Künstliche Intelligenz

Next-Level-KI: Wird das Auto zur Plaudertasche?

Alexa, Siri und Co haben den Dialog mit dem Auto verän­dert: Immer mehr Sprach­assis­tenten ziehen in Fahr­zeuge ein. Doch mit KI-Chat­bots geht die große Plap­perei schon in die nächste Runde.
Von dpa /

"Hey, wie wird das Wetter entlang der Route?" Wenn Justin Forsyth in den Proto­typen des neuen Mini Coun­tryman steigt, muss er nicht mehr viele Tasten drücken oder Menü­felder antippen. Denn mit der nächsten Gene­ration des Klein­wagens geht auch ein neuer digi­taler Assis­tent in Serie.

"Mit ganz eigenem Charakter, briti­schem Akzent und engli­schem Humor", sagt Forsyth, der als Program­mierer im Tech-Office des Herstel­lers im Silicon Valley arbeitet - und erzählt, dass er schon als Lang­schläfer gerüf­felt worden sei, als er das Auto einmal zur Mittags­zeit mit "Guten Morgen" begrüßt hatte. Dann fragt er den Reifen­druck ab, sagt wie warm er es gerne im Innen­raum hätte und bittet um seine Lieb­lings­musik.

Der Assis­tent basiere auf Amazons Alexa-Soft­ware, habe aber eben einen Auto-Einschlag und spreche einen eigenen Dialekt, erläu­tert Forsyth. Und markiert damit den Anfang einer neuen Sprach­rege­lung zwischen Mensch und Maschine. Die Auto­her­steller wollen noch weiter gehen.

Die Themen sollen übers Auto hinaus­rei­chen

Sprechende Autos Sprechende Autos
Bild: Image licensed by Ingram Image
Seit KI-Chat­bots wie ChatGPT in aller Munde sind, expe­rimen­tieren sie auch hier im Silicon Valley und in ihren Entwick­lungs­zen­tren welt­weit mit den soge­nannten großen Sprach­modellen. Das Ziel: Dialoge sollen immer natür­licher werden, die Themen auch über das Auto hinaus­rei­chen. Chat­bots sollen im Auto etwa Kinder­mär­chen vorlesen, die Nach­rich­ten­lage zusam­men­fassen oder Reise­tipps geben, die weit über die bloße Nennung von Points of Inte­rest wie Sehens­wür­dig­keiten hinaus­gehen.

"ChatGPT im Auto wird die User Expe­rience holis­tisch auf ein neues Level heben", glaubt Timo Littke vom Stra­tegie­berater Berylls. Das beginne bereits mit der drama­tisch verbes­serten Sprach­erken­nung und mit der Sprach­aus­gabe, die verständ­licher und indi­vidu­eller werde.

Das Spek­trum an Themen und Infor­mationen werde zudem größer, da alle Fahr­zeug­infor­mationen, das Wissen aus dem Internet und die Daten aus verbun­denen Nutzer­konten wie dem eigenen E-Mail-Post­fach oder Kalender verfügbar seien, sagt Littke.

Assis­tenten werden indi­vidu­eller

Indi­vidu­eller würden die Assis­tenten auch, weil Marken über KI-Chat­bots eine eigene Charak­teristik einbringen könnten. Zudem ließe sich beim Dialog der bishe­rige Gesprächs­ver­lauf oft bis weit in die Vergan­gen­heit hinein berück­sich­tigen. Und ganz nebenbei hofft Littke auch noch auf mehr Sicher­heit: "Durch die einfa­chere und intui­tivere Nutzung sinkt die Ablen­kung, und die Fahrer können sich besser auf den Verkehr konzen­trieren."

Dabei machen sich die Auto­her­steller zwar das Know-how der großen Inter­net­kon­zerne zu eigen, wollen es aber so imple­men­tieren, dass Fahre­rinnen und Fahrer sich nicht groß­artig umstellen müssen. Und vor allem legen sie Wert auf die Fest­stel­lung, Grenzen zu ziehen: "Wir behalten die Hoheit über die Daten und über­nehmen die Verant­wor­tung für deren Schutz", sagt etwa BMW-Entwickler Forsyth.

