Streit

Ampel vs. Wissing: Streit um Huawei-Verbot im 5G-Netz

Das Handels­blatt berichtet wieder einmal über einen Streit in der Bundes­regie­rung über den Umgang mit IT-Kompo­nenten aus China in deut­schen Mobil­funk­netzen
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Der Streit um Huawei und ZTE ist weniger technisch, sondern politisch motiviert. Der Streit um Huawei und ZTE ist weniger technisch, sondern politisch motiviert.
Foto: Picture Alliance/dpa/AP
In der Bundes­regie­rung sei ein Streit über den Umgang mit IT-Kompo­nenten aus China in den deut­schen Mobil­funk­netzen entbrannt, berichtet die Wirt­schafts­zei­tung "Handels­blatt", die schon länger einen extrem China-kriti­schen Kurs fährt.

Wissing gegen Rückbau

Der Streit um Huawei und ZTE ist weniger technisch, sondern politisch motiviert. Der Streit um Huawei und ZTE ist weniger technisch, sondern politisch motiviert.
Foto: Picture Alliance/dpa/AP
Demnach stemmte sich Digi­tal­minister Volker Wissing (FDP) zunächst gegen den von Innen­minis­terin Nancy Faeser (SPD) gefor­derten Rückbau von Bauteilen der Hersteller Huawei und ZTE. Wissing argu­men­tierte, ihm lägen zu Huawei keine sicher­heits­poli­tischen Einschät­zungen vor. Dieser Behaup­tung wider­spricht nun das Haus von Faeser.

Gibt es ein offi­zielles Eckpunk­tepa­pier?

Konkret gehe es um ein Eckpunk­tepa­pier des Innen­minis­teriums. Es soll Sicher­heits­risiken aufführen, die sich aus dem Einsatz von Bauteilen der chine­sischen Hersteller Huawei und ZTE in öffent­lichen 5G-Mobil­funk­netzen von Telekom, Voda­fone und Telefónica für die Bundes­repu­blik ergeben könnten. In dem Doku­ment schlägt das Innen­minis­terium ein weit­gehendes Verbot von kriti­schen Bauteilen der betref­fenden chine­sischen Hersteller vor.

Wurde das Papier offi­ziell über­sandt?

Faesers Minis­terium erklärte auf Anfrage des Handels­blatts, das Papier sei dem Digi­tal­minis­terium (BMDV) „über­sandt und in einer Bespre­chung der Staats­sekre­täre Mitte September mit Betei­ligung des Wissing-Ressorts ausführ­lich beraten worden“. Auch an dem 5G-Prüf­ver­fahren sei das BMDV „zu jeder Zeit auf Fach­ebene betei­ligt“ gewesen.

Wissing: Kenne das Papier nur vom Hören­sagen

Wissing erklärte dagegen dem Handels­blatt: „Ich kenne ein solches Papier nicht.“ Es werde nur immer öffent­lich aus Kreisen des Innen­minis­teriums darüber berichtet. „Hören­sagen reicht mir aber für eine Entschei­dung von solcher Trag­weite nicht. Das müssen wir inner­halb der Bundes­regie­rung mit der gebo­tenen Ernst­haf­tig­keit prüfen und abwägen. Das tun wir.“

Ampel­poli­tiker fordern von Digi­tal­minister Wissing Ende der Blocka­dehal­tung

Das Handels­blatt meldet nun "exklusiv", dass Bundes­digi­tal­minister Volker Wissing (FDP) in der Debatte um den chine­sischen IT-Konzern Huawei zuneh­mend unter Druck gerate.

Hinter­grund seien Vorbe­halte seines Minis­teriums gegen härtere Vorschriften für das 5G-Mobil­funk­netz, die etwa chine­sische Hersteller wie Huawei oder ZTE treffen würden. Der innen­poli­tische Spre­cher der SPD-Bundes­tags­frak­tion, Sebas­tian Hart­mann, sagte dem Handels­blatt: „Der Digi­tal­minister sollte nun eine klare Haltung einnehmen.“ Dass es in der Huawei-Frage nicht voran­gehe, könne er nicht nach­voll­ziehen. „Für Naivität ist die Zeit vorbei.“ Ein schnelles Handeln sei erfor­der­lich, um kriti­sche struk­turelle Abhän­gig­keiten abzu­bauen.

Der Grünen-Frak­tions­vize Konstantin von Notz erin­nerte daran, dass sich die Bundes­regie­rung ange­sichts stark gestie­gener Risiken vor Monaten auf eine China- und eine neue Natio­nale Sicher­heits­stra­tegie verstän­digt habe. „Ich habe keinerlei Verständnis dafür, dass diese Verein­barungen nun, wo es an die prak­tische Umset­zung geht, von einzelnen Minis­terien torpe­diert werden“, sagte er dem Handels­blatt. Minister Wissing müsse „seine Blockade endlich aufgeben“.

Der CDU-Sicher­heits­poli­tiker Rode­rich Kiese­wetter mahnte eben­falls, keine Zeit mehr zu verlieren. „Das Zögern der Bundes­regie­rung zeigt einmal mehr, dass die Regie­rung den Ernst der Lage und die Bedro­hung für Deutsch­land immer noch nicht verstanden hat und in stra­tegi­scher Blind­heit und retro­spek­tiver Romantik verharrt“, sagte der Bundes­tags­abge­ord­nete.

