Geschwärzt

Editorial: Die Mobilfunknetze wegspachteln

Eine erst für einen ganz anderen Zweck entwickelte Wärmeleitspachtel hilft auch gegen Mobilfunkstrahlen. Hilft diese künftig im Strafvollzug?
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Bild: dpa
Spachtelmasse dient normalerweise dazu, Löcher und Risse in Mauern zu füllen. Doch die neuartige Graphit-Spachtel der Sigro Korrosions- und Bautenschutz GmbH aus Parchim kann noch mehr, insbesondere Mobilfunk-Signale stark dämpfen oder gar ganz blockieren. Dabei wurde das Material zunächst zu ganz anderen Zwecken entwickelt: Graphit leitet nämlich nicht nur Strom gut (und vernichtet so Mobilfunk-Signale), sondern auch Wärme. Die Wärmeleitfähigkeit ist über hundertfach höher als die von Gips oder Ziegelstein, und selbst Beton wird fünfzigfach übertroffen.

Nun ist es bei Außenwänden in der Regel von Vorteil, wenn diese die Wärme gut isolieren und im Winter die Wärme drinnen und im Sommer draußen halten. Ist eine Wand aber schlecht gebaut, und hat sich - zum Beispiel durch eindringendes Wasser - erstmal eine Kältebrücke gebildet, kommt es ganz schnell zum Teufelskreis: Dort, wo die Wand feucht ist, ist sie im Winter innen am kältesten. Ist es dann innen noch feucht (Bad, Küche, selten gelüftete Schlafzimmer etc.), schlägt sich genau an den kalten Stellen Kondenswasser nieder, und die Wand wird immer feuchter. Schimmel und hohe Heizkosten sind die Folgen.

Im besten Fall wird eine solche feuchte Wand von außen saniert, indem nachträglich eine Dämmung aufgebracht wird. Dieses hält künftig Feuchtigkeit und Kälte draußen. Zugleich muss die Wand von innen getrocknet werden, indem die Bewohner zu ausreichendem Heizen und Lüften angehalten werden. Die nachträgliche Dämmung ist jedoch fast immer aufwändig und teuer, vielerorts ist sie gar nicht möglich, insbesondere aus Gründen des Denkmalschutzes bei historischen Fassaden. Bei kleinen, punktuellen Wärmebrücken ist daher die Sanierung mit Wärmeleitspachtel auf der Innenseite eine interessante Alternative: Man verhindert so zwar nicht, dass eine gewisse Menge an Kälte von außen über die Kältebrücke nach innen läuft. Innen verteilt sich die Kälte durch die Spachtel dann aber großflächig. Die kälteste Stelle der Wand wird dadurch wärmer, der Teufelskreis aus Kältebrücke und Kondensation kann unterbrochen werden.

Funkloch zum Selberverputzen

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Bild: dpa
In den letzten Monaten waren wir bereits überrascht, welch starke Abschirmwirkung auf Handysignale ein dünnes Metallvlies hat. Da auch Graphit ein guter Leiter ist, hat die Graphit-Spachtel zwangsläufig eine ähnliche Wirkung. Und in der Tat soll eine drei Millimeter dicke Schicht bereits für ein künstliches Funkloch reichen. Gegenüber den vielerorts zur Unterbindung unerwünschten Funkverkehrs verwendeten aktiven Systemen wie IMSI-Catchern und Mobilfunk-Jammern hat die Spachtel zudem den Vorteil, breitbandig alle Kommunikation zu blocken. Aktive Systeme müssen hingegen mit jedem neuen Netzstandard und Frequenzbereich, der zur Mobilfunknutzung freigegeben wird, nachgerüstet werden.

Menschen, die jegliches Funksignal aus ihrer Nähe verbannen wollen, weil sie sich elektrosensibel fühlen, setzen zudem zwangsläufig auf passive Systeme. Hier bietet die Graphit-Spachtel künftig mehr Auswahl an Baumaterialien. Bereits verfügbar sind ja bereits Metall-Tapeten. Ein Nachteil der Graphit-Spachtel dürfte aber sein, dass sie sich nur recht schwer wieder entfernen lassen dürfte, wenn sie erstmal großflächig zur Abschirmung appliziert wurde, man aber später die Handystrahlen doch wieder ins Haus lassen will.

Dort, wo besonders hohe Sicherheitsanforderungen gelten, insbesondere in Untersuchungsgefängnissen, kombiniert man am besten aktive und passive Methoden: Passive Absorber in den Wänden erhöhen zum einen die Effektivität der Störsender, da das zu störende Signal abgeschwächt wird. Zum anderen lassen sie weniger des Störsignals nach draußen dringen, und vermeiden so unerwünschte Störungen außerhalb der Anlage. In Summe machen beide Maßnahmen das Funkloch dann perfekt.

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