Auch bei der Konkur­renz legt man Wert auf die Fest­stel­lung, mit abge­schirmten Cloud-Umge­bungen zu arbeiten. Waren das bislang vor allem theo­reti­sche Über­legungen oder Tests hinter verschlos­senen Türen, wagen sich die Hersteller jetzt zuse­hends mit KI-Chat­bots auf die Straße. Schon im Sommer hat Mercedes einen Probe­lauf gestartet und ChatGPT in sein Info­tain­ment­system MBUX inte­griert.

Natür­liche Dialoge und Folge­fragen

Das Beta­pro­gramm erwei­tere bestehende Hey-Mercedes-Funk­tionen wie die Navi­gati­ons­ein­gabe oder die Wetter­abfrage um die Fähig­keiten von ChatGPT. Auf diese Weise wollen wir Gespräche mit natür­lichen Dialogen und Folge­fragen möglich machen, erläu­tert Mercedes-Entwick­lungs­chef Markus Schäfer.

Hat sich Mercedes damit noch auf die USA beschränkt, bietet Citroen-Ableger DS ein vergleich­bares System seit dem Herbst nun etwa auch in Deutsch­land an. Zunächst 20.000 Kunden in einem halben Dutzend euro­päi­schen Ländern können sich dafür kostenlos regis­trieren.

Dann soll es unter anderem indi­vidu­elle Gute-Nacht-Geschichten für den Nach­wuchs, die wich­tigsten Verkehrs­regeln für die Länder entlang der Route oder Snack-Ideen fürs die nächste Rast geben. Oder man lässt sich Quiz­fragen stellen oder disku­tiert mit dem Auto über die Chancen der Natio­nal­mann­schaft bei der EM 2024.

KI über­zeugt mit Fähig­keit zur Inter­aktion

Die Fähig­keit zur Inter­aktion sei eine der heraus­ragenden Leis­tungen, mit denen Künst­liche Intel­ligenz in den letzten Jahren über­zeugt habe, heißt es beim DS-Mutter­kon­zern Stellantis. Deshalb lassen die Fran­zosen auch kaum einen Zweifel daran, dass der Probe­lauf bald in den Regel­betrieb über­geht.

Der Faszi­nation von KI-Chat­bots können sich auch andere Hersteller kaum entziehen: Glaubt man den Gerüchten aus der Tech-Szene, steht schon der nächste Markt­ein­tritt unter den Plau­der­taschen bevor. Denn nachdem VW jetzt für seine Sprach­steue­rung die gleiche Soft­ware nutzt wie Mercedes, ist auch die Über­nahme des KI-Chat­bots nur noch eine Frage der Zeit.

Und dabei wird es nicht bleiben, glaubt Berylls-Experte Timo Littke: "Der hohe Nutzer­mehr­wert wird zu einer hohen Nach­frage führen und viele Hersteller antreiben, eigene ChatGPT-Inte­gra­tionen zu entwi­ckeln." Natür­lichere Sprache und bessere Erken­nung, detail­lier­tere Dialoge und ein immer weiteres Themen­spek­trum - natür­lich profi­tieren von den neuen Chat­anwen­dungen zual­ler­erst einmal der Fahrer und seine Passa­giere.

Der Mensch lenkt, die Maschine lernt

Doch wenn solche KI-Sprach­bots als Entwick­lungs­tool einge­setzt werden, funk­tio­niert das auch in der Gegen­rich­tung - zum Beispiel beim briti­schen Start-Up Wayve. Das nutzt die künst­liche Intel­ligenz, damit der Mensch dem Auto erklären kann, was er gerade tut und warum. So wollen die Briten den Auto­piloten trai­nieren und dem auto­nomen Fahren näher kommen. Sie nehmen maschi­nelles Lernen wirk­lich wört­lich: Der Mensch lenkt, die Maschine lernt.

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