Chip-Netztest: Telekom siegt, o2 wird besser
Das Magazin Chip hat die Netze von Telekom, Vodafone und o2 unter die Lupe genommen.
Foto: Telefónica, Logos: Anbieter, Montage: teltarif.de
Jedes Jahr gibt es mit Spannung erwartete Netztests. Viel Mühe hat sich das Magazin Chip gegeben. Sie waren die ersten, die zu Fuß mit Rucksäcken voller Messtechnik durch Fußgängerzonen liefen oder mit U- und S-Bahnen und in Zügen unterwegs waren, um zu messen. Andere Magazine führten ihre Tests damals nur mit speziellen Testautos durch, deren Routen vorher bekannt gegeben wurden.
Chip führte neue Testkriterien ein
Das Magazin Chip hat die Netze von Telekom, Vodafone und o2 unter die Lupe genommen.
Foto: Telefónica, Logos: Anbieter, Montage: teltarif.de
Chip hat damals als einer der ersten Testmagazine sogenannte Crowd-Tests eingeführt. Dazu installieren interessierte Nutzer mehr oder weniger bewusst eine App, die permanent im Hintergrund Messwerte des Netzes erhebt und an einen Server weiterleitet. Es gibt auch Apps, die eine solche Funktion eingebaut haben, was im "Kleingedruckten" erwähnt wird.
Crowdsourcing hat den Reiz, dass viele Nutzer an Ecken unterwegs sind, wo die Tester normalerweise nie hinkämen. Messwerte gibts natürlich nur, wenn dort das Netz der Testperson funktioniert. Aus Datenschutzgründen wird die komplette Tour des Kunden (die durch ein Funkloch führt) vielleicht gar nicht aufgezeichnet.
Gefühlte Ergebnisse vs. Messergebnisse
Schaut man nur auf das Gesamtergebnis, werden manche Leser vielleicht "enttäuscht" sein. Gerade o2-Fans hoffen seit einiger Zeit, dass "ihr" Netz bei einem dieser Tests endlich auf einem eindeutigen "Platz 2" landen sollte. Nach ihrem Empfinden biete o2 "am meisten fürs Geld" und hat unbestritten in der letzten Zeit einiges ausgebaut.
Profi-Netztester plus Crowdsourcing
Der Testwagen der Firma Netcheck. In der Dachbox sind die Samsung-Testhandys eingebaut.
Foto: chip.de
Chip hat wieder ein Testteam des Unternehmens Netcheck auf die Reise geschickt und parallel dazu die Ergebnisse der Crowdsourcing App ausgewertet, die von 2,35 Millionen Smartphones etwa 3 Milliarden Datensätze ("Samples") von 295.000 Quadratkilometern eingefangen haben.
Im Messfahrzeug waren Smartphones vom Typ Samsung Galaxy S10 und ein Galaxy S21 5G installiert, die permanente Testverbindungen auf- und abbauten. In den Rucksäcken zeichneten Messsysteme "Freerider III" von Rohde & Schwarz MNT die Signale auf.
Die Teststrecke über Autobahnen und Landstraßen, kreuz und quer durch Deutschland.
Grafik: Chip.de
Gesamtergebnis: Wie erwartet
Das Gesamtergebnis überrascht nicht, am Testergebnis hat sich im Vergleich zum Vorjahr nicht viel geändert:
Die Telekom gewinnt insgesamt vor Vodafone, aber beide Netze, so die Chip-Tester "erhalten sehr gute Noten". o2 komme zwar "nur auf eine gute Bewertung", aber die Telefónica-Tochter mache weiter Fortschritte und könne in vielen Szenarien zu den Konkurrenten aufschließen.
"Die Telekom hat aktuelle das beste 5G-Netz" und lag in den Fernzügen vorne. Sie habe das beste Netz zum Telefonieren und Surfen und biete den Kunden die beste Verfügbarkeit.
