Limitiert

Editorial: Nicht mehr ganz so flach

Kommt es zum Flatrate-Sterben 2.0?
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Kommt es zum Flatrate-Sterben 2.0 Kommt es zum Flatrate-Sterben 2.0?
Bild: Deutsche Telekom
Es ist nur ein Gerücht. Die Antwort im offiziellen Blog, die um Verständnis wirbt, lässt es aber doch recht plausibel erscheinen: Die Deutsche Telekom plant anscheinend eine Drossel für ihre DSL-Tarife einzuführen. Wer mehr als 75 GB (einfacher Call & Surf) bis 200 GB (hochbitratige und entsprechend teurere VDSL-Anschlüsse) verbraucht, wird im Downstream auf 384 kBit/s limitiert.

Vieles spricht dafür, dass es tatsächlich so kommt. Beim mobilen Internet haben sich die User mit den Drosselungen abgefunden, die bei den gängigen Smartphone-Tarifen zudem schon nach N Megabyte, nicht N Gigabyte, zuschlagen, und dann auch noch deutlich härter limitieren, auf 64 kBit/s oder gar noch weniger, und die Kunden entsprechend stark beeinträchtigen. Warum das Erfolgsmodell Drossel nicht vom Mobilfunk zum Festnetz übertragen? Zumal wichtige Konkurrenten der Telekom bereits unterschiedliche Drosseln im Programm haben: 1 & 1 reduziert beim Tarif Surf & Phone Special ab 100 GB im Monat den Downstream auf 1024 kBit/s. Kabel Deutschland wiederum schränkt gängige Filesharing-Ports ein, wenn über diese zu viel Traffic läuft.

Auch bei der Deutschen Telekom selber gibt es bereits eine in den AGB verankerte Drosselung, nämlich bei den VDSL-Tarifen ohne Entertain: Hier wird der Kunde bei Überschreitung von 100 bzw. 200 GB im Monat von den VDSL-Geschwindigkeiten zurück zu "normalen" DSL-Geschwindigkeiten (6 016 kBit/s Downstream und 576 kBit/s Upstream) reduziert.

Entertain tritt auf der Stelle

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Bild: Deutsche Telekom
Laut Geschäftsbericht hat die Deutsche Telekom im letzten Jahr die Zahl der Kunden für ihren Fernsehdienst Entertain zwar um ca. 420 000 steigern können. Ca. 300 000 davon nutzen freilich "Entertain via Sat", so dass nur 120 000 neue, echte IP-TV-Kunden hinzukamen. Der jährliche Traffic-Zuwachs im Internet, der zu einem großen Teil von providerunabhängigen Videoportalen wie Maxdome oder Youtube herrührt, fällt deutlich stärker aus. Doch von den Umsätzen, die die Videoportale mit Werbung und/oder Abogebühren machen, kriegt die Deutsche Telekom (anders als bei Entertain) nichts ab. Die Versuche der Netzbetreiber, nicht nur der Telekom, die Videoportale zu einer Art "Einspeisevergütung" für die von ihnen übermittelten Peta- oder gar Exabytes zu verpflichten, sind bisher aber meist kläglich gescheitert.

In der Folge wird der Nutzer von unabhängigen Videoportalen künftig möglicherweise doppelt zahlen müssen: Einmal für das Videoportal und einmal für den zusätzlichen Traffic beim Provider. 75 GB reicht für täglich ca. zwei Stunden Video in SD-Qualität, oder ein Drittel davon in Full-HD. Aber möglicherweise reicht bereits die Androhung der Provider, dass die Nutzer künftig doppelt zahlen, aus, um doch noch eine Einigung zwischen Netzbetreibern und Videoportalen über eine Kostenbeteiligung zu ermöglichen. Der Traffic solcher Portale, die sich an den Kosten beteiligen, wird dann bei den Kunden nicht mitgezählt.

Nicht gegen die Wand fahren!

Kommt es nicht doch zu einer Last-Minute-Einigung mit Maxdome, Lovefilm und Co., dann sollte die Deutsche Telekom zumindest darauf achten, die Kunden, die wegen umfangreichen Video-Konsums in die Drosselung gelaufen sind, wenigstens beim normalen Websurfen so wenig zu behindern, wie möglich. Beim Abbremsen von 16 MBit/s auf 384 kBit/s vervierzigfachen sich die Ladezeiten! Aus Sekunden, die das Laden einer bilderreichen News-Website vorher dauerte, werden dann Minuten.

Sinnvoll wäre daher beispielsweise, den gedrosselten Nutzern einen 5-Minuten-Puffer zu geben: Wer die letzten 5 Minuten nichts übertragen hat, kann die ungenutzte Datenmenge (384 kBit/s * 300 s = 115 200 kBit = 14,4 MB) ungebremst abrufen. Das reicht, um selbst große, bilderreiche Webseiten aufzurufen. Größere Downloads und Video-Streams werden hingegen entsprechend ausgebremst.

Rechtlich nicht ganz einfach

Grundsätzlich herrscht in Deutschland Vertragsfreiheit, und Tk-Anbieter können mit ihren Kunden entsprechende Surflimits vereinbaren. Doch müssen sie dann aufpassen, wie sie diese bewerben. Heißt es nämlich in den Anzeigen weiterhin "unlimitiert surfen", dann drohen Abmahnungen der Verbraucherzentralen oder der Konkurrenten wegen irreführender Werbung.

Ebenso ist es schwierig, eine Drossel in bestehende Verträge einzuführen, weil sie zumindest für die Nutzer, die an sie stoßen, eine gravierende Änderung der Leistung bedeutet. Diese könnten entsprechend vorzeitig kündigen. Rechtlich sicher ist es natürlich, nur Neukunden zu limitieren, aber das erhöht dann beim Anbieter die Zahl der Parameter im System, die je nach Kunde richtig eingestellt werden müssen. Spätestens bei Vertragsverlängerungen gibt es dann auch Streitpotenzial, wenn der Kunde beispielsweise ausdrücklich zu den "bisherigen Konditionen" verlängern will, der Call-Center-Agent aber dennoch auf die aktuellen Konditionen umstellt.

Fazit

Im Festnetz wird es - anders als im Mobilfunk - mit Sicherheit auch künftig ungedrosselte Breitbandzugänge geben. Aber es kann passieren, dass die Breitbandanbieter für diese künftig einen nicht unerheblichen Aufpreis verlangen. Ob es Telekom & Co. gelingen wird, diese Aufpreise durchzusetzen und dadurch mehr Geld mit DSL-Anschlüssen zu verdienen (oder alternativ weniger Geld für den Netzausbau ausgeben zu müssen), entscheidet sich jedoch nicht am Verhalten der Vielnutzer - diese werden Drosseltarife verständlicherweise meiden - sondern am Verhalten der Wenignutzer: Lassen sich zu viele von ihnen von der Drossel-Klausel abschrecken, dann wird diese ganz schnell wieder abgeschafft.

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