(e)SIM

SIM-Karten: Maschinen überholen Menschen

Kein Mobil­telefon funk­tio­niert ohne SIM-Karte - eine Erfin­dung des Münchner Unter­neh­mens Gies­ecke+Devrient. Die am schnellsten wach­sende Kunden­gruppe sind keine Menschen mehr.
Von mit Material von dpa

Kein Mobil­telefon funk­tio­niert ohne SIM-Karte - eine Erfin­dung des Münchner Unter­neh­mens Gies­ecke+Devrient. Doch die am schnellsten wach­sende Kunden­gruppe im Mobil­funk sind nicht mehr Menschen aus Fleisch und Blut.

Ein in Milli­arden­stück­zahlen gefer­tigtes Requisit des Handy-Zeit­alters verschwindet allmäh­lich aus den ersten Mobil­tele­fonen: die SIM-Karte. Im Jahr 1991 vom Münchner Unter­nehmen Gies­ecke+Devrient entwi­ckelt, vertreibt das Unter­nehmen nun auch eine digi­tale Version namens eSIM, die ohne Plas­tik­kärt­chen als Chip fest im Telefon verbaut ist. „Das iPhone 14 hat in den USA bereits keinen Slot für eine SIM-Karte mehr, sondern nur noch eine einge­baute eSIM“, sagt G+D-Vorstands­chef Ralf Winter­gerst.

Welcher Nutzer darf was machen?

Die erste SIM-Karte lieferte das Münchner Unternehmen Giesecke+Devrient an Vodafone. Die erste SIM-Karte lieferte das Münchner Unternehmen Giesecke+Devrient an Vodafone.
Foto: Picture Alliance / dpa
SIM steht für "Subscriber Iden­tity Module". Ursprüng­licher Zweck der Karten war die eindeu­tige Authen­tifi­zie­rung der Nutzer im Mobil­funk­netz, inzwi­schen sind viele Sicher­heits­funk­tionen hinzu­gekommen. Der prak­tische Nutzen der eSIM liegt unter anderem darin, dass keine physi­sche Karte in den Schlitz einge­führt werden muss - je nach Geschick­lich­keit eine mehr oder minder schwie­rige Finger­übung. Urlauber oder auch Geschäfts­rei­sende in Übersee kaufen bislang häufig eine zweite SIM, um einer astro­nomisch hohen Tele­fon­rech­nung vorzu­beugen. Auf einer eSIM können mehrere Verträge gleich­zeitig laufen.

Neue Ziel­gruppe: Maschinen

Doch hat das Unter­nehmen mit der eSIM vor allem eine Ziel­gruppe im Sinn, die weder tele­foniert noch Whatsapp schreibt: Maschinen. „Das eSIM-System ist heute auch beispiels­weise in BMW-Modellen verbaut“, sagt Winter­gerst. „Wir inves­tieren stark in Lösungen für das Internet der Dinge, um die Verbin­dungs­dienst­leis­tungen zwischen den verknüpften devices auszu­bauen.“

Das "Internet of Things", im bran­chen­übli­chen Kurz­sprech "IoT" genannt, ist mitt­ler­weile der eigent­liche Wachs­tums­markt. Das Hamburger Markt­for­schungs- und Bera­tungs­unter­nehmen IoT Analy­tics schätzt, dass es Ende 2022 welt­weit 14,3 Milli­arden vernetzte Geräte gab, davon knapp 2,9 Milli­arden über Mobil­funk, wie ein Spre­cher erläu­tert. Die übrigen Maschinen sind großen­teils über WLAN oder Blue­tooth mit der Außen­welt verbunden.

2027: 27 Milli­arden Maschinen und Geräte

Bis 2027 könnte es laut Prognose von IoT Analy­tics schon 27 Milli­arden vernetzte Maschinen und Geräte geben, davon sechs Milli­arden über Mobil­funk. Und eines nicht allzu fernen Tages wird die Zahl der Maschinen mit Mobil­funk­ver­bin­dung voraus­sicht­lich die Zahl der Menschen auf dem Planeten über­schreiten.

Es gibt viele denk­bare Anwen­dungen - in erster Linie Geräte und Maschinen, die sich bewegen oder fernab eines Servers stehen. Autos sind nur ein Beispiel. „Unsere neu erwor­bene Toch­ter­gesell­schaft Mecomo etwa bietet Track und Trace“ - sinn­gemäß "Suche und Finde" - „und Dienst­leis­tungen für große Logis­tik­unter­nehmen an“, sagt Winter­gerst.