Beim Download-Tempo sind die Abstände zwischen Telekom und Vodafone nicht mehr so dramatisch, beim Download schaffte die Telekom im Schnitt 113,69 MBit/s. Vodafone lag mit 108,59 MBit/s knapp darunter, der Abstand zu o2 (65,34 MBit/s) fällt deutlicher aus.
Unverändert Frust im Zug
Als erstes Technikmagazin ging chip.de mit Rucksäcken auf Tour.
Bild: chip.de
In den Fernzügen zu telefonieren, ist für Chip weiterhin "frustrierend", immerhin brachen nur 2,5 Prozent der Telekom-Verbindungen, aber 4,52 Prozent der o2-Verbindungen ab, Vodafone liegt mit 3,06 Prozent dazwischen. "Robuste Funknetze" gebe es selbst in ländlichen Regionen. Während die Telekom in 90 Prozent der Fälle schneller als 14,41 MBit/s und Vodafone schneller als 13,49 MBit/s war, schaffte o2 nur 6,77 MBit/s. Wenn ein Download richtig flutschte, waren das bei Telekom im Mittel 99,74 MBit/s, bei Vodafone 83,51 MBit/s und bei o2 50,37 MBit/s.
Schaut man sich den Test mal genauer an, so zeigt eine Detail-Karte der LTE-Versorgung des Bundeslandes Hessen ein frustrierend realistisches Bild. Es gibt weiterhin riesige Gebiete, wo es gar keine oder nur eine lückenhafte LTE-Versorgung gibt. Klar, Hessen hat große ländliche Gebiete, wo wenige Leute hinkommen, aber die Vorgaben der Bundesnetzagentur und die Erwartungen der Kunden sind glasklar: Es braucht überall Netz, nicht nur in bestens versorgten Großstadtlagen.
Stadt-Land-Gefälle
Karte der LTE-Nichtabdeckung am Beispiel in Hessen. Man beachte die roten Flecken.
Grafik: Opensignal
Und Chip hat in einer Tabelle ein Bild gezeichnet, das dem subjektiven Empfinden vieler Kunden nahekommt: Es wurde untersucht, welche Netze auf dem Land und in der Stadt (nicht) verfügbar sind.
Bei der Telekom war das in der Stadt 0,15 Prozent, auf dem Land 0,89 Prozent. Bei Vodafone in der Stadt 0,31 Prozent und auf dem Land 1,53 Prozent. Hingegen ist o2 in der Stadt nur in 0,11 Prozent der Fälle nicht greifbar, auf dem Land sind es 0,83 Prozent und damit ist o2 deutlich besser als Vodafone. Diesen Eindruck, kann man auch regelmäßig in einschlägigen Foren lesen. Die Prozentwerte mögen klein sein, aber wer auf dem Land unterwegs ist und Hilfe braucht, erwartet Netz, auch wenn das den Kostenrechnern graue Haare bereitet, wie sie diesen erwarteten Netzausbau bezahlen sollen.
Bei der LTE-Verfügbarkeit ist die Telekom mit 99,23 Prozent in der Stadt verfügbar, gefolgt von 98,8 Prozent (Vodafone) und 98,37 Prozent (o2). Auf dem Land bleibt die Reihenfolge gewahrt: Telekom 97,18 Prozent, Vodafone 95,56 und o2 93,71 Prozent.
Wer mit dem Zug unterwegs ist, kann sich auf Telekom (Note 2,3) oft verlassen, mit Vodafone ist es schlechter (Note 2,8) und o2 landet auf Note 3,4. Hat der Zug auch eine WLAN-Versorgung, kann eine Kombination aus verschiedenen Netzen die Situation etwas lindern.
Chip hat sich 5G angesehen
Hinsichtlich der Verfügbarkeit von 5G ist die Reihenfolge dramatisch deutlich: In Städten führt die Telekom mit 95,34 Prozent, während Vodafone nur 85,21 Prozent und die relativ spät gestartete Telefónica mit 43,76 Prozent abschneidet.
