Balkonien

Zu Hause unterwegs: Die Welt virtuell erkunden

Die Welt virtuell vom Sofa aus erkunden: In Corona-Zeiten klingt das span­nender denn je. Mitt­ler­weile gibt es viele inspi­rie­rende Ange­bote auch abseits der digi­talen Muse­ums­tour - und einen großen Haken.
Von dpa /

Virtuelles Reisen Virtuelles Reisen
Bild: dpa-infografik GmbH
Strände verwaist, öffent­liche Plätze menschen­leer: Viele Urlaubs­ziele sind dieser Tage nicht wieder­zu­er­kennen. Die Reisenden zu Hause fragen sich, wann sie wieder aufbre­chen können und haben nun jede Menge Zeit, neue Pläne zu schmieden.

Inspi­ra­tion gibt es im Internet genug. Viele Desti­na­tionen setzen verstärkt auf digi­tale Ange­bote. Virtu­elles Reisen boomt. Das kann Urlaubs­sehn­sucht wecken - und diese auch ein wenig stillen?

Erkun­dungen per Fern­steue­rung und virtu­elle Safaris

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Fest steht: So manches Reise­ziel lässt sich in diesen Zeiten ganz schön etwas einfallen. Färöer, die kleine Insel­gruppe im Atlantik, macht ein beson­deres Angebot: Nutzer können via Smart­phone, Tablet oder PC einen realen Tour­guide mit einer Kamera am Kopf aktiv durch die raue Land­schaft steuern - quasi wie einen Avatar in einem Video­spiel. "Remote Tourism" nennt sich das, Tourismus per Fern­steue­rung. Sogar ein Heli­ko­pter­flug lässt sich diri­gieren. Anmelden können sich Inter­es­sierte auf der Frem­den­ver­kehrs-Website von Färöer, es gibt feste Termine. Nutzer, die dabei sind, können jeweils für eine Minute die Kontrolle über den Guide über­nehmen.

Meist ist es die Not, die erfin­de­risch macht. Die Touristen bleiben aus, zum Beispiel in den Safari-Zielen Afrikas. Was tun? In Südafrika bietet zum Beispiel die Hotel­gruppe Andbeyond virtu­elle Game Drives durch vier verschie­dene Wild­tier­re­ser­vate. Der Guide streamt dabei Beob­ach­tungen von Löwen, Elefanten und Nashör­nern direkt per YouTube, Insta­gram und Face­book in Wohn­zimmer am anderen Ende der Welt. Cleveres Marke­ting, in der Hoff­nung auf bessere Zeiten.

Gipfel-Hopping und Muse­ums­touren

In der Schweiz können Besu­cher virtuell von Gipfel zu Gipfel und zu Aussichts­punkten springen, dort bietet sich eine 360-Grad-Sicht auf die Berge. Auch virtu­elle Rund­flüge über das Genfersee-Gebiet sind möglich. Kronach im Fran­ken­wald mit seinen schmu­cken Fach­werk­häu­sern legte eine Live-Stadt­füh­rung auf Insta­gram auf.

Auch viele geschlos­sene Museen locken digital - mit span­nenden virtu­ellen Rund­gängen durch die Ausstel­lungs­säle und mit zahl­rei­chen Hinter­grund-Infos. Das geht zum Beispiel im Frank­furter Städel Museum per Virtual-Reality-App und Smart­phone. Aber auch viele Museen etwa in Italien machen entspre­chende Ange­bote. Auch viele Konzerte, die man sonst am Urlaubsort genossen hätte, und andere Kultur­ver­an­stal­tungen lassen sich online mitver­folgen.

360-Grad-Fotos und virtu­elle Rund­gänge

Zuneh­mend werden ganze Städte virtuell erlebbar gemacht - wobei nicht immer alle digi­talen Möglich­keiten ausge­schöpft werden. Auch werden viele Online-Inhalte wie Videos in Corona-Zeiten nun als "virtu­elles Reisen" verkauft. Alter Wein in neuen Schläu­chen. Aber das ist schließ­lich besser als gar nichts. 360-Grad-Panora­ma­auf­nahmen etwa gibt es schon länger, wie auf www.360cities.net. Auf der Webseite kann man virtuell das Empire State Buil­ding besich­tigen oder mit dem Heiß­luft­ballon durch die nami­bi­sche Wüste fliegen.

