0G als Alternative zu 5G?
Sprechen die Manager über die Zukunft der Mobilfunkbranche, erwarten sie viel vom Internet der Dinge. Zu wissen, wo sich Waren, Geräte, Maschinen, Autos oder vielleicht Menschen befinden, ist ein alter Traum der Branche. Der ist prinzipiell seit dem Start von GSM mit GPRS realisierbar (mit CSD war es etwas umständlich). Inzwischen gibt es mit NB-IoT (Schmalband Internet der Dinge) und LTE-M (für größere Datenmengen) zwei eigene Protokolle für 4G (LTE) und 5G - quasi ein Netz im Netz.
Doch solche Angebote erfordern eine SIM-Karte in jedem Gerät und einen passenden Vertrag nebst Verwaltung dazu. Diese gibt es inzwischen schon recht günstig, nur vielen Anwendern ist das immer noch viel zu teuer und zu aufwendig. Und es braucht mehr Strom.
Die Idee vom "0G-Netz"
Theoretische Abdeckung von Sigfox in Mitteleuropa
Grafik: Sigfox
Der Anbieter Sigfox hatte mit seinem "0G-Netz" die Idee, auf allereinfachste Technik zu setzen und ein (löchriges) Netz von Sendestationen auf lizenzfreien Frequenzen aufzubauen. Die Idee: Wenn ein Sensor "vorbeikommt", meldet er sich kurz an und sagt "Hier bin ich, Nr. 1234568, mir geht es gut" - und diese Info reicht vielleicht oft schon.
Finanz-Investor Cube steigt ein
Jetzt ist der europäische Infrastruktur-Investor Cube Infrastructure Managers II beim Netzbetreiber Sigfox und beim IoT-Dienstleister Heliot eingestiegen. Das Investment von Cube erlaubt dem Schweizer Unternehmen Heliot die Übernahme des "0G-Netzes" von Sigfox in Deutschland. Damit bildet Heliot das größte "Sigfox 0G-Netz" in Europa.
Cube ist europaweit aktiv und verwaltet 2,6 Milliarden Euro von institutionellen Anlegern. Im Rahmen dieser kombinierten Transaktion erwirbt Cube indirekt 86 Prozent der Anteile am 0G-IoT-Netzwerkanbieter. Über die genaue Höhe des Kaufpreises wurde - wie so oft - "Stillschweigen" vereinbart.
Mit dem Geld von Cube kann Heliot das "0G-Netz" von Sigfox in Deutschland übernehmen und die "0G-Netze" der Länder Deutschland, Österreich, Schweiz und Liechtenstein zusammenfassen. Der Investor Cube möchte das Wachstum der IoT-Infrastruktur in der Region beschleunigen und neue Kunden gewinnen.
Wer ist Heliot?
Heliot wurde 2017 gegründet und hat seinen Sitz in Wien (Österreich) und Lausanne (Schweiz). Heliot darf das Sigfox Internet-of-Things (IoT) Low-Power-Wide-Area-Netzwerkes (LPWA) in Österreich, Liechtenstein und der Schweiz betreiben. Heliot sieht sich "mit seiner länderübergreifenden 0G-Technologie" als sinnvolle Ergänzung oder sogar Alternative zu regionalen Mobilfunk- und LoRa-Netzbetreibern dar.
LoRaWAN (Long Range Wide Area Network) ist ein anderer lizenzfreier Standard im IoT Geschäft und verfolgt ein ähnliches, wenn auch aufwendigeres Ziel und erlaubt höhere Signal-Bandbreiten oder Datenmengen. Hier hat sich die Schweizer Swisscom engagiert, weil zu diesem Zeitpunkt die NB-IoT-Technologie noch nicht verfügbar war.
Heliot nimmt in Anspruch mit seinem LPWA-Netzwerk eine schweizweite Abdeckung für IoT-Anwendungen für Branchen wie etwa Logistik, Landwirtschaft, Handel und Industrie zu bieten. In Deutschland bestehe derzeit eine Netzabdeckung zu 88,4 Prozent in der Fläche und 85,9 Prozent in Bezug auf die Bevölkerung (Stand August 2020). Durch Heliot hätten Kunden kostenlosen Zugriff auf das weltweite 0G-IoT-Netzwerk von SigFox sowie ein End-to-End-Ökosystem mit mehr als 750 Sensoren und Analyse-Tools für die kostengünstige Erfassung und Auswertung der Daten.
Bekannte Unternehmen schon dabei?
