Dauerbrenner

Neuer Höchststand: Beschwerden über nervige Spam-Anrufe

Haben Sie Lust auf ein Gewinn­spiel? Oder: Sind Sie nicht unter­ver­sichert? Und ist Ihr jetziger Strom­ver­trag nicht viel zu teuer? Solche Werbe­anrufe nerven häufig - und können eine Ordnungs­wid­rig­keit sein.
Von mit Material von dpa

Spam-Anrufe haben in Deutsch­land einer Statistik zufolge noch nie so viel Ärger verur­sacht wie im vergan­genen Jahr. Wegen uner­laubter Tele­fon­wer­bung gingen bei der Bundes­netz­agentur 79.702 Beschwerden ein und damit ein Viertel (26 Prozent) mehr als im Vorjahr, wie die Behörde heute mitteilte. Der bishe­rige Höchst­wert von 63.273 Beschwerden war im Jahr 2020 verzeichnet worden. Bei den uner­wünschten Anrufen ging es um Versi­che­rungen, Finanz­pro­dukte und Ener­gie­ver­träge. Auch Werbung für Gewinn­spiele und Zeit­schrif­ten­abos nervte die Verbrau­cher.

Kunde müsst einge­wil­ligt haben

Spamanrufe wie der gefälschte "Microsoft-Support" oder Gewinnspiele, Telefonverkauf etc. am Telefon nehmen wieder zu Spamanrufe wie der gefälschte "Microsoft-Support" oder Gewinnspiele, Telefonverkauf etc. am Telefon nehmen wieder zu
Bild: Picture Alliance/Uli Deck/dpa
Tele­fon­wer­bung ist nur erlaubt, wenn die Verbrau­cher vorher einge­wil­ligt haben. Die korrekte Nummer des Anru­fers muss dabei über­mit­telt werden. Die Bundes­netz­agentur geht den Beschwerden nach und verhängt gege­benen­falls Bußgelder. Im vergan­genen Jahr wurden Firmen zu insge­samt 1,435 Millionen Euro verdon­nert, das waren 84.000 Euro mehr als 2020.

Künftig können die Werbe­firmen noch stärker als bisher zur Kasse gebeten werden, da sich der Bußgeld­rahmen im Dezember 2021 im Falle unter­drückter Rufnum­mern von zuvor maximal 10.000 Euro auf nun 300.000 Euro erhöht hat.

Anrufe ohne oder mit falscher Rufnummer

Anrufe ohne Nummer im Display kamen im vergan­genen Jahr beson­ders häufig vor, sagt die Netz­agentur - hierbei werde nun mit den drohenden Geld­bußen stärker gegen­gesteuert. Auffällig war zudem, dass manche Werbe­trei­bende wech­selnde Rufnum­mern verwendet haben.

Gerne werden von Spam-Anru­fern gleich frei erfun­dene Fantasie-Rufnum­mern (die gar nicht vergeben sind) verwendet. Beson­ders das "Maikrr­rosofft Komp­juder Depart­mänt" (betrü­geri­sche "Dienst­leister", die Herr­schaft über den eigenen Computer gewinnen möchten) ist beim Erfinden von nicht exis­tie­renden natio­nalen oder inter­natio­nalen Rufnum­mern äußerst kreativ. Bei Beschwerden zuckte die Netz­agentur bisher mit den Schul­tern: "Das ist eine aufge­setzte Rufnummer". Das neue TKG sollte hier Besse­rung bringen, weil nicht exis­tie­rende Nummern ausge­fil­tert werden müssen.

Mit allen Mitteln

Behör­den­chef Jochen Homann betonte, dass die Täter auch dieses Jahr „mit allen uns zur Verfü­gung stehenden Mitteln“ verfolgt würden. „Wir gehen weiterhin mit Nach­druck gegen die Unter­nehmen vor, die uner­laubte Tele­fon­wer­bung betreiben“. Werbe­anrufe mit unter­drückter Rufnummer seien "inak­zep­tabel".

