UMTS-Abschaltung: Handy-Netze werden besser & schneller
In den letzten Wochen und Monaten war immer wieder einmal zu lesen, dass die deutschen Mobilfunkanbieter bald ihre Netze abschalten würden. Manchem Leser dürfte dabei der Schreck in die Glieder gefahren sein. Doch so dick kommt es natürlich nicht.
3G-Abschaltung um den 30. Juni 2021
Richtig ist, dass dieses Jahr bei allen drei Netzbetreibern Teile ihrer Mobilfunknetze abgeschaltet werden. Was um den 30. Juni passieren wird, bedeutet das Ende der Übertragungstechnik nach dem "3G" Protokoll, oft auch als UMTS (Universales mobiles Telekommunikations-System) bekannt. Dadurch werden aber die Mobilfunknetze insgesamt besser und schneller.
Kurzer Rückblick
Mitte des Jahres ist Schluss mit 3G. Dafür können 4G und 5G besser werden.
Foto: teltarif.de
Um die Geschichte zu verstehen, müssen wir kurz etwas zurückblenden.
Mit "1G" bezeichnet man Mobilfunknetze aus dem analogen Zeitalter, die mobiles Telefonieren z.B. im Auto oder dem Zug erlaubten. Anfangs waren diese ersten Systeme mit Handvermittlung ("Frollein") wie im deutschen "A-Netz" oder der Schweizer Variante "Natel A". In vielen anderen Ländern lief es ähnlich.
Auch das deutsche B- oder C-Netz, das weit verbreitete Nordic Mobile Telephone Netz (NMT) oder die US-Version TACS (Total Access Communiction System) oder ETACS in Europa waren analoge Netze.
Mit GSM wurde es digital
Ab 1992 startete der spätere "Globale Standard für Mobile Kommunikation (GSM)", was man auch als "2G" bezeichnet. 2G/GSM ist oder war weit verbreitet auf 850, 900, 1800 oder 1900 MHz. Einige Länder haben ihre 2G/GSM-Technik bereits abgestellt, z.B. die Schweiz oder die USA.
Langsame Daten bei 2G
Weil die Datenraten bei GSM zu gering waren und auch die paketvermittelte Datentechnik "GPRS/EDGE" nicht ausreichte, wurde um das Jahr 2000 mit dem 3G-Protokoll begonnen, das nach dem WCDMA-Standard funktioniert. Für die Lizenzen zahlten sechs deutsche Unternehmen etwa 50.000.000.000 Euro. Allerdings nur vier Unternehmen überlebten die Startphase von 3G.
Von TDMA zu WCDMA
Während 2G mit dem Zeitschlitzverfahren (TDMA) arbeitet, was man durch das "Tuckel-tuckel-tuck" im alten Transistor-Radio oder dem PC-Zusatzlautsprecher gut hören kann, wenn das Handy daneben liegt, verwendet 3G ein anderes Verfahren, das WCDMA heißt (Wideband Code Division Multiple Access). Damit das gut funktioniert, werden schnelle Prozessoren benötigt, die viel Mathematik zu bewältigen haben. Am Anfang wurden die ersten 3G-Geräte im Betrieb entsprechend warm oder sogar "heiß".
Wie funktioniert WCDMA?
Stellen Sie sich einen Raum mit Leuten darin vor, die alle kreuz und quer miteinander reden. Wenn Sie hineinkommen, hören Sie nur Gemurmel und verstehen nichts. Aber jeder Redner oder Sprecherin hat eine andere Stimme, spricht einen anderen Dialekt oder eine andere Spreche. Die Gegenstelle "versteht" ihren Gesprächspartner, weil sie sich voll darauf konzentriert.
Das Verständnis funktioniert gut, solange nicht zu viele Leute im Raum sind. Wird der Raum voller, wird das Gemurmel lauter. Je mehr Leute dazu kommen, sprechen alle immer lauter, um sich noch verständlich zu machen. Irgendwann nutzt Schreien auch nichts mehr, weil der Raum (die Funkzelle) überfüllt ist. Nicht nur das: Durch das laute Schreien werden jetzt auch benachbarte Räume beeinträchtigt. Die mögliche Reichweite im Raum (wenn Ihr Gesprächspartner nicht direkt neben Ihnen steht) geht zurück. Leert sich der Raum wieder, reden alle wieder leiser und die Reichweite im Raum steigt wieder, die Funkzelle "atmet".