Nimmt man die Crowdsourcing-Daten auf dem Land, ist das Ergebnis noch drastischer: Telekom fast 52 Prozent, Vodafone 40 Prozent und o2 unter 2 (zwei) Prozent. Wenn 5G da ist, klappen die Downloads zu 99,86 bzw. 99,64 Prozent (Telekom/Vodafone) oder zu 98,15 Prozent bei o2. Bei den Uploads sieht es ähnlich aus.
Die mittlere 5G-Datenrate auf 3,6 GHz beträgt 499,61 MBit/s bei der Telekom und 222,11 MBit/s bei o2, Vodafone liegt mit 394 MBit/s dazwischen.
5G am schönsten mit 3,6 GHz
5G ist auf 3,6 GHz am schönsten, aber die Verfügbarkeit in deutschen Städten bleibt durchwachsen. In München führt o2 mit 91 Prozent, Telekom erreicht immerhin 71 Prozent und Vodafone verbleibt bei 20 Prozent. Dafür ist Vodafone in Leipzig führend, mit 77 Prozent. Telekom schafft dort nur 36 Prozent und o2 bildet mit 30 Prozent dort das Schlusslicht. In Hamburg können sich o2 Kunden ebenfalls freuen: Sie können zu 61 Prozent auf dem 5G-Band n78 (= 3,6 GHz) surfen, während die Chance, schnelles Vodafone-Netz zu erwischen, bei nur 14 Prozent liegt, die Telekom schafft wenigstens 58 Prozent.
Die Gesamtwertung: Telekom, Vodafone, o2
Unterm Strich vergab die Chip an o2 eine Gesamtwertung von 1,8. Vodafone erhielt eine Note 1,4 und die Telekom liegt mit 1,3 leicht darüber. Nimmt man die Verfügbarkeit als Referenz (wurde zu 20 Prozent in die Endnote hineingenommen) schafft Vodafone nur 1,7 und o2 bleibt bei 1,8. Nimmt man 5G als Bezugspunkt (10 Prozent) liegt die Telekom mit 1,2 deutlich vorne, Vodafone schafft 1,5 und o2 ist mit 2,6 etwas abgeschlagen.
Eine Einschätzung (von Henning Gajek)
Die in Nutzerforen oft zu lesende Ansicht, dass o2 inzwischen in Sachen Netzabdeckung und Netzqualität deutlich vor Vodafone liegen müsste, spiegelt dieser Test nur bedingt wider. Nun sind die Testfahrzeuge kreuz und quer durch die Republik gefahren. In Brandenburg oder Mecklenburg-Vorpommern oder in Sachsen-Anhalt beispielsweise soll es Regionen geben, wo Vodafone deutlich besser versorgt als die Telekom. Testautos fahren natürlich nur bedingt durch dünn besiedelte oder entlegene Regionen. Wer in einer Großstadt wohnt, klagt höchstens, wenn es in seiner Tiefgarage nicht geht. Wer auf dem Land wohnt, muss im Ort auf einen Berg oder noch weiter reisen, um überhaupt Netz zu haben.
Was lernen wir also: Alle drei Netzbetreiber sind sich bewusst, dass weiter ausgebaut werden muss. Wer sich bei der Netzwahl für die Telekom entscheidet, hat gute Chancen, auch in entlegenen Regionen ein Netz zu finden, eine Garantie gibt es aber auch dort nicht.
Wer beispielsweise aus Kostengründen auf einen Anbieter im Netz von o2 setzt, kann damit gut fahren, kann aber auch immer wieder ins Funkloch stolpern.
Wer sich für Vodafone entscheidet, wird auf dem Land manches Funkloch finden oder nur mit 2G versorgt sein. Sobald er in belebtere Regionen kommt, sollte hoffentlich wieder alles gut sein.
Der Kenner wählt ein Dual-SIM-Handy und kombiniert damit wenigstens zwei Netze. Auch dann gibt es noch Funklöcher, wenn auch deutlich weniger.
Die Bundesnetzagentur hat nachgemessen: Die Auflagen von 2015 wurden erfüllt.