Kanzlerinnenhandy

NSA-Abhöraffäre: Alle Fraktionen begrüßen Er­mittlungs­ver­fahren

Agenten­tätigkeit fremder Nachrichten­dienste ist strafbar - daran lässt der General­bundes­anwalt keinen Zweifel. Nun ermittelt er in der NSA-Späh­affäre wegen des abgehörten Telefons der Kanzlerin. Auch eine Vernehmung Snowdens kommt für ihn in Betracht.
Von Jennifer Buchholz mit Material von dpa

Nach monatelangen Prüfungen hat General­bundes­anwalt Harald Range den US-Geheim­dienst NSA offiziell ins Visier genommen. "Es besteht der Verdacht, dass unbekannte Mitarbeiter US-amerikanischer Nachrichten­dienste ein Mobil­telefon der Bundeskanzlerin ausgespäht haben", sagte Range in Karlsruhe. Deshalb habe er Ermittlungen im Fall des abgehörten Handys von Angela Merkel eingeleitet - bisher aber nicht wegen der möglichen massen­haften Aus­spähung der Kommunikations­daten von Bürgern aus Deutschland durch britische und US-Dienste.

Snowden soll vernommen werden

Bundesanwalt Range leitet ein Ermittlungsverfahren gegen die NSA ein Generalbundesanwalt Harald Range leitet ein
Ermittlungsverfahren gegen die Mitarbeiter der NSA ein
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"Es mangelt am Anfangs­verdacht für eine konkret verfolgbare Straftat", sagte Range. 2 000 Straf­anzeigen sind laut seiner Behörde dazu eingegangen. Ob es zu weiteren Er­mittlungen kommt, hängt laut Range nun davon ab, ob das Verfahren wegen Merkels Handy neue Erkenntnisse bringt.

Seine bisherigen Prüfungen hätten alle zugänglichen Quellen umfasst. Zudem habe er die Bundes­regierung um die Übermittlung ihrer Erkenntnisse gebeten - und bei Ex-NSA-Mitarbeiter Edward Snowden, der sich derzeit in Russland in Asyl befindet, über dessen deutschen Anwalt angefragt. Snowden habe sich aber ihm gegenüber bisher nicht geäußert.

"Jetzt kommt es darauf an, mit den Mitteln der Straf­prozess­ordnung vorzugehen", kündigte Range an. Eine Vernehmung Snowdens erwägt der General­bundes­anwalt weiter. Seine Behörde versuche zudem, an Dokumente zu kommen, die laut Snowden bei ver­schiedenen Medien liegen sollen. "Einen Versuch ist es allemal wert, an die Medien heran­zu­treten, die behaupten, Unter­lagen zu haben", sagte Range. Als Konsequenz aus der NSA-Affäre hat die Karlsruher Behörde zudem das neue Ermittlungs­referat Cyber-Spionage geschaffen.

Vertreter aller Fraktionen begrüßten die Er­mittlungen

Gegen die NSA soll ein Ermittlungsverfahren eingeleitet werden Gegen die NSA soll ein Ermittlungsverfahren eingeleitet werden
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Zuvor hatte Range die Schritte im Rechts­aus­schuss des Bundes­tags angekündigt. Vertreter aller Fraktionen begrüßten die Er­mittlungen. Die Aus­schuss­vorsitzende Renate Künast (Grüne) sagte: "Ich glaube, dass es für einen Rechts­staat wie Deutschland wichtig ist, dass die Öffentlich­keit sieht, dass wir nicht wehrlos sind."

Vor einer Woche hatten Süddeutsche Zeitung, WDR und NDR berichtet, Range wolle auf ein Ermittlungs­verfahren verzichten - aus Mangel an belastbarem Material. Range habe sich dann gegen erhebliche Bedenken in seinem Haus durchgesetzt, auch wegen öffentlichen Drucks.

Der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele meinte, Range habe sich wohl als eine Art Teil der Bundes­regierung gefühlt, die die NSA-Affäre wegwischen wolle. Die Union erhob schwere Vorwürfe gegen Vertreter der Grünen. Diese hätten versucht, Druck auf Range auszuüben - auch mit der Einladung in den Rechts­ausschuss. "Wir haben heute einen Skandal des Rechts­staats erlebt", sagte der CDU-Abgeordnete Patrick Sensburg.

Union und SPD wollen Snowden in Moskau treffen

Range versicherte, unabhängig entschieden zu haben. Regierungs­sprecher Steffen Seibert sagte: "Die Bundesregierung hatte darauf nicht einzuwirken und hat darauf auch nicht eingewirkt."

Ströbele kritisierte, dass Range das Ausspähen der Kommunikations­daten von Millionen Bundes­bürgern vorerst weiter nur beobachte. "Das kann ich nicht verstehen." Auch der SPD-Abgeordnete Christian Flisek sagte: "Ich bin ein wenig irritiert, warum sich das aus­schließlich auf das Kanzlerinnen­handy beschränkt." Er gehe aber insgesamt von intensiven Ermittlungen des General­bundesanwalts aus. Ströbele zeigte sich zuversichtlich, dass Ranges Behörde und der NSA-Unter­suchungs­ausschuss des Bundestags nun gemeinsam mehr Licht in den Ausspähskandal bringen.

Union und SPD im NSA-Ausschuss wollen Snowden bald zu einem "informellen Gespräch" in Moskau treffen. Dabei sollen Möglichkeiten einer Zeugenaussage Snowdens vor dem Ausschuss sondiert werden, sagte Flisek. Grüne und Linke lehnen das Vorgespräch ab. Sie fordern von der Regierung, eine Vernehmung in Deutschland zu ermöglichen.

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