Verpfändet?

Editorial: SIM-Karten-Pfand und kein Ende

Wie Provider die Kunden zum Vertragsende nochmal schröpfen: Erst gab es Deaktivierungsgebühren, nach deren Verbot folgte das SIM-Karten-Pfand, inzwischen schon in der zweiten Version.
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SIM-Karten werden in Deutschland nicht wiederverwendet SIM-Karten werden in Deutschland nicht wiederverwendet
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Die Unsitte mobilcom-debitels und einiger weiterer Mobilfunk-Provider, Ex-Kunden zum Vertragsende nochmal ein Entgelt abzuzwacken, beschäftigt die Verbraucherzentralen und die Gerichte nun schon seit eineinhalb Jahrzehnten: 2002 befand der BGH als abschließende Instanz eines 1999 begonnenen Verfahrens die damals weit verbreiteten Deaktivierungsgebühren für unzulässig. Zwar verschwanden Deaktivierungsgebühren dann tatsächlich von den Preislisten der Anbieter, aber nur, um in neuer Form wieder aufzutauchen, insbesondere als SIM-Karten-Pfand.

Zwar können die Kunden die Berechnung des SIM-Karten-Pfands umgehen, indem sie ihre SIM-Karte, wie vom Anbieter verlangt, relativ zeitnah nach dem Vertragsende zurücksenden. Doch dem kommt nur ein Teil der Kunden nach. Wenn das Handy samt SIM gestohlen wurde, der Kunde die Pflicht zur Rücksendung nicht im Vertrag gelesen oder vergessen hat, oder der Rücksendebrief mit der SIM verloren geht, dann kommt die Abschlussrechnung mit dem Pfand, so der Kunde ursprünglich einen der "pfandpflichtigen" Tarife mit dem Provider geschlossen hatte.

Nun hat die Rücksendung der SIM keinerlei wirtschaftlichen Sinn. Kein Anbieter in Deutschland verwendet SIM-Karten weiter. Neue Kunden bekommen neue SIMs, die zurückgesendeten alten SIMs werden von den Pfanderhebern jeweils entsorgt. Durch das Öffnen der Rücksendebriefe und der Erfassung, welche Ex-Kunden ihre Ex-SIM korrekt zurückgegeben haben, entstehen den Providern sogar noch zusätzliche Kosten.

Ein wirtschaftliches Interesse haben die Provider folglich nur an der Nichtrücksendung der SIM. In diesem Fall können sie die bereits genannte weitere Rechnung mit dem SIM-Karten-Pfand schicken. Die meisten Ex-Kunden ärgern sich darüber, bezahlen aber trotzdem. Wegen 20 oder 30 Euro lohnt es sich nicht, vor Gericht zu streiten, selbst dann, wenn man eine Rechtsschutzversicherung hat.

Deaktivierungsgebühren 3.0, SIM-Karten-Pfand 2.0

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Angesichts der genannten Fakten verwundert es nicht, dass die Verbraucherzentralen in Sachen "SIM-Karten-Pfand" inzwischen mehrere Urteile zu ihren Gunsten erstritten haben. Doch mitnichten hat mobilcom-debitel die Pfandberechnung eingestellt. Stattdessen wurden die vom Gericht untersagten AGB kurzerhand abgeändert und das Spiel von neuem gestartet. Nun holen die Verbraucherzentralen, gemeinsam vertreten durch den Verbraucherzentrale Bundesverband, zum für sie größtmöglichen Gegenschlag aus: Sie verlangen die Einziehung der mit dem Pfand zu unrecht erwirtschafteten Gewinne!

Für den Bundesverband ist dieser Schritt mit hohem Prozesskostenrisiko verbunden: Während bei normalen Unterlassungsklagen die Streitwerte klein gehalten werden können, indem die Verwendung einer bestimmten Klausel gegenüber einem exemplarischen Kunden verhandelt wird, geht es bei der Gewinnabschöpfung ums Ganze. Folglich steigen die Streitwerte, und damit auch die Gerichts- und Anwaltskosten. Letztere muss der Bundesverband selber bezahlen, sollte er am Ende unterliegen. Gewinnt der Bundesverband vor Gericht, werden aus dem abgeschöpften Gewinn zwar seine Kosten erstattet, falls er sich diese nicht direkt vom Unterlegenen wiederholen kann. Der Rest des Geldes geht aber an den Staat!

Man muss sich mit den Verbraucherzentralen also schon gewaltig anlegen, bevor diese zur Waffe der Gewinnabschöpfung greifen. mobilcom-debitel hat in Sachen Deaktivierungsgebühren und SIM-Karten-Pfand die entsprechende Grenze offensichtlich überschritten. Hoffen wir im Sinne transparenter Preise, dass die Verbraucherzentrale obsiegt! Zwar entstehen einem Anbieter für die Bearbeitung und Abwicklung einer Kündigung tatsächlich Kosten. Doch wird jeder Vertrag irgendwann einmal auch gekündigt, und folglich ist es überhaupt kein Problem, die zu erwartenden Kosten für das Vertragsende schon in die Anmeldegebühren mit einzupreisen.

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