Auch in Deutsch­land gibt es einiges. Hannover zum Beispiel bietet auf seiner Tourismus-Webseite zahl­reiche 360-Grad-Fotos bekannter Sehens­wür­dig­keiten. So ist ein Altstadt­rund­gang möglich, und auch die Herren­häuser Gärten lassen sich virtuell erkunden.

Die Urlaubs­re­gion um die nieder­säch­si­sche Landes­haupt­stadt bietet 24 Panorama-Ansichten, wie das Stein­huder Meer oder den Deister. Mit nur einem Klick geht es in den Virtual-Reality-Modus.

Auch Reise­ver­an­stalter wollen digi­tale Inspi­ra­tion bieten. So stellt etwa DER Touristik auf der.com 360-Grad-Videos aus Ziel­ge­bieten wie Nizza, Südafrika und Mexiko zur Verfü­gung. Virtu­elle Rund­gänge über Kreuz­fahrt­schiffe gibt es etwa bei Tui Cruises und Hapag-Lloyd Cruises. Und bei Tui zum Beispiel können Urlauber die Hotels der Marken Magic Life und Tui Blue auf virtu­ellen Rund­gängen schon mal vorab erkunden - und sogar die Zimmer inspi­zieren.

Eine Heraus­for­de­rung für das Gehirn

Die Virtual-Reality-Tech­no­logie hat viel möglich gemacht. Damit lassen sich fremde Länder und Konti­nente zwar nicht hautnah, aber doch sehr reali­tätsnah erkunden. Der Wiener Zukunfts­for­scher Tristan Horx glaubt, dadurch können Sehn­süchte gestillt und Impulse für künf­tige Reisen gesetzt werden. Er will darin auch einen gewissen Trend zur Entschleu­ni­gung des Reisens erkennen. Die Vorstel­lung, ohne CO2-Fußab­druck und eine Belas­tung der Natur in allen Regionen der Welt unter­wegs zu sein, werde damit Wirk­lich­keit.

VR-Apps wie Google Earth könnten beein­dru­ckende Einblicke in Städte und Gebäude gewähren, sagt Horx. Aller­dings werde das Gehirn bei der Nutzung von VR-Technik in beson­derem Maße bean­sprucht. Länger als eine Stunde könne man die Brillen kaum nutzen, meint der Forscher.

Probleme mit der Verträg­lich­keit und unge­eig­nete Filme sind nach Einschät­zung von Carsten Fischer die Gründe, weshalb VR-Reisen bislang kaum Verbrei­tung gefunden haben. Der Geschäfts­führer von Inter­ac­tive CMS hat solche Brillen zur Unter­stüt­zung bei der Bera­tung in die Reise­büros gebracht. Doch die Akzep­tanz der Kunden blieb hinter den Erwar­tungen zurück. Und einen rich­tigen Urlaub können all die virtu­ellen Eindrücke ohnehin nicht ersetzen.

Kein Ersatz für das echte Reisen

Mit Bildern und Videos allein lasse sich die Komple­xität einer Reise nicht annä­hernd abbilden, sagt Horx. "Das visu­elle Erleben ist nur ein Aspekt von vielen sinn­li­chen Eindrü­cken, die wir unter­wegs machen." Inter­ak­tionen mit Natur und Kultur und den Menschen vor Ort seien entschei­dend für das Reise­er­lebnis.

Wer sich für erste Reise nach Corona in Stim­mung bringen will, der hat eine recht simple Möglich­keit: einfach alte Fotos anschauen. Mit den Erin­ne­rungen an real erlebte Momente kehrten vergan­gene Sinnes­ein­drücke wie Geräu­sche, Gerüche und Gefühle zurück, so Horx. Diese reiche innere Welt kann die beste Technik nicht toppen.

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