Funkwellen mit Drehimpuls: Frequenzknappheit zu Ende?
In den letzten Wochen macht ein bahnbrechendes Forschungsergebnis die Runde: Gedrehte Wellen sollen es ermöglichen, auf einer Frequenz mehrere Signale gleichzeitig zu übertragen. Theoretisch können es sogar beliebig viele sein. Gehört die Frequenzknappheit, die die Mobilfunk-Anbieter bisher zu milliardenschweren Lizenzkäufen veranlasste, bald der Vergangenheit an?
Bestandsaufnahme: Was heute schon auf einer Frequenz geht
Polarisation im 45-Grad-Winkel
Grafik: teltarif.de
Um dem Versuch der Forscher um Fabrizio Tamburini das mystische
zu nehmen, sei kurz vorgestellt, was heute schon möglich ist, um
auf einer Frequenz mehrere Signale zu übertragen. Im wesentlichen
sind das Polarisation und
MIMO ("multiple input, multiple output").
Die Polarisation gibt an, in welcher Richtung die elektrischen Wellen einer Rundfunk- oder Mobilfunkwelle schwingen. Das kann hoch/runter (vertikal), links-rechts (horizontal) oder auch jeder andere Winkel sein. Sogar zirkulare Polarisation ist möglich, bei der sich die Polarisationsebene mit dem Fortschreiten einer Welle andauernd dreht.
Jedoch haben elektromagnetische Wellen, zu denen übrigens nicht nur Radiowellen, sondern auch das Licht gehören, einige komplexe Eigenschaften. Bezüglich der Polarisation bedeuten diese im wesentlichen: Auch, wenn beliebig viele Polarisationszustände möglich sind - man muss nur den Polarisationswinkel genau genug einstellen - ist es nicht möglich, im Empfänger mehr als zwei Polarisationsarten auseinanderzuhalten. Eine zirkulare Polarisation, oder auch eine Polarisation im 45°-Winkel, kann beispielsweise in "50 Prozent horizontal" und "50 Prozent vertikal" zerlegt werden. Folglich kann man für die Datenübertragung nur ein Paar gegensätzlicher Polarisationen verwenden, etwa "horizontal und vertikal", "+45° und -45°" oder "linksdrehend und rechtsdrehend zirkular".
Auch, wenn die vorstehende Aussage zunächst entmutigt: Die Polarisation ist ein probates Mittel, um die Übertragungskapazität auf einer Frequenz immerhin zu verdoppeln. Bekannteste Anwendung ist wohl das 3D-Kino: In der 3D-Brille sind meist zwei Polarisationsfilter, einer für linksdrehendes Licht, einer für rechtsdrehendes Licht. Auf diese Weise werden zwei unterschiedliche Versionen desselben Films - eine aus der Perspektive des linken Auges, eine aus der des rechten Auges, gleichzeitig vom Projektor über die Leinwand zum Zuschauer übertragen.
Aber auch in der klassischen Rundfunktechnik findet die Polarisation Anwendung, insbesondere beim Satellitenfunk: In den Listen mit der Kanalbelegung steht neben der Frequenz immer auch, ob horizontal und vertikal polarisiert wird. Auch, wenn in der Regel nicht die exakt gleiche Frequenz horizontal und vertikal polarisiert vorkommt: Die einzelnen Bänder sind typischerweise 36 MHz breit, so dass sich beispielsweise 11464 MHz horizontal (Pro Sieben und Sat.1 in HD auf Astra) und 11479 vertikal (einige französische SD-Kanäle auf Astra) überlappen und ohne Polarisation nicht getrennt werden könnten.
Komplexe Rechnerei: MIMO
vertikale Polarisation
Grafik: teltarif.de
Noch mehr Kapazitätssteigerung ist mit der MIMO-Technologie möglich:
Hierbei werden beim Sender wie auch beim Empfänger mehrere Antennen
gleichzeitig und auf derselben Frequenz verwendet. Auch, wenn man
meinen möchte, dass dann beim Empfänger nur noch eine "Kakophonie"
aus miteinander überlagerten Signalen ankommt: Die modernen
Signalverarbeitungschips in Handy und Basisstation können die
mehreren Stimmen wieder voneinander trennen.
horizontal polarisierte Welle
Grafik: teltarif.de
Allerdings gibt es auch hier Probleme: Um die Übertragungskapazität
beispielsweise zu vervierfachen, werden auch viermal mehr Antennen
benötigt. Würde man stattdessen einfach die vierfache Bandbreite
verwenden, würde weiterhin eine Antenne reichen. Zudem sollten die
Antennen möglichst mindestens eine ganze Wellenlänge, auf jeden Fall
aber einen nicht nur unerheblichen Teil davon, voneinander entfernt
sein. Beim Handy, wo ja kleinere Geräte meist beliebter sind als
große Geräte, stößt man hier schnell an Grenzen. Mehrwegeausbreitung,
wenn das Signal an Hauswänden, dem Erdboden oder anderen Flächen
reflektiert wird, kann die Nutzung von MIMO erschweren oder ganz
unmöglich machen.
Auf der folgenden Seite erläutern wir detailliert das neu entwickelte Verfahren und wie man es sich bildlich vorstellen kann.