Wo ist die Ware?

„Damit lässt sich fest­stellen, wo sich eine Ware gerade befindet. Ich habe geglaubt, das wäre ein längst gelöstes Problem, ist es aber nicht.“ Selbst an Flug­hafen stünden Gepäck­con­tainer häufig herum - „und das Personal muss eine Vier­tel­stunde suchen, bis sie den rich­tigen gefunden haben. Das kann man relativ einfach lösen“, sagt der Manager.

Digi­tale Land­wirt­schaft

Als weiteres Beispiel nennt der G+D-Vorstands­chef die digi­tale Land­wirt­schaft. „Über Sensoren lässt sich messen, wie es um Bewäs­serung und Pflan­zen­wachstum bestellt ist.“ Da der Sensor die Mess­ergeb­nisse an einen Server über­mit­teln muss, ist eine Verbin­dung notwendig. Auf Acker, Weide und im Obst­garten sind Blue­tooth oder WLAN wegen mangelnder Reich­weite nicht nutzbar, die nahe­lie­gende Lösung ist der Mobil­funk­anschluss.

Wachs­tums­markt für Tele­kom­muni­kati­ons­anbieter

Die maschi­nelle Kund­schaft ist wegen ihres rasanten Wachs­tums natur­gemäß auch für die Tele­fon­anbieter ein begehrter Markt. Laut IoT Analy­tics lag die Deut­sche Telekom 2022 mit einem welt­weiten Markt­anteil von gut fünf Prozent auf Platz fünf. Im Vergleich zu manchen mensch­lichen Kunden sind Maschinen mutmaß­lich ange­nehm im Umgang: Sie beschweren sich nicht wütend über Funk­löcher, sondern über­mit­teln höchs­tens Fehler­mel­dungen.

„Unsere erste SIM-Karte haben wir an Mannes­mann gelie­fert, quasi von Hand ausge­sägt“, sagt Winter­gerst. „Im Laufe der Jahre haben wir unge­fähr neun Milli­arden Stück herge­stellt. Früher war das ein physi­sches Produkt, für das wir pro Stück einen Geld­betrag bekommen haben.“

Der eSIM-Chip wird nach Worten des Mana­gers bei der Herstel­lung des Tele­fons einge­baut - „und wir bekommen von den Kunden in einem komplett digi­talen Geschäfts­modell Gebühren für Akti­vie­rung und Soft­ware­lizenzen.“

Anzahl aller SIM-Karten: unklar

Mitt­ler­weile gibt es neben G+D noch weitere SIM-Karten-Hersteller. Wie viele Karten welt­weit seit Markt­ein­füh­rung der ersten Handys in den 1990er Jahren produ­ziert wurden, lässt sich nicht mehr fest­stellen. Laut Inter­national Tele­com­muni­cations Union (ITU) in Genf gab es Ende 2021 allein in China 1,7 Milli­arden Mobil­funk­ver­träge, in den USA 361 Millionen, und in Deutsch­land 106  Millionen. Auch in vielen anderen Ländern gibt es mehr Mobil­funk­ver­träge als Einwohner.

Handys haben vergleichs­weise kurze Produkt­zyklen, viele Menschen legen sich gern die neuesten Modelle zu. Sichtbar wird dies in den Zahlen des deut­schen Dgital­bran­chen­ver­bands Bitkom: Seit 2006 wurden demnach in der Bundes­repu­blik über 284 Millionen Mobil­tele­fone verkauft.

Da oft bei weiter­lau­fendem Vertrag nur die Tele­fone gewech­selt werden, lässt sich das nicht mit dem SIM-Absatz gleich­setzen. Doch kann kein Zweifel bestehen, dass auch die Zahl der Karten nach wie vor steigt.

Rasantes Wachstum vorbei

Aber die Zeiten rasanten Wachs­tums auf dem mensch­lichen Markt sind vorbei. Rekord­jahr in Deutsch­land war 2015 mit über 26 Millionen verkauften Smart­phones in Deutsch­land. Mitt­ler­weile hat sich der jähr­liche Absatz auf gut 22 Millionen Stück einge­pen­delt. Bitkom erwartet, dass der Smart­phone-Absatz auch in den kommenden Jahren auf sehr hohem Niveau stabil bleibt, wie eine Spre­cherin sagt. „Insbe­son­dere smarte Geräte wie Smart Watches und andere Weara­bles legen weiter zu.“

Wir erklären, wie eine eSIM funk­tio­niert.

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