MagentaCloud-Umstellung: Nichts für schwache Nerven
Wir haben über den Umstieg der Telekom eigenen MagentaCloud berichtet, die aktuell noch im Werden ist. Die MagentaCloud richtet sich in allererster Linie an Privatkunden, die einfach nur Speicherplatz für ihre Datenbestände wie Bilder, Texte, Backup-Dateien oder Software-Archive haben möchten. Das "Laufenlassen" von eigenen Programmen oder Anwendungen in dieser Cloud ist nicht vorgesehen und auch gar nicht notwendig.
Neue Server - neue Software
Die Original NextCloud Version kann mehr, beispielsweise eine virtuelle Synchronisierung.
Screenshot: Henning Gajek / teltarif.de
Die Telekom nutzte die Gelegenheit, beim Wechsel der Server-Infrastruktur auch eine neue Cloud-Technologie zu verwenden und zwar die von Nextcloud. Das ist grundsätzlich zu begrüßen.
Diese Cloud-Software gilt als eine Art Standard und steht privaten und gewerblichen Anwendern zur Verfügung, auch unabhängig von der Telekom. Nextcloud bietet auf Wunsch eigene Desktop-Clients zum freien Download für Windows-PC, macOS (ab Version 10) und Linux an, die mit der MagentaCloud der Telekom funktionieren und sogar einige zusätzliche Funktionen für Fortgeschrittene bieten.
Zu beachten ist: Der bisherige "alte" MagentaCloud Client (6.2) der Telekom funktioniert mit der neuen Cloud-Version überhaupt nicht und muss ausgetauscht werden. Gleiches gilt für die Smartphone-Versionen für iOS oder Android, die schon seit einiger Zeit verfügbar sind.
Client-Software muss ausgetauscht werden
Wenn die Synchronisierung geklappt hat, sieht das so aus.
Screenshot: Henning Gajek / teltarif.de
Ein interessierter und kundiger Kunde hat zwei Möglichkeiten: Von vorneherein die spezielle Telekom-Version (aktuell 3.3.6) installieren oder die leistungsfähigere von Nextcloud.
Wer sich für mehr Leistungsumfang entscheidet, muss die alte MagentaCloud Client-Software (z.B. Version 6.2) auf dem eigenen PC manuell deinstallieren (die lokal gespeicherten Daten bleiben erhalten). Danach den Rechner neu starten und erst dann direkt von Nextcloud die neueste Version (3.4.1) auf dem eigenen Windows-PC oder Mac-Rechner oder unter Linux installieren.
Virtuelle Synchronisation
Die Nextcloud-Version bietet an, die in der Cloud gespeicherten Daten "virtuell" zu speichern. Dazu wird auf dem lokalen PC nur eine Ordnerstruktur mit Dateinamen und Größe abgelegt, die Dateien sind aber noch nicht real vorhanden.
Wo der Cloud-Speicher bei der Telekom heute bis zu 1 TB groß werden kann, ist nicht sicher, ob der Kunde auf seiner lokalen Festplatte oder dem eigenen Handy soviel Speicher übrig hat oder ob das mobile Datenvolumen des synchronisierten Handys nicht in Lichtgeschwindigkeit aufgebraucht würde, wenn permanent die Synchronisierung laufen würde.
Telekom hat Sync-Software eingeschränkt
Die MagentaCloud Software 3.3.6 basiert auf NextCloud 3.3.6, ist aber in Details anders und deinstalliert noch ältere Versionen.
Screenshot: Henning Gajek / teltarif.de
Die Telekom hat eine eigene Version der Nextcloud-Software aufgelegt, die zwar wie das Pendant von Original-Nextcloud die Versionsnummer 3.3.6 trägt. In der Telekom-Software steckt aber noch mehr drin: Sie findet ältere Installationen der zuletzt lauffähigen Version 6.2. der "alten" MagentaCloud und deinstalliert diese, bevor sie die neue Version fertig aufspielt.
Als zweites synchronisiert die offizielle Telekom-Desktop-Version immer alle Dateien mit dem lokalen PC und fragt auch nicht, ob Ordner mit einem Inhalt von mehr als 500 MB vielleicht lieber doch synchronisiert werden sollten.
Diese Reduktion wird von Kritikern als "Kastration" empfunden. Bei der Telekom wird man sich wohl überlegt haben, das "Kundenerlebnis" so nahe wie möglich an der früheren Cloud zu belassen. Da konnte man zwar bestimmte Verzeichnisse von der Synchronisierung generell ausschließen, etwa wenn lokaler Speicherplatz Mangelware gewesen wäre. Die virtuelle Synchronisierung kann aber auch zu Problemen führen.
