Überraschender Abgang: Unsichere Zukunft für Joyn?
Katja Hofem verlässt Joyn kurzfristig
Foto: Joyn GmbH
Wenn Mitarbeiter ein Unternehmen verlassen, ist das meistens eher eine persönliche Angelegenheit und nicht sonderlich berichtenswert. Eine Personalie im Hause ProSiebenSat.1/Discovery lässt nun aber doch aufhorchen: Katja Hofem verlässt Joyn kurzfristig bereits im Januar. Wer sich häufiger mit den Themen Streaming und Medien auseinandersetzt, hat den Namen ganz sicher schon gehört. Katja Hofem zählt zu den profiliertesten Topmanagerinnen der Medienbranche und stand auch unserer Redaktion in Interviews zu Joyn schon häufiger Rede und Antwort. Sie kann auf Führungspositionen bei der Mediengruppe RTL, Discovery Networks und ProSiebenSat.1 zurückblicken. Zuletzt war Hofem maßgeblich am Aufbau des Streaming-Dienstes Joyn beteiligt. Dass ausgerechnet sie nun von Bord geht, lässt zumindest nichts Gutes für Joyn erahnen, welches einst das Herzensprojekt des damaligen ProSiebenSat.1-CEO Max Conze war.
Bislang viel erreicht
Zum Abschied fand Katja Hofem warme Worte für die gemeinsamen Erfolge: "Ich bin sehr dankbar, dass ich mit einem tollen Team eine erfolgreiche Marke für den deutschen Streamingmarkt aufbauen konnte. Die Zeit bei Joyn war eine Erfahrung, die ich in meiner beruflichen Laufbahn nicht missen wollte und ich bin stolz darauf, welche Dynamik das Unternehmen im Hinblick auf Nutzerzahlen und Beliebtheit entwickelt hat. Nun ist die Zeit für mich gekommen, mich neuen Abenteuern in meinem Leben zu widmen und ich freue mich auf alles, was da so kommen wird. Ich danke den Gesellschaftern von ProSiebenSat.1 und Discovery Networks für das Vertrauen und die Chance, die sie mir gegeben haben. Dem Joyn-Team wünsche ich von Herzen weiterhin viel Erfolg und den tollen Spirit, der es trägt."
Den Dank erwiderte auch Wolfgang Link, ProSiebenSat.1-Vorstand und CEO der Seven.One Entertainment Group: "Joyn hat sich im ersten Jahr auf dem Markt mit knapp vier Millionen Unique Usern im Monat erfolgreich entwickelt und als beliebte Aggregator-Plattform etabliert. Für diese hervorragende Umsetzung bedanke ich mich herzlich bei Katja Hofem. Katja zählt zu den versiertesten Medienmacherinnen in unserem Business. Sie hat es mit ihrer langjährigen Expertise geschafft, aus Joyn in kürzester Zeit eine Erfolgsgeschichte zu machen. Danke für Deinen unglaublichen Einsatz. Danke für Deinen Drive - und alles Gute für Deinen weiteren beruflichen Weg, liebe Katja."
Susanne Aigner, Geschäftsführerin Discovery GSA & Benelux, ergänzt: "Ich kenne Katja seit 14 Jahren - zuerst aus ihrer Zeit bei Discovery, dann als Führungskraft in verschiedenen Funktionen bei ProSiebenSat.1 und zuletzt als Geschäftsführerin bei unserer Joint Venture-Plattform Joyn. Ihre Erfahrung und Professionalität sowie ihre Leidenschaft für die Branche und das Bewegtbild, haben sie zu einer der profiliertesten Medienmanagerinnen in Deutschland gemacht. Es war mir immer eine Freude und Anregung, mich mit ihr auszutauschen und mit ihr zusammenzuarbeiten."
