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Editorial: Wird die Armbanduhr "smart" wiederbelebt?

Neue Elektronik bietet neue Möglichkeiten
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Smartwatches von Sony Smartwatches von Sony
Bild: teltarif.de
Sie sind einer der Trends der diesjährigen IFA: Smartwatches, die wie eine Uhr am Handgelenk getragen werden und das Smartphone ergänzen. Sind diese das "nächste große Ding", mit dem die Mobilbranche noch weiter in den Alltag der Menschen vordringt und unser aller Leben beeinflusst? Oder handelt es sich um nicht mehr als ein nettes Gimmick, mit dem man zwar auf einer Party ein paar Hingucker provoziert, in Analogie zu den ebenfalls oft in Armbanduhren versteckten Spielzeugen, mit denen "Q" James Bond ausstattet, aber die eben auch nur in der Pseudowirklichkeit eines Spielfilms richtig funktionieren? Immerhin sind Armbanduhren mit der Einführung der Handys zunehmend aus der Mode gekommen. Kommt jetzt das Revival der Elektronik am Handgelenk?

Nun, die Vorteile einer Smartwatch liegen auf der Hand bzw. am Handgelenk: Man muss nicht mehr das Smartphone aus der Tasche ziehen und in die Hand nehmen, um nach der Zeit zu sehen, eine kurze Nachricht zu lesen, einer Route in der Fußgänger-Navigation zu folgen oder sich eine Wettervorhersage für den nächsten Tag anzeigen zu lassen.

Die Nachteile einer Smartwatch sind ebenso offensichtlich: Da diese zwangsläufig zu klein ist, um als vollwertiger Smartphone-Ersatz zu dienen, werden Smartwatch-Nutzer künftig mit einem Gerät mehr unterwegs sein. Eine Smartwatch kostet also zusätzliches Geld in der Anschaffung, und zusätzliche Zeit: morgens anziehen, abends ausziehen, regelmäßig aufladen. Kompensieren die Nutzungsvorteile diesen Aufwand? Nun, wahrscheinlich ja, aber nur für einen eingeschränkten Nutzerkreis.

Smartwatch: Spezialprodukt für besondere Anwendungen

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Bild: teltarif.de
Wer einen ortsfesten Job (z.B. im Büro oder in einem nicht allzu großen Laden) hat, wird dort kaum eine Smartwatch benötigen. Wer zwar beruflich viel unterwegs ist, aber die meiste Zeit dasselbe Fahrzeug steuert, gehört ebenfalls nicht zur Smartwatch-Zielgruppe. Einem Taxifahrer neue Touren auf einem fest eingebauten Gerät oder zumindest während der Fahrt in einer Halterung gesicherten Smartphone anzuzeigen, ist einfach besser, als auf einer Uhr, für deren Betrachtung der Fahrer eine Hand vom Steuer nehmen muss.

Interessant sind Smartwatches hingegen sicher für Freizeitsportler, die beim Training heute oft schon Pulsuhren verwenden, um gezielt ihre eigene Belastung zu kontrollieren. Hier bietet eine Smartwatch - in Kombination mit Pulssensor und Smartphone - noch mehr Erfassungsmöglichkeiten: Die im Smartphone integrierten GPS- und Beschleunigungssensoren können etwa Laufstrecke, Höhenprofil, Geschwindigkeit, Schrittfrequenz und viele weitere Daten neben der Pulsfrequenz erfassen und eine geeignete App deren spätere Auswertung ermöglichen.

Lageristen, die mal mit, mal ohne Gabelstapler unterwegs sind und ihre Hände frei zum Arbeiten brauchen, könnte eine Smartwatch als Auftragsanzeige dienen. Sollte das kleine Display mal doch nicht reichen, können sie selbstverständlich auch auf das größere Smartphone zurückgreifen. Die Hände frei braucht auch Sicherheitspersonal. Für diese ist es aber ein Sicherheitsproblem, wenn Dritte ebenfalls die auf der Smartwatch angezeigten Nachrichten sehen können. Aber auch private Nutzer finden es sicherlich nicht besonders prickelnd, wenn der Sitznachbar in der U-Bahn die auf der Smartwatch eingegangene SMS mitliest. Klar könnte man die SMS auch erst dann anzeigen, wenn der User auf das Display tappt, doch bedeutet das dann wieder mehr Interaktion, die der User durchführen muss.

Um eine Smartwatch zum wirklich persönlichen Gerät zu machen, sollte es aber eine Lösung geben: Die von Geldautomaten bekannten Filter, die das Display nur aus einer Richtung einsehbar machen, zusammen mit einer Frontkamera und einer Gesichtserkennung in der Smartwatch. Dann bleibt das Display dunkel, so lange es nicht in Richtung auf das Gesicht des Trägers zeigt.

Die Armbanduhr war schonmal eine Optimierung

Dort, wo heutzutage meist das Smartphone steckt, nämlich in einer Hosen- oder Jackettasche, war es schonmal üblich, ein Gerät zu haben, nämlich eine Taschenuhr. Mit zunehmender Verkleinerung der Uhrenmechanik kamen die Taschenuhren jedoch aus der Mode und wurden durch Armbanduhren ersetzt. Der Ersatz von "Taschen-Smartphones" durch "Armband-Smartphones" könnte klappen, wenn in den kommenden Jahren die Smartphones noch viel kleiner und leichter und zugleich die Displays ausklappbar oder ausrollbar werden. Bis dahin ist die Smartwatch vor allem eine nette Ergänzung zum Smartphone - und damit nur für einen kleinen Teil der Nutzer interessant.

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