Erste Synchronisation wirft viele Fragen auf
Wer bisher brav gewartet hat, bis die neue Telekom-Software für Windows verfügbar ist, kann sie jetzt laden und dabei seine alte Installation aktualisieren. Bei der ersten Synchronisierung der lokalen Festplatte mit den Inhalten in der Cloud können unzählige "Fehlermeldungen" auftreten, weil sich die Versionen ja verändert haben. Einen Schreck bekommt man, wenn da steht, dass diese und diese Datei gelöscht würden. Es bleibt unklar, ob das wirklich der Fall ist und welche Version "am Leben" bleibt.
Synchronisierung sorgt für Duplikate
Stößt der MagentaCloud-Client beim Synchronisieren der Dateibestände zwischen PC und Cloud auf eine namensgleiche Datei, die aber ein anderes Filedatum oder eine andere Filegröße hat, wurde auch schon bei der alten nicht mehr gültigen Version gerne eine neue zusätzliche "Conflict"-Datei erzeugt. Damit umging MagentaCloud eine Abfrage beim Nutzer, welche Version denn für ihn wichtiger wäre, die neuere oder die ältere. Könnte ja sein, das beide Versionen wichtig sind.
Dieser Vorteil entwickelt sich aber schnell zum großen Nachteil: Der Nutzer "verdoppelt" im schlimmsten Fall seine Bestände und muss beide Dateien manuell vergleichen sowie jedes Mal die Entscheidung fällen, welche er behalten möchte und ggfs. einen neuen Namen vergeben. Sind sehr viele Dateien betroffen, wird diese Angelegenheit extrem zeitaufwendig.
Zur Sicherheit: Erst mal Sicherheitskopien anfertigen
Wer auf Nummer sicher gehen möchte, sollte vor dem ersten Synchronisierungslauf seine lokalen Dateien nochmal in ein anderes zusätzliches Verzeichnis oder auf eine externe Festplatte kopieren und sich dann in Ruhe anschauen, was die neue Cloud mit den Daten macht.
Erst Nextcloud, dann MagentaCloud und dann wieder zurück?
Wer aus lauter Ungeduld die freie Version von Nextcloud installiert hat, kann diese mit der Telekom-Cloud weiter nutzen und ist bereits auf Versionsstand 3.4.1 aufgestiegen. Wer später Bedenken bekommt, ob die Telekom-Version vielleicht doch besseren Kunden-Support bieten müsste, aber schon die Nextcloud-Version installiert hatte und nach deren Deinstallation die Telekom-Version neu installiert, wird möglicherweise mit zahlreichen Fehlermeldungen nicht glücklich werden.
Größere Datenmengen könnten auch nicht in einem Rutsch synchronisiert werden, weil die Cloud-Software je nach eigenem Rechner stehen zu bleiben scheint oder zahlreiche Fehlermeldungen ausspuckt, die mehr verwirren als helfen.
Offenbar wird eine virtuell synchronisierte Cloud von der später installierten MagentaCloud-Software völlig "missverstanden". Dann sollte man auch mit der Nextcloud-Version erst eine komplette Synchronisierung der Bestände durchgeführt haben.
Kurios ist es nach einer Installation und Deinstallation von Nextcloud, dem Ausprobieren von MagentaCloud, der Deinstallation von MagentaCloud und der Wiederinstallation von Nextcloud: Nextcloud erkennt die Zugangsdaten der Telekom wieder, ohne, dass man sie nochmal eintragen müsste und weiß auch sofort, was zu tun ist.
Klare Entscheidung treffen
Unser Rat: Wer sich für die Original-Nextcloud Software interessiert, sollte dabei bleiben. Wer lieber auf die Telekom-MagentaCloud-Software setzen möchte, sollte vorher die native Nextcloud-Software nicht installiert haben und die Deinstallation der alten Telekom-Software der neuen Telekom-Software überlassen.
WebDAV: Alles neu
Wer bisher auf seine Cloud per WebDAV-Protokoll zugegriffen hat, sollte wissen, dass das auch bei der neuen Cloud geht, aber anders. Die Ersteinrichtung könnte hakelig sein. Zunächst muss das neue WebDAV-Passwort erzeugt werden, was die Cloud-Software im Web vorgibt. Ein individuelles Passwort ist nicht möglich! Dazu muss der Kunde sich über die Weboberfläche in die MagentaCloud einloggen. Oben rechts steht der Benutzername, darunter verbirgt sich ein Menü "Einstellungen", das während dieser Tage nicht immer erreichbar ist.
Dort muss eine neue Sitzung generiert und das angezeigte Passwort herauskopiert werden. Nehmen wir eine Datei "geheim.kdbx", die im Verzeichnis kdbx der MagentaCloud gespeichert ist. Dann wurde bisher die web-Adresse https://webdav.magentacloud.de/kdb/geheim.kdbx verwendet, neu ist jetzt die URL https://magentacloud.de/remote.php/webdav/kdbx/geheim.kdbx zu wählen.
