Connect testet Festnetz: Ein Anbieter droht mit Boykott
Regelmäßig sorgt das Fachmagazin Connect mit seinen Netztests für Spannung in der Branche. Seit 12 Jahren testet Connect das Festnetz, wobei sich das inzwischen gewaltig verändert hat. Die Signale können per klassischem Zweiader-Kupferkabel, TV-Koaxkabel oder modern per Glasfaser bis ins Haus oder die Wohnung kommen.
Festnetz bleibt unverzichtbar
Auch wenn manche Nutzer oft darüber nachdenken auf das Festnetz zu verzichten, im Zeitalter von Homeschooling und Homeoffice sind viele froh, den heimischen Internetanschluss doch nicht gekündigt zu haben. Beim Connect-Test 2021 gab es diesmal einen Ausreißer. Connect gewann den Eindruck, dass ein großer Anbieter so nicht getestet werden wollte. Der habe sogar angedroht, die extra für den Test vom Internetdienstleister Zafaco geschalteten Test-Anschlüsse sonderzukündigen und abzuschalten. Mehr dazu im Verlaufe des Artikels.
Im Test: Regional und überregional
Der Festnetz Test der Connect sorgt für Gesprächsstoff in der Branche.
Grafik: Connect / Weka Publishing
Connect hat bei den Testkandidaten zwischen überregionalen (bundesweit aktiven) und regionalen Anbietern, die nur in bestimmten Bundesländern oder Regionen aktiv sind, unterschieden. Getestet wurden 16 Anschlüsse bei überregionalen Anbietern, vier bei regionalen Anbietern. Bei der Auswahl der Zugangsprodukte pro Anbieter haben Connect und der Dienstleister Zafaco bewusst nicht immer das beste und schnellstmögliche Produkt gebucht, denn nicht jeder Kunde entscheidet sich für das Maximum, sondern achtet auf sein persönlich leistbares Kosten-Nutzenverhältnis.
Bei der Zuordnung von Bandbreitenklassen und für der Bewertung der Messwerte wurde geprüft, welche Leistungen der Anbieter seinen Kunden zusagt und ob das wirklich so vermarktet wurde. Dazu wurden die von der Bundesnetzagentur vorgeschriebenen Produktinformationsblätter herangezogen, sie sind auf den Webseiten des Anbieters zu finden.
Überregionale Anbieter
1&1
Seit einigen Jahren duellieren sich 1&1; und die Telekom um die Spitzenposition. Diesmal ist die Telekom wieder vorne, wenn auch nur knapp, 1&1 landete nur auf Platz 2.
o2/Telefónica
Das o2-Festnetzangebot von Telefónica erreichte "einem sehr guten dritten Platz" verlor aber gegenüber dem Vorjahr einige Punkte. Dazu muss man wissen, dass o2 im Festnetz auf Vorlieferanten angewiesen ist, u.a. die "außer Konkurrenz" teilnehmende Vodafone, die aktuell mit netzinternen Umstellungs-Problemen zu kämpfen hat. o2 kann aber durch eine bessere Internet-Peering-Anbindung punkten.
Telekom
Den zweiten Platz im Jahre 2020 hatte die Telekom intern "gewurmt" und so arbeiteten sie sich nach 2012 bis 2014, 2016 und 2018 auch 2021 wieder nach oben. Connect lobte überragende Leistungen in der Sprach-Disziplin – nur Verbindungen ins eigene All-IP-Netz hatten "etwas längere Aufbauzeiten" benötigt. Die Datentests zum Testserver im eigenen Netz seien "überragendes" gewesen, auch beim Crowdsourcing hatten die Bonner sehr hohe absolut gemessene Datenraten im Download und Upload gezeigt.
Leider hat Connect bei ihrem Test nicht die Peering-Qualität zu kleineren, nicht so gut angebundenen Internetanbietern bewertet, die seit langem von aktiven Internet-Nutzern im Telekom-Netz kritisiert wird. Wer beispielsweise gerne Radio über Streaming-Dienstleister wie radio.co oder streamtheworld oder radiomast.io hören möchte, muss im Netz der Telekom speziell in den Abendstunden mit Rucklern und Aussetzern rechnen, teilweise sogar tagsüber.
Vodafone - außer Konkurrenz
Weil Vodafone vermutlich den direkten Vergleich mit seinen Mitbewerbern vermeiden wollte, so die harsche Feststellung der Connect, wurde für die Bewertung der Düsseldorfer ein vorgezogenen Auswertungszeitraum gewählt. Deshalb trete der Netzbetreiber dieses Jahr "außer Konkurrenz" an.
