Telekom verschiebt Telefonnetz in die Cloud
Das bekannteste Cloud-Rechenzentrum der Deutschen Telekom befindet sich in Biere (bei Magdeburg)
Foto: Picture Alliance / dpa
Ab sofort nutzt die Deutsche Telekom eine neue Plattform für IP-basierte Sprachtelefonie im Festnetz. Diese neue Plattform wurde „NIMS“ getauft, was für "Next Generation IP Multimedia Subsystem" steht. Damit will das Unternehmen die "Cloudifizierung der Sprachtelefonie" starten.
18 Millionen Anschlüsse in der Wolke
Das bekannteste Cloud-Rechenzentrum der Deutschen Telekom befindet sich in Biere (bei Magdeburg)
Foto: Picture Alliance / dpa
Das Ziel soll sein, dass die Steuerung für bis zu 18 Millionen Anschlüsse von Kunden der Deutschen Telekom zukünftig in einem zentral in Deutschland aufgebauten Cloud-Rechenzentren stattfindet. Das Netz ist also nicht mehr ein Netz von untereinander verbundenen Knoten, sondern eine Software im Rechenzentrum, die ein Netz simuliert. Der Fachbegriff lautet Netzwerks-Funktions-Virtualisierung (NFV).
Das bedeutet, dass alle Verbindungen (z.B. mit Gesprächen) zentral zu einem Rechenzentren geführt werden. Darin werden die Teilnehmer verschaltet und es geht von dort aus dann über das Leitungsnetz wieder zum Teilnehmern. Selbst wenn man im Nachbarhaus anruft, nimmt das Gespräch jedes Mal weite Wege auf sich.
Zur Sicherheit gibt es natürlich mehrere solcher Rechenzentren (falls eines ausfällt), die sich gegenseitig "helfen" können oder für bestimmte Großregionen zuständig sind.
Virtuelles Netz soll effizienter sein
Für die Telekom soll das Festnetz durch die virtualisierten Netzfunktionen schneller und effizienter arbeiten. Das greift zum Beispiel beim Einspielen von Updates oder neuen Funktionen fürs Netz. Auch die Verwaltung und Zuteilung der Sprachkapazitäten im Netz kann so schneller erfolgen und lässt sich immer auf den aktuellen Bedarf abstimmen.
Da alle Verbindungen direkt zu einem Rechenzentrum laufen, kann dort entsprechend Kapazität bereitgestellt werden, wenn beispielsweise ein Gewinnspiel im Radio läuft oder im Fernsehen zu telefonischen Spenden aufgefordert wird.
Offene Standards für mehr Flexibilität
Früher gab es ein oder zwei Lieferanten von Hardware, welche die Gespräche fest programmiert vermittelt haben, und die waren sehr unflexibel und schnell überlastet. Die neue Plattform der Telekom nutzt offene Standards und Schnittstellen. Damit sind Hardware und Software unabhängig voneinander nutzbar. So können Infrastruktur und Anwendungen von ganz unterschiedlichen Herstellern kombiniert und einzelne Blöcke besser ausgetauscht werden.
"Revolutionärer" Ansatz?
Der meist ruhige Technikchef der Telekom Deutschland, Walter Goldenits, kommt bei dieser Technik ins Schwärmen: „Dieser Ansatz ist nahezu revolutionär“, denn: „Wir haben es innerhalb von wenigen Monaten geschafft, ein komplett neues System zu erschaffen und in Betrieb zu nehmen. Mit modernsten Arbeitsweisen, motivierten Partnern und dem Know-How unserer Kolleginnen und Kollegen gelang uns so ein maßgeblicher Schritt in die Zukunft einer automatisierten und softwarebasierten Telekommunikation.“
NIMS kümmert sich um alles
Die neue NIMS-Plattform hat die Aufgabe, Festnetzgespräche anzunehmen und an die richtige Stelle abzugeben. In einer Pilotphase hat das Festnetz-Team der Telekom das neue System auf Herz und Nieren geprüft. Dabei wurden mehr als 100 Millionen Sprachverbindungen erfolgreich abgewickelt. Getestet wurden sowohl Gespräche innerhalb des Telekom Netzes als auch über Netzgrenzen zu anderen Anbietern hinweg, sogenannte Interconnection-Verbindungen.
Rollout gestartet
Für diesen Teil startet nun der Rollout der Plattform im realen Betrieb. Die Umstellung passiert Schritt für Schritt in den kommenden Monaten.
Lieferanten, als im Fachjargon "Technologie-Partner", der neuen NIMS Plattform sind derzeit die Unternehmen Juniper Networks (Cloud Infrastructure & Prime Integrator), Red Hat (kommerzielle Variante von Linux), Hewlett Packard Enterprise, Lenovo, Mavenir (Netzwerk Software und Hardware) und Metaswitch (Private Cloud Netze für LTE und 5G). Das System ist aber grundsätzlich offen für weitere Partner, betont die Telekom.
Mit der Virtualisierung des Interconnect-Verkehrs will die Telekom "einen wichtigen Schritt zur Netzmodernisierung" schaffen. Ziel ist es, die Cloudifizierung und Automatisierung der Sprachtelefonie auch zukünftig weiter voranzutreiben.
Risiken und Nebenwirkungen
Bei aller Euphorie gibt es aus der TK-Branche schon erste Warnmeldungen, dass die geplante Umstellung bei der Telekom zu "Nebenwirkungen" führen könnte. Wer eine bestimmte Telefonanlage ans Netz der Telekom angeschlossen hat, könnte ab nächster Woche nicht mehr telefonieren können, warnt der Hersteller Tiptel.
Die bisherige und "weltweit übliche", direkte Registrierung per A-Record beim Registrar tel.t-online.de werde nach der Umstellung nicht mehr möglich sein. Erforderlich sei dann eine Telefonanlage, welche die Telefoniediensteauflösung per "NAPTR" (Naming Authority Pointer) und "SRV" (Service Ressource Record) unterstützt.
Diese Funktion muss unter Umständen in der Telefonanlage beim End-Kunden explizit eingeschaltet werden. Bestimmte (vor allen Dingen preiswerte) Telefonanlagen wie z.B. die Yeastar MyPBX U-Serie unterstützten diese Funktion aber nicht, die größere Yeastar S-Serie kann das hingegen. Anlagen wie die tiptel 8010/8020 All-IP würden die Änderung der Technik durch die Deutsche Telekom AG selbst erkennen und automatisch zum Umstellungstermin auf NAPTR/SRV umschalten, teilt das Unternehmen tiptel in seinem Newsletter mit.
In Hamburg möchte die Telekom 25.000 Haushalte direkt mit Glasfaser bis in die Wohnung versorgen.