Lösung

Handyverbot für Häftlinge: Neuer Abschirm-Spachtel soll helfen

Trotz Verbots nutzen immer mehr Häftlinge im Knast Handys für heimliche Kontakte nach "draußen". Das Land will dies nun mit teuren Störsendern unterbinden. Ein Parchimer Maurermeister hätte dafür eine ganz andere Lösung parat.
Von dpa / Paulina Heinze

Gefängnis Kein Anschluss hinter diesen Mauern - Superspachtel blockt Handynetz
Bild: dpa
Es sieht aus wie ein feinkrümeliger Minen-Rest in einem Bleistift­anspitzer - schwarz und glänzend. Das patentierte Pulver auf Kohlenstoff­basis lässt sich mit Wasser zu einer ganz neuartigen Spachtel­masse anrühren, wie Erfinder Reinhard Mohn erklärt. Der Ende 2014 zum deutschen Patent angemeldete Spachtel blockt nicht nur Strahlungen von Sendemasten, Hochspannungs­leitungen und elektrischen Geräten ab, sondern auch Handy- und WLAN-Netze sowie Funk- und Radarwellen, wie Mohn sagt. Er ist Geschäftsführer der Sigro Korrosions- und Bautenschutz GmbH Parchim.

Die Strahlenschutz­funktion des neuen Baustoffes ließen sich die Parchimer Handwerker von Wissenschaftlern nachweisen. Ein Gutachten der Bundeswehr-Universität München vom August 2014 belegt das Abblocken von diversen Mobilfunk­netzen, Radar und Behördenfunk. Voraussetzung sei eine mindestens drei Millimeter starke Material­schicht aus Grafit­spachtel, erklärt der Ludwigsluster Elektro­techniker und Miterfinder Jens Düwel. Eine Anwendung sehe er in Wohnhäusern, vor allem Schlaf- und Kinderzimmern, sagt er. Denn Elektrosmog könne sich störend auf die Lebens­qualität und sogar auf die Gesundheit auswirken.

Bedarf für den Strahlen­schutz-Spachtel könnte es möglicherweise aber auch in Gefängnissen geben, meinen die Erfinder. Tatsächlich sucht das Justiz­ministerium Mecklenburg-Vorpommerns derzeit nach Möglichkeiten, das Handyverbot für Häftlinge durchzusetzen, wie ein Sprecher bestätigt.

Kontakte über Mobiltelefone könnten nicht ausreichend kontrolliert werden, die Sicherheit in Justizvollzugs­anstalten sei dadurch in Gefahr, meint der Sprecher. Beispielsweise könnten Zeugen zu Gerichtsprozessen aus der Untersuchungshaft heraus per Handy beeinflusst werden. Auch sei es möglich, Ausbrüche zu planen oder illegale Drogen­geschäfte abzuwickeln.

Offenbar knüpfen Gefangene immer öfter den illegalen Draht zu Gesprächs­partnern jenseits der Knastmauern. 2014 wurden laut Ministerium in den landesweit fünf Vollzugs­anstalten 408 Mobil­telefone sichergestellt und im Jahr davor 318 eingeschleuste Geräte konfisziert. Das Land investiere daher dieses Jahr noch in Mobilfunk­blocker eine halbe Million Euro, erklärt der Sprecher. Von dem Geld solle ein Störsender zunächst in der Justiz­vollzugs­anstalt Waldeck bei Rostock installiert werden, um heimliche Handy­gespräche nach draußen zu unterbinden.

Noch keine Anfragen von Justizbehörden nach Abschirm-Spachtel

Gefängnis Kein Anschluss hinter diesen Mauern - Superspachtel blockt Handynetz
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Bislang allerdings gebe es noch keine Anfragen von Justiz­behörden nach dem Abschirm-Spachtel, räumt Reinhard Mohn ein. Die Idee gehe ursprünglich auch auf eher alltägliche Bauprobleme zurück - Kältebrücken im Mauerwerk. Zwei Jahre lang experimentierten die Parchimer Fachleute mit Grafit-Gemischen, um eine wärmeleitende Wandverkleidung zu entwickeln. Durch den Ausgleich größerer Temperatur­unterschiede könnten mit dem thermo­leitenden Material Nässe und Schimmel in Wohnungen vermieden werden. Schließlich stießen die Erfinder auf eine weitere Eigenschaft ihrer schwarz-grauen Spachtelmasse - die Block­wirkung gegen elektro­magnetische Wellen.

Die eigentliche Innovation bestand darin, das spröde Grafit in eine streich- und spritzfähige Spachtelmasse zu verwandeln. Immer wieder vermischten die Parchimer in ihrer "Hexenküche" genannten Versuchskammer schwarzes Grafitpuder mit Zusatzstoffen.

"Denkbar sind enorm viele Anwendungs­bereiche", sagt Geschäftsführer Mohn. Denn der Handyblocker-Spachtel mache Räume zugleich auch abhörsicher und schütze gegen Spionage oder funkgesteuerte Hackerangriffe, verspricht er. Neben Technologie­unternehmen und Gefängnissen könnten sich auch Banken und Behörden, Kliniken, Schulen und Kindertages­stätten baulich besser absichern.

Inzwischen wurde die Baustoff-Innovation mit mehreren Preisen bedacht. Mitte März erhielten die Mecklenburger Tüftler auf der Internationalen Handwerksmesse München den Bayerischen Staatspreis, der für technische Spitzenleistungen vergeben wird. 2014 ging ein Innovationspreis der Volks- und Raiffeisenbank Schwerin an die findigen Maurermeister aus Parchim. Diese wollen ihren Grafit-Spachtel nun ab Sommer in einem eigenen Mischwerk tonnenweise herstellen.

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