Bauernhof

Wenn Bauern bloggen: Politik und Lifestyle in der Landwirtschaft

Sie twittern vom Traktor und begleiten das Holz hacken mit einer Story auf Snapchat. In der landwirtschaftlichen Blogger-Szene herrscht reger Betrieb. Marcus Holtkötter, besser bekannt als Bauer Holti, ist einer der Internet-Landwirte.
Von dpa / Ulrike Michel

Bauern bloggen auf Twitter, Facebook, Instagram, Snapchat & Co. Bauern bloggen auf Twitter, Facebook, Instagram, Snapchat & Co.
Foto: dpa
Die Ferkel knabbern an seinen Schnürsenkeln, doch Marcus Holtkötter hat nur Augen für sein Tablet. Via Twitter liefert sich der Schweinebauer aus dem Münster­land eine hitzige Diskussion über den Unkraut­vernichter Glyphosat. Über 1 400 Menschen verfolgen seine Aktivitäten in dem Kurznachrichtendienst, kürzlich haben sie seinen zehntausendsten Tweet zu lesen bekommen.

Landwirte aus ganz Deutschland nutzen soziale Medien und Blogs, um sich auszutauschen und Einblick in ihre Arbeit zu geben. Auch klassische Blogs sind in der Branche beliebt: Einen der beliebtesten betreibt Bauer Willi aus dem Rheinland, der auf seiner Webseite zu umstrittenen Themen wie der Milchkrise oder Massen­tier­haltung Position bezieht.

Agrar-Blogging: Politischer Diskurs, Lobbyarbeit und Nachbarschaftspflege

Bauern bloggen auf Twitter, Facebook, Instagram, Snapchat & Co. Bauern bloggen auf Twitter, Facebook, Instagram, Snapchat & Co.
Foto: dpa
"Wir brauchen einen ehrlichen Dialog", sagt Schweine­bauer Holtkötter. Der Austausch mit Verbrauchern und Politikern sei ein­ge­schla­fen, dadurch entstehe oft Unverständnis und Misstrauen. "Dass ich die Fütterung der Schweine mit dem iPhone steuere, passt für viele nicht in ihr romanti­sier­tes Bild der Bauernhof-Idylle. Wenn ich es den Men­schen allerdings einmal erkläre, verste­hen sie die Vorteile."

Nicht jeder Blogger hat ein so großes Publikum wie Bauer Holti. Doch Kirstin Karotki vom Deutschen Bauernverband ist sicher: "Die Reichweite ist deutlich größer als die Agrar-Szene selber." Viele Interessierte verfolgten auf Facebook die Neuigkeiten vom Bauern aus der Nachbarschaft. Darüber hinaus riefen die Aktivitäten Tierschützer und andere Kritiker auf den Plan, die sich ebenfalls aktiv in die Diskussion einmischten.

Während Facebook vor allem dazu genutzt werde, um der Öffentlichkeit Einblicke in die eigene Arbeit zu vermitteln, gehe es auf Twitter stärker branchenintern zur Sache, erklärt Karotki. Auch die Politik werde adressiert.

Snappchat und Instagram sind auch bei Nachwuchsbauern beliebt

Thomas Fabry dürfte mit seinen 22 Jahren wohl einer der jüngsten digitalen Vertreter der Branche sein. "Warum gibt es eigentlich kein Parfüm, das nach frisch gemähtem Gras riecht?", heißt es auf einem Foto im Instagram-Profil des Nachwuchs­land­wirtes. Auf Snapchat lässt er sich von seinem Publikum beim Holzhacken oder Traktorreparieren begleiten.

Fabry will gegen Verallgemeinerungen und Klischees ankämpfen: "Es gibt 1 000 verschiedene Arten, Landwirtschaft zu betreiben - und nicht nur den einen Landwirt." Weil Instagram und Snapchat bei seinen Altersgenossen populär seien, hofft Fabry, sie damit für Landwirtschaft begeistern zu können. "Ich bin ein Riesenfan von Snapchat. Die Community ist sehr familiär, der Dialog sehr offen und ehrlich" - anders als bei Facebook, wo Blogger oft mit Beleidigungen und Hetze zu kämpfen hätten.

Die Agrar-Blogger treffen sich auch im Real Life

Herausforderungen wie diese haben die deutschen Agrar-Blogger vor einigen Monaten erstmalig auch offline zusammengeführt: In Münster trafen sich im vergangenen Dezember rund 100 Landwirte zu ihrem ersten "Agrar-Blogger-Camp [Link entfernt] ". Workshops zu digitalem Storytelling und Kommunikation in der Krise standen genauso auf dem Programm wie der Wunsch, sich auch im echten Leben kennen­zu­lernen und auszu­tauschen.

Erfolgreiche Blogger in der Mode- oder Reisebranche können von ihrem Blogger-Dasein leben, weil Unternehmen sie als Werbeträger nutzen und bezahlen. Daran ist in der Landwirtschaft nicht zu denken. Auch der Zeitaufwand sei groß. "Phasenweise ist das ein Vollzeit-Job", sagt Holtkötter - der neben der Bloggerei auch das Tages­geschäft auf seinem Hof verrichten muss.

Trotzdem will Bauer Holti weitermachen und seine Arbeit erklären. "Warum sind die Kälber ganz allein im Stall? Wie kommen die Rillen in den Ackerboden? Es kommen Fragen auf, die für mich ganz selbstverständlich erscheinen", sagt er über den Dialog. Und hält fest: "Das macht mir ganz einfach Spaß."

Auch teltarif.de können Sie auf Twitter und Facebook verfolgen.

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