Editorial: Randlos
Fast randloses Display beim Samsung Galaxy S20
Bild: Samsung
Bei Smartphones und Laptops geht der Trend gleichermaßen zu fast
randlosen Displays: Je weniger Rahmen rund um das Display verbleibt,
desto mehr Fläche steht bei ansonsten unveränderter Gerätegröße für
das Display zur Verfügung. Bei gleicher Display-Diagonale werden Laptops
mit der Zeit also immer kleiner und leichter. Bei Smartphones geht der
Trend derzeit hingegen eher zu größeren Gehäusen - anders lässt sich
kaum ein ausreichend großer Akku unterbringen. Und auch die Kameramodule
werden dank zusätzlicher Weitwinkel- und Tele-Linsen derzeit immer
voluminöser.
Das größte Hindernis beim Display-Wachstum sind die üblicherweise auf der Vorderseite angebrachten Bedienelemente und Sensoren. Vor dem Siegeszug von iOS und Android hatten Smartphones beispielsweise neben dem Display noch Kamera und Tastatur auf der Vorderseite. Apples genialer Schachzug beim iPhone war die Einführung des kapazitiven, mit dem Finger (und nicht nur mit einem Stift) bedienbaren Touchscreen: Bei Bedarf wird eine Tastatur eingeblendet. Besteht kein Bedarf, wird auch kein Platz mehr für die Tastatur benötigt. So sparte man sich den Platz für die Tastatur und konnte das Display erstmalig auf mehr als die Hälfte der Gerätefläche vergrößern.
Immer mehr Sensoren
Fast randloses Display beim Samsung Galaxy S20
Bild: Samsung
Zugleich kamen mit dem Siegeszug der Smartphones aber weitere
Sensoren auf der Vorderseite hinzu: Annäherungssensor (der den Touchscreen
ausschaltet, während man mit dem Smartphone am Ohr telefoniert),
Helligkeitssensor (der die Helligkeit des Umgebungslichts misst, um
die Displayhelligkeit automatisch anzupassen), Fingerabdrucksensor und
Iris-Scanner für die Biometrie. Alle brauchen ihren Platz.
Doch die Ingenieure haben den Traum vom (fast) randlosen Display nie
aufgegeben und im Laufe der Jahre Sensoren platzsparend miteinander
kombiniert oder gar unsichtbar ins Display gesetzt.
Die Entwicklung erfolgt dabei meist in vielen kleinen Schritten über viele Jahre hinweg. Bereits vor fünf Jahren stellte LG ein Frontglas mit integriertem Fingerabdrucksensor vor. Doch der Fingerabdrucksensor musste dabei weiterhin neben dem Display-Bereich liegen, es war aber nicht mehr nötig, an der Oberfläche des Fingerabdrucksensors ein anderes Material als auf der restlichen Oberfläche zu verwenden. Vor drei Jahren zeigte Vivo dann das erste Smartphone mit im Display integrierten Fingerabdrucksensor. Inzwischen ist diese Technologie im Android-Obersegment zur Standardausstattung geworden, während Apple inzwischen wieder auf Fingerabdrucksensoren verzichtet und bei der Biometrie rein auf Face ID setzt.
Auch der Platz, den die Frontkamera auf der Vorderseite für sich beansprucht, wird immer kleiner und könnte bald ganz bei null liegen. Anfangs wurde am oberen Geräterand ein Streifen mit der Dicke des Kameramoduls freigelassen. Es folgten die Kamera-Notch, die die Länge des Display-freien Streifens auf einen Teil der Gehäusebreite reduziert, sowie das Puchhole, eine kleine kreisrunde Aussparung im Display für die Kameralinse.
Transparentes Display
Samsung ist aber selbst die Punchhole-Lösung nicht genug, und so haben sie das erste Image-Video für ein Gerät mit einer hinter dem Display versteckten Kamera veröffentlicht: Das dafür verwendete OLED-Panel ist im ausgeschalteten Zustand durchsichtig. Wird die Kamera aktiviert, müssen die Pixel im Kamera-Bereich natürlich dunkel schalten, ansonsten stehen sie aber uneingeschränkt zur Anzeige zur Verfügung. Die auf allen Seiten randlose Videowiedergabe kann also kommen.
Natürlich stellt sich die Frage, wie gut die Bildqualität der so versteckten Kamera sein wird. Denkbar ist, dass das OLED-Display nicht perfekt flach ist und auch einen Teil des einfallenden Lichts schluckt. Die Folgen wären, dass das Kamera-Bild nicht ganz so scharf und lichtstark ist wie bei einer herkömmlichen Frontkamera. Andererseits nimmt eine versteckte Frontkamera keinen Platz mehr weg, und so kann man die Nachteile bei der Lichtstärke durch eine größere Linse und einen größeren Sensor wieder ausgleichen. Wie gut das funktioniert, werden wir aber erst sehen, wenn entsprechende Geräte in die Läden kommen.
Erstes Gerät mit der versteckten Kamera könnte übrigens ein Laptop werden: Das ultraflache und leichte Samsung Blade Bezel mit OLED-Display. Wenn sich die Technologie dort bewährt, werden Smartphones aber bald folgen.
Sicher sind versteckte Fingerabdrucksensoren und Kameras nichts, was die Welt unbedingt braucht. Smartphones funktionieren auch ohne sie. Andererseits machen sie Smartphones attraktiver und treiben somit die Innovation an. Dank dieser Innovationen können immer mehr Funktionen in immer weniger Bauteile integriert werden, als Beispiel sei der ins Frontglas integrierte Fingerabdrucksensor genannt. Diese Integration kommt am Ende nicht nur dem Design der Highend-Smartphones, sondern auch den Produktionskosten der Lowend-Smartphones zu Gute: Noch nie gab es so viel Smartphone bereits für 100 Euro wie heute.