Schon zu Jahresbeginn hatte Vodafone (mit 10,8 Millionen Breitbandkunden und einem Marktanteil rund 30,3 Prozent) den Test-Dienstleister Zafaco und die connect schriftlich darüber informiert, dass man "bis auf Weiteres" nicht mehr am connect-Breitband- und Festnetztest teilnehmen wolle. Zur Begründung hieß es, dass der Test die Erfolge des Unternehmens beim Gigabit-Ausbau nicht angemessen widerspiegele. Über die wahren Hintergründe wollte Connect nicht öffentlich spekulieren.
Connect findet aber, dass marktrelevante Anbieter nicht einfach entscheiden können, ob sie an solchen Tests teilnehmen wollen oder nicht. Andernfalls würden Kandidaten nur noch antreten, "wenn sie sich gerade überdurchschnittlich leistungsfähig fühlen".
Nicht nur das: Das Unternehmen mit Sitz in Düsseldorf habe "eine Reihe von Schritten, mit der sie unserer Meinung nach ihre Testteilnahme verhindern wollten" unternommen. Insbesondere hätten sie "Sonderkündigungen der für den Festnetztest vorgesehenen Anschlüsse" angedroht. Die Anschlüsse wurden allerdings dann doch nicht abgeklemmt, da Zafaco die Messungen an diesen Anschlüssen aussetzte.
Connect entschied sich, das Vodafone-Netzes auf Basis von Messdaten aller vorgesehenen 16 Test-Anschlüsse durchzuführen – jedoch mit vorgezogenem Auswertungszeitraum.
Vodafone dennoch bewertet
Vodafone wurde deshalb im Zeitraum vom 15. Februar bis zum 14. März 2021 bewertet. Eine hundertprozentige Vergleichbarkeit zu den zwischen dem 17. Mai und dem 13. Juni 2021 erfassten Messwerten der anderen Anbieter war nicht gegeben, Connect nennt die Ergebnisse von Vodafone also "außer Konkurrenz".
Netzprobleme durch laufenden Netzumbau?
Insider vermuten, dass es aufgrund der aktuell laufenden Netzintegration von Unitymedia und Vodafone stellenweise zu einer spürbaren Verschlechterung kam. Connect ermittelte erhöhte Aufbauzeiten bei Sprach-Verbindungen zum und aus dem ehemaligen Unitymedia-Netz und vermutet eine "nicht vollständige Netzintegration". Dazu kamen leichte Überschreitungen der Schwellenwerte für Sprachqualität (MOS), bei Verbindungen im eigenen IP-Netz sowie von und zu anderen IP-Netzen.
Regionale Anbieter
- NetCologne: Schon im Vorjahr hatte sich der Kölner Anbieter Netcologne "klar gesteigert" – diesmal gelangte er an die Spitze der Regionalanbieter.
- M-net: Der Münchener Netzbetreiber M-net, der von 2016 bis 2019 "den Sieg in der Kategorie der regionalen Anbieter abonniert hatte", schafft es wieder bis auf einen Punkt an Netcologne heran.
- EWE: Nachdem sich EWE im Vorjahr Platz Eins erkämpft hatte, fiel das norddeutsche Unternehmen hinter NetCologne und M-net auf Platz 3. Überzeugend waren die kurzen Verbindungsaufbauzeiten.
- Pÿur/Tele Columbus: Seit 2018 ist Pÿur im Testfeld und nimmt am Festnetztest teil – und steigert sich seither von Jahr zu Jahr. Man sei nicht mehr weit von der Note "Sehr gut" entfernt.
Ein paar Worte zur Testmethodik
Connect hat den Anbieter Zafaco gewählt, der für die Bundesnetzagentur die "Breitbandmessung" durchführt und damit über große Erfahrung verfügt. Die Testmethodik ist im Internet [Link entfernt] veröffentlicht.
Eine aktive Teilnahme und somit eine Unterstützung des Tests durch die Anbieter sei nicht erforderlich, stellt Connect fest. Allerdings können Netzbetreiber sowohl im Festnetz als auch im Mobilfunk die Testanschlüsse oder Test-SIM-Karten herausfinden, etwa durch das spezifische Messprofil oder auch schon über die Messziele. Auch bei den Messungen im Crowdsourcing wäre das möglich, da die Mess-Ziele vorher bekannt sind.
Und Connect liefert außerhalb des Zeitraums, in dem der connect Breitband- und Festnetztest durchgeführt wird, den Anbietern die Rohdaten der kontinuierlichen Benchmarks, "damit sie ihre Produkte und Dienstleistungen nachhaltig und langfristig verbessern können."
Der Anbieter Pÿur bietet Gigabit-Kabel-Kunden Rabatte an.