Katja Hofem verlässt Joyn kurzfristig
Foto: Joyn GmbH
Unglückliche Umstände
Für Joyn kamen in diesem Jahr einige mehr als unglückliche Umstände zusammen. Da wäre einerseits der unfreiwillige Abgang von ProSiebenSat.1-CEO Max Conze im März dieses Jahres. Er musste das Unternehmen unter anderem aufgrund negativer Kritik an seiner Arbeitsweise mit sofortiger Wirkung verlassen, galt aber wie gesagt als großer Befürworter des Streaming-Projekts. Im gleichen Monat startete außerdem Disney+ in Deutschland und wurde zur ernsten Konkurrenz für Joyn.
Obendrein verlor ProSiebenSat.1 seine Topmanagerin Eun-Kyung Park an den Micky-Mouse-Konzern. Ausgerechnet dort wurde sie Senior Vice President/General Manager Media und war damit automatisch auch für Disney+ zuständig.
Im August verließ schließlich Co-Geschäftsführer Alexandar Vassilev Joyn und die Corona-Pandemie bremste auch noch zahlreiche Produktionen. Kurzum: Es läuft aktuell alles andere als rund. Doch was ist nun der Grund, warum eine so renommierte Medienmanagerin wie Katja Hofem von Bord geht? Darüber kann man als Außenstehender natürlich nur spekulieren, es gibt aber deutliche Anzeichen, dass ProSiebenSat.1 seine Pläne für den Streamer geändert hat.
CEO hat wenig Vertrauen in Streaming
Rainer Beaujean übernahm als Nachfolger von Max Conze den Chefsessel bei ProSiebenSat.1. Er ist Finanzvorstand des Medienkonzerns und gilt dort eher als Mann der trockenen Zahlen. Darüber hinaus hat er in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung bereits seine Skepsis gegenüber Abo-Modellen im Streaming deutlich gemacht. So glaubt er nicht, dass sich alle Angebote auf Dauer monetarisieren lassen, auch wenn er diese zusätzliche Option für ProSiebenSat.1 grundsätzlich begrüßt.
Es lässt sich zumindest heraushören, dass Joyn innerhalb von ProSiebenSat.1 unter Beaujean nicht mehr die höchste Priorität genießt. Vermutlich will der CEO ProSiebenSat.1 wieder zu seinen Wurzeln mit werbefinanzierten Live TV zurückführen. Darauf deutet auch hin, dass man wieder ins Nachrichtengeschäft einsteigen und alle News-Angebote der Sendergruppe in den nächsten Jahren in Unterföhring zusammenführen will. Deshalb zieht sich ProSiebenSat.1 auch aus der Kooperation mit Axel Springer/WELT zurück. Möglicherweise ist der Abgang von Katja Hofem also nur die letzte Konsequenz einer längeren Entwicklung.
Eine Einschätzung (von Björn König)
Der Abschied von Katja Hofem ist auf jeden Fall ein Verlust für die deutsche Streaming-Landschaft, ganz besonders natürlich für Joyn. Sie ist zweifellos eine versierte Medienmanagerin mit großer Erfahrung. Deshalb dürfte sie auch sehr schnell einen neuen Job innerhalb oder außerhalb der Medienbranche finden.
ProSiebenSat.1 steht nun jedoch vor der zentralen Frage: Weiter Geld in Streaming investieren oder das Feld RTL und der US-Konkurrenz überlassen? Letztere Entscheidung würde zwar kurzfristig Geld sparen, wäre aber langfristig ein Verlust für den Streaming-Markt. Außerdem würde dem Konzern eine wichtige Option fehlen, seine Inhalte zu monetarisieren.
Letztendlich wäre die Entscheidung wohl ein Fehler, so wie es seinerzeit auch strategisch unklug war, vorerst aus dem Nachrichtengeschäft auszusteigen. Spätestens im kommenden Jahr wird man sehen, wie die neue Doppelspitze unter Tassilo Raesig und Jochen Cassel Joyn ausrichtet.
Noch im November sprachen wir mit Katja Hofem über aktuelle Pläne für Joyn.