Schüler-Brandbrief: Bördekreis verzögert schnelles Internet
Landrat Martin Stichnoth und Stefan Holighaus, Geschäftsleitung der DNS:NET Internet Service GmbH
Foto DNS:NET
Immer wieder betont die Politik, wie wichtig schnelles Internet für die Bildung sei, doch wenn es zum Schwur kommen soll, verheddern sich die Interessenvertreter und die Schüler bleiben auf der Strecke.
Mit heftiger Kritik an lokalen Politikern meldet sich die Deutsche Telekom zu Wort: Alle Schulen des Landkreises Börde (gelegen in der Magdeburger Börde, mit der Kreisstadt Oschersleben im Bundesland Sachsen-Anhalt) könnten längst über breitbandige Internetverbindungen verfügen. Dies werde aber weiter von der Landkreisverwaltung und einigen Kommunen blockiert.
Glasfaser bis vor die Schule, aber nicht hinein
Landrat Martin Stichnoth und Stefan Holighaus, Geschäftsleitung der DNS:NET Internet Service GmbH
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Zwar habe die Telekom die Genehmigung zum Verlegen der Glasfaserkabel bis vor die Schulen am Beispiel der Grundschule in Oebisfelde schon 2019 erhalten, allerdings fehle bis heute jeweils die Genehmigung auch die Anschlüsse auf den Schulgrundstücken zu bauen. Damit hätte die Telekom zusammen mit dem Land Sachsen-Anhalt die Basis für einen schnellen Glasfaser-Internetanschluss in jeder Schule geschaffen.
Die Träger könnten dann - mit Unterstützung durch weitere Bundes- und Landesmittel - die Infrastruktur in den Schulen ausbauen. Auch dabei hätte die Telekom unterstützen können. Mehr als 50 Schulen (Grundschulen und weiterführende Schulen) im gesamten Landkreis seien von den fehlenden Grundstücksgenehmigungen betroffen.
Auftrag seit 2019 an Telekom: Nur zwei Gemeinden machen mit
Den Verantwortlichen im Landkreis sei bereits seit 2019 bekannt, dass die Telekom vom Land beauftragt ist, die Schulen ans schnelle Internet anzuschließen. Dennoch blieben sie bei ihrer Verweigerungshaltung, um ihr "eigenes Projekt" nicht zu gefährden. Es gibt (wenige) Ausnahmen: Die Einheitsgemeinden Barleben und Sülzetal. Dort hat die Telekom die Zustimmung erhalten, die Schulen ans schnelle Internet anzuschließen.
Alexander Vogler, Leiter Technik Ost bei der Telekom, wird deutlich: „Heutzutage seinen Kindern die nötigen Bildungschancen vorzuenthalten, ist für mich nicht nachvollziehbar. Im Landkreis Börde regiert engstirniger Kleingeist. Damit soll die kommunale Breitbandgesellschaft im Rennen gehalten werden - auf Kosten der Ausbildung der Jugend.“
Landkreis Börde bevorzugt eigenes Netzausbau-Projekt
In der Tat: Wie der Landkreis Börde auf seiner Homepage mitteilt, sollen Schulen und Einrichtungen in Trägerschaft des Landkreises Börde ans „ultraschnelle Glasfasernetz“ geschlossen werden. Landrat Martin Stichnoth und Stefan Holighaus haben sich dazu den regional tätigen Internet-Provider DNS:NET herausgesucht und in diesen Tagen "24 Verträge ausgefertigt".
In den acht Mitgliedsgemeinden der ARGE-Breitband sollen Sekundar- und Förderschulen, die Berufsbildenden Schulen, Gymnasien und weitere Einrichtungen des Landkreises nach und nach die Anbindung bekommen. "Die Telekom stört da offenbar nur", so ein Branchenkenner.
Glasfaser von DNS:NET kommt bald?