Klaus Hoffmann, Key Account Sigfox Germany
Foto: Sigfox Germany
Die IoT-fähigen Geräte für Sigfox senden nur 12-Byte große Nachrichten (maximal 140 pro Tag) und übermitteln damit Informationen zum Zustand oder der Position eines Objektes in die Cloud von Sigfox – ganz ohne die Nutzung von "teurem" 3/4/5G-Mobilfunk. Damit könnten Paletten aller Art, Fässer, Rollkäfige, Einkaufswagen, Feuermelder, Wasserzähler, Wetterstationen und sogar Bienenstöcke und Briefkästen über mehrere Jahre hinweg mit einer Batterieladung sparsam und effizient Daten an ihre Nutzer senden, behauptet man bei Heliot/SigFox und erklärt, dass bekannte Unternehmen wie DHL, Airbus und andere, ferner Automobilhersteller und Supermarktketten in Europa auf die 0G-Technologie setzen würden.
Thomas Scheibel, CEO von Heliot
Foto: Heliot
Klaus Hoffmann, von Sigfox Germany freut sich über die Partnerschaft mit Heliot, welche nun ein kombiniertes Sigfox 0G-Netz mit der Schweiz, Österreich, Liechtenstein und auch Deutschland ermöglicht. Heliot/Sigfox nimmt für sich in Anspruch den Kunden "ein globales IoT-Netz" zu bieten, was gleichzeitig Zugriff auf Sigfox-fähige Lösungen für Lieferketten und Logistik, Landwirtschaft oder intelligente Städte oder den Gebäudebau erlaube. Thomas Scheibel, Chef bei Heliot, sieht "ein kombiniertes 0G-Netz von den Alpen bis zur Nordsee“ als Vision.
Ludovic Le Moan, CEO und Mitbegründer von Sigfox
Foto: Sigfox
Henri Piganeau, Managing Partner bei Cube Infrastructure Managers, teilt Heliots Vision der globalen IoT-Vernetzung und will mit dieser Allianz neue Kommunikationsinfrastruktur für unterschiedlichste Branchen und Unternehmen zu konsolidieren. Ludovic Le Moan, CEO und Mitbegründer von Sigfox betont, das weltweit erste Low-Power Netz aufgebaut und "einen realen Wert" geschaffen zu haben.
Eine Alternative zu 5G?
Die globale 0G-Lösung von Sigfox sieht sich als "intelligente Alternative zum energieintensiven 5G-Mobilfunkstandard". Schauen wir näher hin: Die Sigfox-Technologie nutzt "niedrige" allgemein genehmigte (= lizenfreie) Funkfrequenzen bei 868 MHz, die winzig kleine Nachrichten über große Entfernungen transportieren kann. Dabei senden die Sensoren ihre Informationen mit bis zu 140 Nachrichten á 12 Bytes pro Tag an das Sigfox 0G-Netzwerk – was bereits in 72 Ländern und mit rund 21 Millionen Geräte funktionieren soll. Die Sensoren funken nicht permanent, sondern nur bei Bedarf und legen sich dann wieder "schlafen", was viel Energie sparen kann. Die Technologie sei damit nahezu wartungsfrei und für die große Masse der IoT-Anwendungen besser geeignet, behauptet Sigfox.
Eine Einschätzung
Auch wenn Gegenteiliges suggeriert wird: Eine wirkliche flächendeckende "globale" Signalversorgung kann das Sigfox-Konzept schon aus Kostengründen gar nicht bieten. Das Konzept funktioniert mit extrem billigen Endgeräten, die darauf "warten", irgendwann einer Sigfox-Basisstation zu "begegnen", um dann ihre Nachrichten absetzen zu können, die dann in einer Cloud abgelegt werden. Hier beginnt das Geschäftsmodell, für die Nutzung dieser Cloud müssen die Anwender zahlen, ferner brauchen sie eine kostenpflichtige Lizenz, eine Art Eintrittskarte für das Netz. Die verschickten Nachrichten können beim Empfänger ankommen, sie können aber auch verloren gehen. Sollte irgendwann die eine oder andere Nachricht durchkommen, ist das für den Endnutzer das Erfolgserlebnis.
Ein Müllcontainer, der voll ist und auf Leerung wartet, kann vielleicht schon bei 70 Prozent Füllgrad beginnen, Alarm schlagen, nur sollte seine Botschaft rechtzeitig in der Zentrale ankommen, sonst war der Aufwand vergebens.
Auf die Dauer wenig Chancen?
Sobald es auf absolute Zuverlässigkeit oder gar auf Informationen in "Echtzeit" ankommt (z.B. bei Einbruch, Feuer oder anderen Alarmen), hat das 0G-Konzept meiner Ansicht nach keine Chance. Und je weiter die 4G/5G-Netze der großen Netzbetreiber ausgebaut werden, desto flächendeckender werden darüber zuverlässige IoT-Dienste möglich werden. Und damit sinken auch hier die Preise.