Der Benutzername ist gleich geblieben (meinname@t-online.de), nur das Passwort für WebDAV ist jetzt neu. Wer seine MagentaCloud unter einer "externen Adresse" (also nicht mit @t-online) angemeldet hat, könnte auf weitere Schwierigkeiten stoßen.
Neue Software für macOS geplant
Die Telekom hat angekündigt, nach der bereits ladbaren Windows-PC-Version (3.3.6) im Januar 2022 auch eine neue Version für macOS (macOS ab 10.12) zur Verfügung zu stellen, eine eigene Linux-Version ist nicht geplant.
Alternative: Original-Nextcloud Software
Wie schon erwähnt: Man kann mit der MagentaCloud die Client-Version von Nextcloud.de verwenden, die es für Windows, macOS und Linux gibt, und die weitere Funktionen bietet. Im telekomhilft-Forum beschreiben Freiwillige, wie das genau geht und was dabei zu beachten ist.
Ein vorläufiges Fazit
Zwar ist man bei der Telekom bemüht, die Kritik der Nutzer ernst zu nehmen und Hilfe zu leisten, dabei tritt aber der oft zu beobachtende Effekt auf, dass die eigentlichen Macher und Programmierer von Server-Konfigurationen und Software kaum die Zeit finden, im Forum vorbeizuschauen oder selbst Fragen zu beantworten - und das System "stille Post" seine Zeit braucht.
Hoffen auf Verbesserungen
Nutzer, welche die MagentaCloud schätzten, weil sie definitiv in Deutschland speichert und bislang doch relativ problemlos nutzbar war, müssen nun weiter hoffen, dass sich die Schwachstellen bald ausmerzen lassen und der Betrieb wieder in ruhigere Bahnen gelangt.
Gibt es Alternativen?
Neben der Telekom bieten verschiedene Anbieter ihre Cloud aus Deutschland an, etwa die Maildienstleister Web.de oder GMX, aber auch andere Mobilfunk-Netzbetreiber wie Vodafone, o2 oder freenet (mobilcom-debitel). Doch bei Licht betrachtet sind einige dieser Clouds oft etwas umständlich zu bedienen oder reagieren relativ langsam oder sind anderweitig in ihren Möglichkeiten beschränkt.
Professionelle Cloud-Speicher-Anbieter, wie beispielsweise Dropbox, sitzen in den USA. Das mag nicht jeder Nutzer, weil die Frage der Datenhoheit und des externen Zugriffs durch "Dritte" weiter unklar bleibt.
Von der Integration ins Windows-Betriebssystem ist OneDrive von Microsoft - wen wunderts - am weitesten fortgeschritten, und das funktioniert inzwischen recht gut. Das Angebot für Microsoft 365 (früher Office 365), bestehend aus der jeweils aktuellsten Version von Outlook, Word, Excel, PowerPoint, Publisher und Access für Windows plus 1 TB Cloudspeicher für private PCs mit etwa 50 Euro im Jahr, ist schon verlockend. Microsoft beteuert, dass sein Cloud-Speicher sich in Deutschland befinde und der DSGVO unterliege, mancher Anwender wird skeptisch bleiben.
5-TB-Festplatte kaufen?
Wenn es nur darum geht, die eigene Fotosammlung für die Zukunft aufzubewahren, könnte der Kauf einer externen Festplatte mit einigen TB Kapazität interessant sein. Die Preise dafür sind stark gesunken. 5 TB z.B. von Western Digital oder Seagate gibts für ungefähr 100 Euro. Man spielt seine Bilder über die USB-3.0-Schnittstelle drauf und lagert diese Festplatte dann irgendwo trocken und sicher ein. Bleibt zu hoffen, dass in einigen Jahren diese Platte problemlos wieder anläuft und die gespeicherten Schätze wieder herausgibt.
Besteht an MS-Office-Produkten kein Interesse, so rechnet sich die externe Festplatte schon im 2. Jahr des Kaufs gegenüber der Cloud-Lösung. Nimmt man 1 oder 2 TB bei diversen anderen Anbietern, kann schon der Kauf der externen Festplatte günstiger sein.
Keine ausreichende Beta-Test-Phase?
Enttäuschend ist, dass die Telekom ihren Cloud-Umzug nicht anders gestaltet hat, etwa mit einem betreuten Parallelbetrieb und einer ausgiebigen Public-Beta-Phase, die erst in den Regelbetrieb geführt werden dürfte, wenn alles rund läuft. Sicher kann ein Betabetrieb gut verlaufen, und unter Volllast treten dann doch Probleme auf. Sollten hier die Kostenrechner die Entscheidung getroffen haben? Gerade beim Premium-Anbieter Telekom hätte man hier den Schwerpunkt auf Qualität erwartet.