige wegen versuchter Erpressung, der unerlaubten Weitergabe von Kundendaten und Geschäftsgeheimnissen an Dritte erstattet. Der Informant weist gegenüber dem Spiegel diese Vorwürfe entschieden zurück.
Eine Einschätzung (von Henning Gajek)
Dass Vodafone ein gewaltiges Problem mit seinen Partnershops und Vertretern hat, ist nun nicht neu. Wir haben hier immer wieder über „problematische Fälle“ berichtet. Der Verbraucherzentralen Bundesverband (vzbv) nennt Vodafone auf Platz 1 seiner Hitliste von Beschwerden der Klienten, ähnliches berichtet der Vertragsvermittler Volders.
Der Fluch der Provision
Das Problem: Im Festnetz- und Mobilfunkgeschäft leben Händler und Vermittler ausschließlich von Provisionen. Kauft der Kunde eine einfache Prepaid-Karte, gibt es wenig (bis nichts) - für einen einfachen Vertrag ein bisschen und für einen großen Vertrag mit viel Datenvolumen, vielleicht in Kombination mit Festnetz und Internet-TV samt Extra-Programm-Paketen noch mehr. Was wird der Händler also tun? Den Kunden maximal viel anbieten, auch wenn sie es - neutral betrachtet - gar nicht brauchen. Schließlich muss der Händler seine Ladenmiete, Personal, Strom, Steuern und die spätere Altersversorgung davon bezahlen.
Dass Händler ihre Kunden ehrlich beraten und ihnen bei Problemen helfen sollten, ist im System nicht vorgesehen, weil es ihnen nichts einbringt. Wie viele Kunden lassen sich Geräte zeigen und bestellen sie danach im Internet? Wieder nichts verdient. Übrig bleiben die Schlecht-Informierten, Senioren, Menschen mit geringen Sprachkenntnissen oder anderen Handicaps - die müssen es ausbaden. Das Problem ließe sich lösen, wird aber den Kostenrechnern nicht gefallen: Vodafone müsste freiwillig alle Vertragslaufzeiten auf monatliche Kündigungsfrist umstellen. Dann hätten alle übervorteilten und falsch beratenen Kunden die Möglichkeit, aus nicht gewünschten Verträgen wieder herauszukommen. Der Schock wäre gewaltig. Und natürlich auch der Druck, die Kunden künftig besser zu beraten und zu behandeln.
Die Händler-Provisionsmodelle gehören auf den Prüfstand. Es muss auch Beratungsvergütungen geben, die sogar am Ende sogar Kosten in völlig überforderten und überlasteten Hotline am anderen Ende der Welt sparen könnten.
Wie viele Kunden wegen solcher Vorfälle um Vodafone einen großen Bogen machen, ist nicht bekannt. Wie viele Händler sich überlegen, welche Netze und Verträge sie künftig verkaufen wollen und können, wäre auch einmal interessant zu erfahren. Leidtragende sind neben den geprellten Kunden auch die Händler, die noch ein Gewissen haben und wegen ihrer rabiaten Konkurrenz gar nichts mehr verdienen. Vielleicht war das bei dem ehemaligen Shop-Manager auch so der Fall.
Wie der LTE-Ausbau bei Vodafone und Telekom aussieht, lesen Sie in einer weiteren aktuellen Meldung.