Zukunft

Telekom: Vorerst kein 5G-SA für Privatkunden

Beim Netzetag räumte Technik und Inno­vations-Vorständin Claudia Nemat mit Mythen um 5G-SA auf und sprach Klar­text.
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Beim Netzetag infor­miert die Deut­sche Telekom über den Netz­ausbau im Mobil­funk und Fest­netz.

Kommu­nale Zusam­men­arbeit ist wichtig

Ein wesent­licher Punkt ist die kommu­nale Zusam­men­arbeit und so spra­chen Claudia Nemat und Srini Gopalan stell­ver­tre­tend mit der Bürger­meis­terin Nicole Berka des Ortes Neun­kir­chen-Seel­scheid (im Rhein-Sieg-Kreis, Auto­kenn­zei­chen "SU"). Der Ort war am Wochen­ende in die Schlag­zeilen geraten, weil für etwa 24 Stunden der Strom weg war: 41.000 Leute waren in dieser Zeit komplett offline.

Die Bürger­meis­terin nutzte die Gele­gen­heit des Netze­tages, ihren Ort und ihren Land­kreis vorzu­stellen: "Wir leben auf dem Berg, aber nicht hinter dem Mond", und warb für Berge, Täler und Weiler. Die erste Frage von Neubür­gern oder Grund­stücks­käu­fern richte sich heute um ein einziges Thema: "Welches Internet gibt es bei Ihnen? Wie schnell ist das?" Bis Jahres­ende wird der Land­kreis komplett mit 50 MBits/s ausge­baut sein, aber das reicht auf keinen Fall aus. Im Rahmen eines Förder­pro­jekts werden 184 Schul­stand­orte mit Glas­faser bis ins Gebäude erschlossen.

Ausbau weiter beschleu­nigen

Vorständin für Technik und Innovation der Telekom: Claudia Nemat Vorständin für Technik und Innovation der Telekom: Claudia Nemat
Foto: Picture-Alliance / dpa
Grund für Claudia Nemat, Technik und Inno­vations-Vorständin bei der Telekom, die sich selbst als "Mana­gerin, Tech­nikerin und Mutter" sieht, zu betonen, "das Bauen wird weiter beschleu­nigt. Wir wollen Kunden zu Fans machen" - und es sei "wichtig, wie wir das machen."

Wie geht klima­neu­trale Wirt­schaft?

Nemat griff ein aktu­elles Thema auf, das viele disku­tieren, das aber schwer zu (be)greifen ist: "Wir wollen viel schneller in die klima­neu­trale Wirt­schaft. Wir haben die Klima­ziele massiv verstärkt." Dabei habe man es als Digi­tal­unter­nehmen noch gut, denn "50 Prozent der CO2-Emis­sionen, die einge­spart werden, werden durch digi­tale Lösungen erzielt." Man könne weniger herum­fahren, und damit CO2 sparen. Der Land­wirt könnte digi­tale Infos zur effi­zienten Pflan­zen­dün­gung bekommen, würde also spar­samer düngen.

Und dann wird es speziell: Die Telekom habe einen "audi­tierten Enable­ment Faktor von 7". Verständ­licher erklärt: Wenn die Deut­sche Telekom eine Tonne CO2 emit­tiere, könnten ihre Kunden dadurch selbst 7 Tonnen CO2 sparen. "Ist doch super, reicht aber nicht."

Die Telekom will bis Ende des Jahres überall in Deutsch­land, Europa und den USA "grüne" Netze haben. Das bedeutet, dass 100 Prozent der Produk­tion welt­weit auf Nutzung von Strom aus rege­nera­tiven Ener­gie­quellen umge­stellt werden soll - und "ganz klar: Atom­strom gehört da nicht dazu", betonte Nemat. Derzeit produ­ziert die Telekom zu 10 Prozent eigenen Strom und denkt über eine Betei­ligung an Wind- oder Solar­parks nach. "Noch ist nichts entschieden", es müsse "ökono­misch" sein.

CO2 entsteht auch in den Gebäuden (z.B. durch Heizung) und bei der Flotte. Bis 2025 sollen die eigene Emis­sionen der Telekom klima­neu­tral und bis 2025 sollen es null Emis­sionen sein. Der nächste dicke Brocken sei, dass ein Groß­teil der CO2-Emis­sionen in den voran­gegan­genen Liefer­ketten (bei den Liefe­ranten) oder in den nach­gela­gerten Vertriebs- und Vertei­lungs­ketten (Groß­händler, Einzel­händler, Versand­händler) entstehe, die sollen bis 2040 auf Null im "Scope 3", aber auch das reicht nicht.

Open-RAN: Wann wird es "reif für den Einsatz" sein?

Nemat schätzt, "wenn alles gut geht, wird O-RAN Ende 23 im kommer­ziellen Einsatz sein. Wir werden es einsetzen, wenn es reif ist." Heute sei O-RAN noch nicht so perfor­mant und nicht so ener­gie­effi­zient.

