Editorial: Bitte trennt Netz und Inhalt
Disney hat 2020 einen eigenen Streamingdienst gestartet
Screenshot: teltarif.de, Quelle: The Walt Disney Company Limited
Die angekündigte Übernahme des
angeschlagenen Hollywood-Filmstudios Metro Goldwin Meyer durch
den Logistikkonzern und Streaming Dienst
Amazon ist für beide Seiten ein guter
Deal: MGM wird vor dem Untergang gerettet, während Amazon exklusive
Lizenzen für viele wertvolle Klassiker der Filmgeschichte erhält.
Für Verbraucher ist der Deal hingegen keine gute Nachricht: Sie
werden künftig wahrscheinlich eher mehr als weniger für Inhalte
zahlen müssen.
Netflix hat es vorgemacht, wie man durch die Kombination von Inhalten mit einem Streaming-Dienst einen Goldesel stricken kann. In den letzten zwei Jahren hat Netflix seinen Gewinn von 0,3 Milliarden US-Dollar auf 1,5 Milliarden US-Dollar pro Quartal verfünffacht, obwohl der Umsatz nur um ca. 60 Prozent gewachsen ist. Denn hat ein Streaming-Dienst einmal die kritische Userzahl überschritten, dann kann man zusätzliche User fast direkt in zusätzlichen Gewinn umrechnen: Die Netzwerkkosten pro User sind im Vergleich zum Preis des Monatsabos gering und die Kosten für die Produktion der Filme und Serien steigen nicht, nur, weil mehr User diese sehen.
Angesichts der Verdienstmöglichkeiten im Streaming wundert wenig, dass viele Filmstudios inzwischen ihren eigenen Streaming-Kanal gegründet haben, allen voran Disney. Doch während sonst meist gilt: "Konkurrenz belebt das Geschäft", gilt bei den Streaming-Kanälen: "Konkurrenz erhöht die Zeit, bis der Kunde den gewünschten Film endlich findet, und erhöht die Zahl der Kanäle, die der Kunde vergessen hat, wieder rechtzeitig zu kündigen".
Noch befinden sich die Streaming-Dienste in der Wachstumsphase, in der sie mit kundenfreundlichen Kündigungsfristen von nur einem Monat werben. Doch wie bei Fitnesscentern und Handyverträgen dürfte schon bald der Trend zu längeren Laufzeiten gehen. Das passiert teils aus Bequemlichkeit (welcher Familienvater will schon Disney+ jedes Mal wieder neu aktivieren müssen, wenn die Kleinen auf die Idee gekommen sind, mal wieder "Cinderella" schauen zu wollen), teils durch Rabatte für längere Laufzeiten und künftig wahrscheinlich auch teils durch Bündelung: Wer beim Heimanschluss gleich Amazon Prime Video und Disney+ zubucht, bekommt einen besseren Preis, hat dann aber für beide Verträge die 24-monatige Mindestlaufzeit.
Bitte trennt Netz und Inhalt
Disney hat 2020 einen eigenen Streamingdienst gestartet
Screenshot: teltarif.de, Quelle: The Walt Disney Company Limited
Gut für die Verbraucher wäre es, wenn Streaming-Dienste und Inhalte
wirtschaftlich getrennt wären. Dann müssten sich die
Streaming-Dienste in der Konkurrenz um die Kunden auf hohe technische
Qualität (z. B. gute Bildqualität bei geringen Datenraten) und die
Vollständigkeit ihres Angebots fokussieren, weil das die einzigen
Parameter sind, mit denen sie sich von der Konkurrenz abheben könnten.
Aktuell fokussieren sich die Streaming-Dienste hingegen darauf, ein paar
wenige "das-muss-ich-unbedingt-sehen"-Titel im Angebot zu haben, um
Kunden zum Abschluss zu bewegen. Danach wird das Angebot natürlich
so viel mit Fremdtiteln aufgefüllt, dass User auch beim Dauerfernsehen
nicht zu Wiederholungen gezwungen werden. Aber besondere
Qualitätsansprüche darf man an dieses Füllprogramm nicht stellen.
Die Kopplung von Streaming-Dienst und Inhalte-Produktion führt am
Ende also zu derselben Verflachung der Inhalte, die man im
Privat-TV leider seit Jahrzehnten beobachten kann.
Weil Amazon - anders als beim Onlinehandel - im Bereich der Streaming-Dienste nicht marktbeherrschend ist und die anderen Streaming-Dienste auch jeweils über eigene Studios verfügen, wird man den Amazon-MGM-Deal wahrscheinlich genehmigen. Und natürlich gibt es das Risiko (aus wirtschaftlicher Sicht) bzw. die Chance (aus Verbrauchersicht), dass sich Amazon mit dem Deal verhebt und die wirtschaftliche Reaktivierung von MGM misslingt. Wahrscheinlicher ist aber, dass wegen des MGM-Deals künftig viele User Amazon Prime Video buchen, obwohl sie im Monat nur ein bis zwei Filme darüber ansehen, und zugleich der Preis von Amazon Prime auch für Bestandskunden von aktuell 7,99 Euro im Monat auf dann 9,99 Euro steigt.