Schon im vergan­genen Jahr hatte die Behörde deut­lich mehr Beschwerden regis­triert. Davor aller­dings hatte es einen Rück­gang der kriti­schen Wort­mel­dungen gegeben - ganz eindeutig ist der Trend also nicht. Ohnehin sind die Beschwer­dezahlen nur ein Hinweis auf Probleme. Denn mögli­cher­weise liegt der Anstieg zumin­dest teil­weise auch daran, dass die Möglich­keit zur Beschwerde bei der Bundes­netz­agentur bekannter geworden ist - viele Verbrau­cher wurden vermut­lich schon früher genervt, aber erst jetzt melden sie sich bei der Bonner Behörde.

Politik sieht es mit Sorge

In der Politik wurden die Beschwer­dezahlen mit Sorge zur Kenntnis genommen. Der FDP-Bundes­tags­abge­ord­nete Rein­hard Houben wies darauf hin, dass die unrecht­mäßigen Werbe­anrufe häufig auf Fest­netz­num­mern erfolgten, die im Tele­fon­buch stehen. „Das ist ein großes Problem für ältere Menschen, die ihr Fest­netz­telefon noch viel nutzen.“

Houben appel­lierte an die Netz­agentur, mit aller Härte gegen die Firmen vorzu­gehen. Die Möglich­keiten, die durch das verschärfte Gesetz vorge­sehen seien, „sollten dieses Jahr auch zu deut­lich höheren Bußgel­dern führen, sollten die aufdring­lichen Werbe­firmen einfach weiter­machen wie bisher“. Die uner­laubten Tele­fon­anrufe seien „ein großes Ärgernis, dessen Ursache konse­quent bekämpft werden muss“.

Mehr Fax-Werbung

Bei einer anderen Art von uner­wünschten Kontakt­auf­nahmen hatte die Bundes­netz­agentur eben­falls eine stei­gende Zahl von Beschwerden regis­triert. Hierbei ging es im vergan­genen Jahr zum Beispiel um Fax-Werbung für Corona-Tests und für Masken sowie um Betrugs-SMS mit der „Smis­hing“-Masche, bei der Verbrau­cher verleitet werden sollen, auf einen Link zu klicken und sich dann unwis­sent­lich Schad­soft­ware runter­zuladen. Die Bundes­netz­agentur reagierte und ließ unter anderem 1110 Rufnum­mern wegen Miss­brauchs abschalten.

Eine Einschät­zung (von Henning Gajek)

Fakt ist: Diese Spam-Anrufe nerven. Beispiel am Sams­tag­morgen: Anrufe aus nicht exis­tie­renden Orts­netzen oder fanta­sie­voll erzeugten Rufnum­mern aus Belgien oder Groß­bri­tan­nien: "Hello, this is Mike. You have a prrr­roblem with your computer" oder Anrufe von einer nicht auf Anhieb als falsch zu erken­nenden Nummer, die per Band­ansage erklärt "Sie haben ein Auto gewonnen, drücken Sie die 1" auffor­dert.

Wären diese Anrufer ganz ohne Rufnummer könnte man sie leicht mit der Funk­tion ACR, die alle Netz­betreiber anbieten müssen, die der Kunde sich aber auf eindring­liches Verlangen von der Hotline einschalten lassen muss, loswerden.

Die Lösung kann nur sein, dass Anrufe künftig nur noch durch­gestellt werden, wenn der Absender "veri­fiziert" ist, d.h. rechts­sicher nach­voll­ziehbar ist, wer das ist. Anrufer mit unklarem Nummern-Status könnten dann auf eine spezi­elle Hinweis­ansage oder eine Mailbox umge­leitet werden. Der Such­maschi­nen­betreiber Google bietet diesen Service "Veri­fied by Google" schon an.

Die etablierten Fest­netz­betreiber dürften dieser Lösung mit Grausen entgegen sehen, weil sie sicher kost­spie­lige Um- und Ausbauten ihrer Netze erfor­dert, die der End-Kunde natür­lich nicht bezahlen will und wird. Ob man den Spam-Anru­fern diese Kosten servieren kann, dürfte auch frag­lich sein, beson­ders, wenn sie inter­national operieren.

Trotzdem: Hier muss eine brauch­bare Lösung her. Krea­tive, aber unauf­dring­liche und erwünschte Werbung hält die Wirt­schaft am Laufen, Tele­fon­terror aber nicht.

Was passieren kann, wenn man die "1" drückt.

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