Was sind die Fakten?

Es ist bekannt, dass die etablierten Netz­betreiber (Telekom, Voda­fone, o2) in Deutsch­land in ihren Kern­netz­werken schon länger keine Technik von Huawei (oder ZTE) mehr einsetzen. Statt­dessen werden dort Kompo­nenten von Ericsson (Schweden, 4G) und Mavenir (USA, 5G) verwendet. Ein "Angreifer", der Zugriff auf das Kern­netz hätte, könnte in der Tat Daten abgreifen, Verbin­dungen "abhören" oder "Störungen" erzeugen.

Bei allen drei Netz­betrei­bern werden nach wie vor hoch­zuver­läs­sige und preis­werte Sende­ein­heiten von Huawei verwendet. 1&1 verwendet im "eigenen" Netz Open-RAN-Sende­technik aus Japan. Roamen die Kunden aber im Netz von aktuell o2 oder später Voda­fone, tele­fonieren sie genauso wie bisher über die hier und da verbaute Sende­technik von Huawei.

Bei diesen aktiven Sende­antennen wird von den poli­tisch moti­vierten Kriti­kern behauptet, dass es hier "unbe­kannte Zugänge" von außen gäbe, was die Netz­betreiber aber vehe­ment abstreiten. Als weiteres Szenario wäre denkbar, das künf­tige Soft­ware-Updates im Falle von poli­tischen Krisen ausbleiben könnten oder mutwillig fehler­hafte Updates die Sende­sta­tionen unbrauchbar machen könnten.

Konkrete Beweise gab es aber bislang nicht, und eigent­lich hätte die es längst geben müssen, wenn es wirk­lich so wäre.

Die Diskus­sion über Huawei und ZTE wurde vor einiger Zeit von den USA losge­treten, denen die preis­werte und zuver­läs­sige Technik aus China ein Dorn im Auge ist, weil sie angeb­lich kaum "abhörbar" sei und eine schmerz­hafte Konkur­renz zu US-Herstel­lern sei.

Eine Einschät­zung (von Henning Gajek)

Der Politik sei ein Schnell­kurs in aktu­eller Mobil­funk­technik drin­gendst ange­raten. Sie können nicht Tag und Nacht einen besseren Netz­ausbau fordern und zugleich die mutwil­lige Zerstö­rung von hervor­ragend funk­tio­nie­renden Netzen verlangen, bloß weil auf einer Baugruppe die Blüte von Huawei oder das Logo von ZTE prangt.

Das hoch­gelobte Netz von Odido (früher T-Mobile.NL) in den Nieder­landen sei holter­dipolter von Huawei auf andere Technik umge­rüstet worden und seitdem funk­tio­niere nichts mehr richtig, ist zu hören. Die ameri­kani­sche AT&T hat den Liefe­ranten Nokia hinaus­geworfen, weil er die gewünschte Open-RAN-Technik nicht liefern konnte. Telekom hatte mit Technik von Ericsson ihre "Freude", beispiels­weise im Fest­netz bei der Umstel­lung auf VoIP und NGN.

Könnten inter­natio­nale Liefe­ranten in Echt­zeit ausrei­chend passende Kompo­nenten liefern, die dann in Echt­zeit ausge­tauscht werden müssten? Das ist tech­nisch gar nicht möglich und der Austausch eines Senders alleine reicht dabei nicht, es müssten ganze Bezirke ("Cluster"), einem Stadt­teil oder Land­kreis vergleichbar, auf einen Schlag ausge­wech­selt werden. Das würde einen kurz­zei­tigen regio­nalen kompletten Netz­aus­fall bedeuten. Ist den Poli­tikern das über­haupt klar?

Es ist richtig und wichtig, alle Kompo­nenten egal, ob sie aus Kali­for­nien, Texas, Schweden, Finn­land, aus Taka-Tuka-Land oder Shenzen kommen, einer stän­digen Sicher­heits­prü­fung zu unter­ziehen. Es ist auch richtig, von jedem Liefe­ranten eine Offen­legung aller tech­nischen Details, der Soft­ware - am besten mit Quell­code - zu verlangen, um selbst die Chance zu haben, prüfen zu können, ob es hier Hinter­türen gibt oder geben könnte.

Und es ist die Aufgabe der Politik, hinzu­bekommen, dass die poli­tische Führung in China versteht, dass es Grenzen gibt, was Taiwan, Hong­kong oder die Uiguren oder die vermu­tete Unter­stüt­zung des völlig über­flüs­sigen Krieges in der Ukraine anbe­trifft.

Und es stände den Poli­tikern gut zu Gesicht, ihre Diskus­sion ruhig und sach­lich hinter verschlos­senen Türen zu führen, sich von Leuten, die sich damit auskennen, beraten zu lassen und danach sinn­volle Ergeb­nisse zu präsen­tieren, die von allen getragen werden. Diese ewige Strei­terei sind die Bürger ziem­lich leid.

Der Ausbau von 5G-Netzen nimmt weiter Fahrt auf.

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