Streaming-Champion rückt in weite Ferne
Kann RTL sich als nationaler Streaming-Champion durchsetzen?
Foto: RTL Deutschland GmbH
Die jüngsten Sparmaßnahmen bei deutschsprachigen Originals innerhalb von Paramount+ machen deutlich: Auch in Hollywood ist nicht alles Gold, was glänzt. Investitionen müssen wieder eingespielt werden. Da aber mehr oder weniger alle US-Streamer auf die Kostenbremse treten müssen, ist dies womöglich eine Chance für nationale Streaming-Angebote wie Joyn oder RTL+, bei lokalem Content aufzurüsten.
Ausgangslage bleibt schwierig
Kann RTL sich als nationaler Streaming-Champion durchsetzen?
Foto: RTL Deutschland GmbH
Die Kosten lokaler Produktionen auf dem deutschen Markt liegen zweifelsohne unter hochkarätigen US-Premiumserien und Blockbustern. Dennoch zehren sie am ohnehin schon schmalen Budget der beiden etablierten Mediengruppen. Eine zentrale Rolle spielt dabei die Monetarisierung der Streaming-Angebote, wobei ProSiebenSat.1 sich derzeit im Nachteil zeigt. In Unterföhring fokussiert man sich derzeit auf das werbefinanzierte AVoD-Angebot, die kostenpflichtige Option Joyn+ steht eher im Hintergrund, auch wenn man daran festhalten will. Problematisch ist für ProSiebenSat.1 allerdings zusätzlich der schwache Werbemarkt und nötige Schuldenabbau, was hohe Investitionen in Inhalte zumindest nicht einfacher macht.
Etwas anders sieht es bei RTL aus. In Köln war von Anfang an klar, dass RTL+ Umsätze generieren soll. Und zwar nicht nur durch Werbeeinnahmen, sondern ganz dezidiert durch verschiedene Abomodelle. Ob diese Strategie jedoch bislang aufgeht, ist fraglich. Zumindest bei einem Blick auf die Marktanteile im Gesamtjahr 2023 bei JustWatch schafft es RTL+ nicht einmal in die Top 5 der Marktanteilsentwicklung, diese wird vollständig durch US-Angebote dominiert. Selbst Späteinsteiger Paramount+ liefert in Sachen Marktanteil überzeugendere Ergebnisse ab.
Breitere Basis bei RTL
Dennoch, das Content-Geschäft von RTL ist insgesamt breiter aufgestellt, was sich positiv auf RTL+ auswirkt. Bertelsmann und Gruner + Jahr steuern nicht nur bereits vorhandene Inhalte in Form von Hörbüchern und Magazinen bei, vielmehr liefert das Verlagsgeschäft auch ein großes Portfolio an Literatur, die als Vorlage für Filme und Serien im Streaming dienen kann.
Den ersten Ansatz in Richtung eines multimedialen Angebots gab es bei ProSiebenSat.1 in der Vergangenheit mit der Podcast-App FYEO, welche sich jedoch nicht erfolgreich etablieren konnte. Dennoch müsste ein nationaler Streaming-Champion mehr bieten, als nur Video-Content. RTL+ gibt hier durchaus einen richtigen Weg vor. Dennoch reicht es trotzdem nicht, sich mehr oder weniger auf eigene Inhalte zu konzentrieren.
Beide Plattformen vor Dilemma
Die Probleme beider Plattformen sind offensichtlich. Während Joyn neben Inhalten der RTL-Gruppe sowie den öffentlich-rechtlichen Sendern insbesondere Audio-Content fehlt, ist RTL+ ein in sich geschlossener Kosmos mit Fokus auf Inhalte von Bertelsmann und RTL. Für einen wirklich nationalen Streaming-Champion weisen also beide Angebote derzeit noch zu große Lücken auf.
Würden Joyn und RTL+ eine gemeinsame Streaming-Plattform aufbauen, hätte man zweifelsohne den nationalen Streaming-Champion. Doch das ist wohl aus wettbewerbsrechtlicher Sicht derzeit kaum vorstellbar. Die Differenzen unterstrich zuletzt nochmals Joyn-Chefin Frömsdorf bei der dpa: "Die Frage stellt sich aktuell nicht, denn RTL setzt bei seinem Streamingdienst einen Schwerpunkt auf zahlende Abonnenten. Wir verfolgen mit Joyn eine andere Strategie und setzen in erster Linie auf ein kostenfreies, werbefinanziertes AVoD-Angebot." Vielleicht ist es aber für die Zukunft nicht ausgeschlossen, denn Streaming-Zusammenschlüsse unter national dominierenden Medienkonzernen sind realistisch, wie sich in den USA bereits gezeigt hat. Auch die Kooperation im Bereich Ad Tech zwischen ProSiebenSat.1 und RTL könnte zumindest als vorsichtiges Signal gewertet werden, dass beide Unternehmen weitere Synergien ausloten.