Übersetzt für WCDMA bedeutet das: Je mehr aktive Handys sich in einer Zelle befinden, umso geringer wird die Reichweite vom Handy zum Sender und die zur Verfügung stehende Bandbreite pro Endgerät schwindet auch. Das Atmungsproblem hat man bei LTE nicht. Leute die schon "drin" sind, behalten ihre Verbindung, "Neuankömmlinge" kommen dran, wenn wieder Platz ist. Insgesamt ist die Kapazität von möglichen Nutzern pro Funkzelle bei LTE und 5G-NR wesentlich höher.
384 kBit/s sind schnell?
Anfangs konnte 3G/UMTS maximal 384 kBit/s übertragen, was für damalige Verhältnisse "rasend" schnell war, denn bei 2G war via CSD bei 14,4 kBit/s oder mit GPRS bei etwa 50 kBit/s Schluss. Doch genauso schnell war klar, dass die 384 kBit/s auf Dauer zu wenig sein würden. Der Standard wurde "aufgebohrt". Zunächst kam HSDPA (High Speed Download Packet Access) zum Einsatz, womit die möglichen Geschwindigkeiten in den MBit/s-Bereich geschoben wurden und als Gegenstück folgte HSUPA für den Upload. Aus HSDPA und HSUPA wurde HSPA (High Speed Packet Access) mit etwa 20 bis 50 MBit/s als möglichem Tempo.
Doch da zeichnete sich am Horizont schon der nächste Schritt namens LTE (Long Term Evolution) ab, der OFDMA (Orthogonal Frequency Division Multiple Access) Technik verwendet. Hier werden die Signale in 3 Dimensionen (vorstellbar als ein Wellengebilde, das sich in der Länge und Höhe und Breite zugleich ausbreitet) ausgestrahlt und auf zig ineinander verschachtelte Unterträger (Signale im Signal) aufgeteilt.
Lange dachte man, eine Welle hätte nur zwei Dimensionen, beispielsweise horizontal (in der Ebene) oder vertikal (von oben nach unten). Durch drehen der Antenne um 90 Grad ließen sich zwei unabhängige Signale gleichzeitig aussenden. Bei LTE gibt es aber nicht nur diese beiden Zustände, sondern es könnte eine Welle auch um 45 Grad oder um 30 Grad verdreht senden. Man stelle sich einen Jongleur vor, der drei vier fünf sechs Bälle gleichzeitig durch die Luft wirft und wieder auffängt.
5G ist verbessertes 4G
5G ist für das produzierende Gewerbe (Handwerk, Industrie) spielentscheidend und wird auch privat immer mehr sich durchsetzen.
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Das aktuelle 5G-"New Radio"-Protokoll hat die 4G-Technologie dann weiter verfeinert.
Je schneller und besser die Netze wurden, desto mehr Anwender und Anwendungen wollten sie nutzen. UMTS fand zeitlebens überwiegend auf 2100 MHz statt, hier und da auch auf 1800 oder 900 MHz. Neue Frequenzen wie 800 oder 700 MHz ("digitale Dividende") oder 2600 MHz wurden gleich dem LTE zugeschlagen und auf 3500 MHz wird von vornherein in NR (New Radio = 5G) gefunkt.
Vier Übertragungsnormen sind unwirtschaftlich
Es ist wirtschaftlich nicht sonderlich sinnvoll, vier Generationen des Mobilfunks parallel zu betreiben. Nun wäre es naheliegend, die älteste Technologie in Rente zu schicken, wie es die Schweiz, die USA und andere Länder gemacht haben. Dummerweise ist der Netzausbau in Deutschland aber noch lange nicht so dicht, wie es eigentlich sein sollte. Das bedeutet, ohne 2G täten sich gewaltige Funklöcher auf. Und bis heute existieren noch eine nicht zu unterschätzende Anzahl von 2G-Handys, die aber kein 4G und vielleicht gerade noch 3G "können".
Wofür 2G noch gebraucht wird, lesen Sie auf der nächsten Seite