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Editorial: Nutzlose Strafandrohung

Auch Online-Durchsuchungen fragwürdig
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Auch die Schweiz reiht sich nun in die Liste der Staaten ein, die das Versenden von unerwünschter Werbe-E-Mail mit empfindlicher Strafe bis hin zum Gefängnis bedrohen. Einzig: Es wird nichts nutzen, unsere E-Mail-Postfächer werden weiterhin mit klassischem Spam-Werbemüll für Viagra und Co., dubiosen Börsentipps, Viren und Trojanern und Phishing-Mails geflutet werden.

Verschont bleibt nur, wessen E-Mail-Adresse nirgendwo im Internet veröffentlicht ist, und wessen E-Mail-Adresse auch durch Permutation üblicher Adressbestandteile (Einzelbuchstaben, Namen, Interpunktszeichen, Domainnamen etc.) nicht so einfach erraten werden kann. Dabei wird die Geheimhaltung immer schwieriger: Die Spammer durchsuchen nicht nur per Roboter alle auffindbaren Websites, sondern per Trojaner auch gezielt die Festplatten von gekaperten Firmen- und Privatrechnern. Alle so gefundenen E-Mail-Adressen werden in die Datenbanken der Spam-Netzwerke eingespeist. Wer einmal private E-Mail an jemanden geschrieben hat, dessen Rechner mit einem Trojaner infiziert war, kriegt somit künftig ebenfalls die Müllflut.

Indem sie ihre Software auf gekaperten Servern und Computern laufen lassen, mit geklauten Kreditkartendaten bezahlen und auch sonst alles tun, um ihre (Daten-)Spuren zu verwischen, ist es schwierig, an die Täter heranzukommen. Wichtiger als Strafandrohungen sind somit effiziente Ermittlungsbemühungen. Und würde das Geld, das die Spammer mit dubioser Aktienwerbung, noch dubioseren Geschäftsangeboten, illegalem Medikamentenhandel, Phishing oder gar Erpressung verdient haben, systematisch eingezogen werden, könnten die Ermittlungen sich sogar selber tragen.

Wie bereits beschrieben, sind Ermittlungen im Internet jedoch schwierig, weil die Täter ihre Spuren verwischen. Das gilt nicht nur für Spammer, sondern auch für diverse andere fragwürdige und potenziell noch gefährlichere Taten wie Drogenschmuggel oder Terrorabsprachen, die über das Internet erfolgen können. Und so fordern die Ermittlungsbehörden und mit ihnen viele Politiker, Onlinedurchsuchungen zuzulassen. Dabei wird absichtlich ein Trojaner auf dem Computer des Tatverdächtigen installiert, um zusätzliche Informationen zu sammeln. Dieser Praxis hat jüngst der Bundesgerichtshof einen Riegel vorgeschoben, und das aus gutem Grund: Zwar ist Strafverfolgung ein hehres Ziel, doch der Zweck heiligt nicht alle Mittel.

Wenn der Staat gezielt Trojaner vorbreitet, um Computer auszuspionieren, dann stellt er sich auf eine Stufe mit Spammern und anderen Online-Gaunern. Zu Recht weisen etwa auch Antiviren-Hersteller darauf hin, dass sie dann nicht mehr zwischen Freund und Feind unterscheiden können, zwischen den angeblich "korrekten" Trojanern diverser nationaler Ermittlungsbehörden, und den weiterhin "illegalen" Trojanern der anderen. Wollen wir solche Grenzüberschreitung wirklich? Die Politiker sollten gut aufpassen, bevor sie das Grundgesetz ändern, um die Ermittlungsarbeit zu erleichtern. Ein allgemeiner Glaubwürdigkeitsverlust könnte der viel schwerer wiegende Kollateralschaden sein!

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