Landrat Stichnoth hofft, dass sich die Bedingungen zum Beispiel für das Home-Schooling durch die „Glasfaser“ weiter verbessern. „Auch nach dem Corona-Lockdown werden die gigaschnellen Leitungen benötigt, um den Unterricht 'digital-effizient' und zukunftsorientiert durchzuführen.“ Nach gegenwärtigen Planungen sollen die ersten dieser Anschlüsse in Oebisfelde-Weferlingen und in Oschersleben aktiviert werden.
Offenbar nimmt der Landkreis auf die Weisung der Landesregierung keine Rücksicht. Demnach hatte der Landkreis die Telekom aufs Gelände lassen sollen, wollte das aber nicht, um den "Erfolg" seines eigenen Projektes nicht zu gefährden.
Strafe der Landesregierung: Gelder verschoben
Die "Strafe" folgte auf dem Fuße: Das Finanzministerium des Landes, das für die Umsetzung des landesweiten Projekts in Sachsen-Anhalt zuständig ist, hat die Schulen, für die der Schulträger keine Zustimmung zum Leitungsbau gab, auf das Projektende verschoben, in der Hoffnung, dass bei den Verantwortlichen ein Umdenken stattfindet.
Das bedeutet: Der Landkreis respektive seine Netz-Gesellschaft wird dann die Schulen selbst an die Glasfaser anschließen können. Danach fehlen aber die (Landes-)Mittel für die notwendigen Server, Computer und so weiter, weil die Freigabe der Finanzen nach hinten geschoben wurden. Im Gespräch ist das Jahr 2023.
Schüler schreiben Brandbrief an die Politik
Schülerinnen und Schüler der Sekundar- und Gemeinschaftsschule in Oebisfelde wurden aktiv und hatten "Brandbriefe" geschrieben. Unter anderem ging die Post an den Bundestagsabgeordneten aus dem Bundestagswahlkreis 67 „Börde-Jerichower Land“, Manfred Behrens [Link entfernt] (CDU, Mitglied im Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur). Die Schüler wiesen auf die "unhaltbaren Zustände" an ihrer Schule hin.
Eine Einschätzung (von Henning Gajek)
Hier rächt sich nun die ganze Konstruktion des Wettbewerbs im TK-Sektor. Internet sollte eigentlich Grundversorgung und Daseinsvorsorge sein. Wenn aber die Lokalpolitik selbst zum Mitspieler wird, kommt schnell die Erkenntnis, dass jeder weitere Spieler "stört", weil sich der parallele Ausbau für die bereits aktiven Anbieter nicht mehr rechnen kann. Anstatt zu bauen, beharken sich die Spieler gegenseitig und der Nutzer schaut in die Röhre.
Schulen und Firmen brauchen dringendst schnelles Internet, bekommen es aber nicht, weil zu lange gezögert und geschlafen wurde. Privathaushalte sind heutzutage noch mit 25 oder 50 MBit/s zufrieden, doch der Tag wird kommen, an dem auch das nicht mehr reichen wird.
Hier fehlt eine mächtige neutrale Instanz, die diesem wilden Treiben sofort Einhalt gebietet und die Verantwortlichen dazu zwingt, jetzt und sofort die Schulen ans Netz zu bringen und nicht erst vielleicht in 2, 3, 4, oder 5 Jahren.
Beispielsweise könnte die Telekom verpflichtet werden, im Zuge von "Open Access" ihre verlegten Glasfaser-Leitungen auch dem Mitbewerber zu öffnen, wenn dieser im Gegenzug die privaten Anbieter zu exakt den gleichen Konditionen, die der Telekom auferlegt werden, seine Leitungen zur Verfügung stellt. Dann könnten die Schulen ihre Datensignale von DNS:NET beziehen, über Leitungen der Telekom, wofür die Telekom eine Miete bekommen würde. Umgekehrt, könnte die Telekom auf bereits verlegte Leitungen der DNS:NET zugreifen, um ihre Kunden mit schnellerem Internet zu versorgen. Dann hätten alle was davon.
Kein Wunder, wenn viele Bürger auf die Politik nicht gut zu sprechen sind.