Technik der nahen Zukunft: 5G-Hybrid

Nemat stellt den kommenden 5G-Hybrid-Router vor, der auf Basis des "Speed­port Smart 4" mit "allen Kupfer­pro­dukten" funk­tio­niert. Nemat kündigte für Ende 2022 auch eine Kombi­nation von Mobil­funk mit terres­tri­scher Glas­faser an, beispiels­weise, um eine Backup-Verbin­dung zu haben, wenn z.B. das Fest­netz ausfallen sollte. Der 5G-Hybrid-Router mit Außen­emp­fänger soll offi­ziell ab September 2022 lieferbar sein, aktuell läuft ein Friendly-User-Test, über den wir noch berichten werden.

5G-Stan­dalone vorerst nicht für Privat­kunden

Vorständin Technik & Innovation Claudia Nemat (links) und Deutschland Chef Srini Gopalan (rechts) stellten die 5G-Netzpläne der Telekom vor. Vorständin Technik & Innovation Claudia Nemat (links) und Deutschland Chef Srini Gopalan (rechts) stellten die 5G-Netzpläne der Telekom vor.
Foto: Deutsche Telekom
Zum Start von 5G wurde und wird 4G (LTE) benö­tigt, diese Technik nennt man folge­richtig "Non Stand Alone" kurz NSA. Die 5G-SA ("Stan­dalone") Technik braucht dagegen kein 4G als Unter­lage mehr. 5G-SA funk­tio­niert bereits im Netz der Telekom, alle Stand­orte, die auf 3,6 GHz ("Band n78") funken, seien bereits an das neue 5G-SA-Kern­netz ("Core") ange­bunden. Aktuell senden 1200 Stand­orte mit 3600 Antennen auf 3,6 GHz, während insge­samt 63.000 Antennen (an etwa 31.000 Stand­orten) mit 5G-DSS auf nied­rigeren Frequenzen aktiv sind und somit eine bundes­weite 5G-Abde­ckung von 90 Prozent bieten.

5G-SA Was es (nicht) ist

Nemat räumte mit den Mythen um 5G-SA auf. "SA ist kein neues 5G-Antennen Zugangs­netz. Es gibt ein neues Kern­netz, das direkt an die Antennen ange­bunden ist und es braucht kein 4G mehr. 5G-SA ist etwas für Geschäfts­kunden, die geringe Latenzen brau­chen. Bei 5G-SA wird Network-Slicing möglich, man kann bestimmte Para­meter garan­tieren - was im indus­tri­ellen Bereich, speziell bei Campus­netzen (nach außen abge­schirmte Netze inner­halb einer Firma oder eines Geländes) wichtig ist.

Derzeit gebe es im Privat­kunden-Bereich noch keine Anwen­dung, für die 5G-SA zwin­gende Voraus­set­zung wäre.

Telekom hat 5G-SA "als Erste erfolg­reich erprobt"

Dabei sei es nicht so, dass die Telekom SA nicht beherr­sche. "Wir haben das mit Ericsson als erste auspro­biert." Bereits im Oktober 2021 wurde bei T-Mobile in Polen eine Video-Produk­tions-Verbin­dung erfolg­reich erprobt. Und deswegen, so Nemat weiter, "ist 5G-SA keine Oder-Tech­nologie, sondern eine Und-Tech­nologie". Damit trat sie dem bei tech­nisch inter­essierten Laien weit verbrei­teten Eindruck entgegen, dass 5G-NSA in Kürze durch 5G-SA abge­löst werden könnte.

Das Kunden­erlebnis am Ende des Tages sei alles entschei­dend. Solange es quasi keine Endge­räte dafür gebe, mache es keinen Sinn, das einzu­führen. "Stand heute", so der Tenor, "gibt es keinen Usecase (eine nutz­bare Anwen­dung) für Privat­kunden", und es gebe kaum Hand­sets dafür. Der Schwer­punkt liege momentan beim Haupt­nutzen im Geschäfts­kunden- und Indus­trie-Bereich.

In Zukunft AR und VR mit 5G-SA für Privat­kunden

Nemat sieht aber durchaus eine Zukunft für 5G-SA für Privat­kunden, etwa im Bereich Augmented Reality (AR) und Virtual Reality (VR). Das könnten sein: Hoch­wer­tige Spiele oder Infor­mationen über von Touristen besuchte Städte, die sich über Gebäude oder Sehens­wür­dig­keiten infor­mieren wollen oder Soft­ware von Möbel­häu­sern, welche die Möglich­keiten bieten, die neue Schrank­wand virtuell in die eigene Wohnung zu stellen, erläu­terte ein Experte die Möglich­keiten. Nemat ist sich sicher: In etwa ein bis zwei Jahren wird es ausrei­chend Geräte dafür geben, die Telekom ist darauf vorbe­reitet.

Und quasi zum Beweis schal­tete die Telekom in 5G-SA-Technik zu einem Live­kon­zert mit David Gahan & The Soul­savers in 5G Technik. Wem der Name auf Anhieb nichts sagt: Das ist der ehema­lige Lead­sänger der Pop-Gruppe Depeche Mode.

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