20 Jahre

Telekom-Aktie: Streit endet im Vergleich

Nach 20 Jahren Juris­ten­streit um den Telekom-Börsen­gang präsen­tierten Anwälte beider Seiten sowie der zustän­dige OLG-Senat inner­halb einer halben Stunde einen Vergleich, den man kaum ablehnen kann.
Von mit Material von dpa

Der damalige Telekom-Chef Ron Sommer brachte 2000 die Detusche Telekom an die Börse. Fallende Kurse beendeten seine Karriere. Der damalige Telekom-Chef Ron Sommer brachte 2000 die Detusche Telekom an die Börse. Fallende Kurse beendeten seine Karriere.
Foto: Picture-Alliance / dpa
Wer erin­nert sich noch an den dama­ligen Telekom-Chef Ron Sommer, den Schau­spieler und Sänger Manfred Krug und den Telekom-Börsen­gang? Wer damals (im Jahre 2000) die Telekom Aktie für 14,57 Euro gekauft hatte, könnte sie heute für etwa 16,89 Euro (Kurs von 15:34 Uhr) mit leichten Gewinn verkaufen.

Der dritte Börsen­gang war teuer

Der damalige Telekom-Chef Ron Sommer brachte 2000 die Detusche Telekom an die Börse. Fallende Kurse beendeten seine Karriere. Der damalige Telekom-Chef Ron Sommer brachte 2000 die Detusche Telekom an die Börse. Fallende Kurse beendeten seine Karriere.
Foto: Picture-Alliance / dpa
Wer aber erst im dritten Börsen­gang bei 66,50 Euro "zuge­schlagen" hatte, dürfte heute unglück­lich sein. Einige Anleger gingen deshalb vor Gericht. Sie fühlten sich getäuscht und wollten ihr Geld zurück.

Für die aller­meisten Kläger geht der Prozess um den Telekom-Börsen­gang im Jahr 2000 in den kommenden Monaten zu Ende. Noch im laufenden Jahr sollen die ersten Zahlungen aus einem Vergleichs­vor­schlag fließen, auf den sich heute Anle­ger­schützer und die beklagte Deut­sche Telekom geei­nigt haben - mit ausdrück­licher Billi­gung und Unter­stüt­zung des Ober­lan­des­gerichts Frank­furt. Der Eini­gungs­vor­schlag soll sämt­lichen Klägern bis zum 30. Juni 2022 vorge­legt werden. Sie alleine entscheiden über Annahme oder Ableh­nung.

So sieht der Vergleich aus

Bei Annahme erhalten die Aktio­näre den im Jahr 2000 geleis­teten Kauf­preis von 66,50 Euro pro Aktie zurück, von dem zwischen­zeit­lich gezahlte Divi­denden und Teil­ver­käufe abge­zogen werden. Auch der heutige Wert der Aktie wird mit 16,50 Euro verrechnet sowie die nach­träg­lich verteilten Bonus­aktien des Bundes, weil sämt­liche Papiere bei den Käufern bleiben sollen. Aufge­schlagen werden dann noch 70 Prozent der ange­fal­lenen Prozess­zinsen, die seit Einrei­chung der Klagen aufge­laufen sind.

Die Telekom wie auch die beigela­denen Parteien KfW-Bank und Bundes­repu­blik Deutsch­land wollten sich zum finan­ziellen Gesamt­umfang des Vergleichs nicht äußern. Die rund 16.000 Kläger hatten anfangs einen Schaden von rund 80 Millionen Euro geltend gemacht. In etwa die gleiche Summe dürfte nun noch einmal für die über viele Jahre aufge­lau­fenen Zinsen anfallen, hieß es heute in Anwalts­kreisen.

Nahezu zu 100 Prozent befrie­digt

"Damit werden - bis auf einen kleinen Teil der Zinsen - nahezu 100 Prozent der geltend gemachten Ansprüche befrie­digt", erklärte der Haupt­geschäfts­führer der Deut­schen Schutz­ver­eini­gung für Wert­papier­besitz (DSW), Marc Tüngler. Auch die erstatt­baren Prozess- und Anwalts­kosten sollen nicht an den Klägern hängen­bleiben. Die Entwicklung der Telekom-Aktie von 2000 bis heute. Die Entwicklung der Telekom-Aktie von 2000 bis heute.
Grafik: Picture Alliance - dpa
Neben weiteren Kläger­anwälten riet auch der Vorsit­zende Richter Bern­hard Seyder­helm den Klein­anle­gern drin­gend, den Vergleich anzu­nehmen. Er warnte sie vor nicht kalku­lier­baren Kosten­risiken bei einer Weiter­füh­rung des Prozesses, der gut und gerne noch weiter fünf Jahre dauern könne bis zu einer rechts­gül­tigen BGH-Entschei­dung. "Der Senat legt allen Betei­ligten nahe, diesen Vergleich abzu­schließen."

Telekom-Chef­juristin Claudia Junker sprach sogar von bis zu zehn Jahren, die es ohne Kompro­miss hätte dauern können. "Es ist jetzt an der Zeit gewesen, dass wir dieses sehr faire Angebot machen." Es dauerte heute im Saal E II auch nur eine Vier­tel­stunde, bis der Anwalt Peter Gunder­mann von der Kanzlei Tilp erst­mals das Wort vom "Mammut­pro­zess" in den Mund nahm.

Selten hat der Vergleich zu dem Ur-Tier besser gepasst als bei der Causa Telekom, bei der erst­mals in der deut­schen Rechts­geschichte die rund 12.000 beim Land­gericht Frank­furt einge­gan­genen Klagen von mehr als 16.000 Klägern zu einem eigens gesetz­lich geschaf­fenen Kapi­tal­anle­ger­mus­ter­ver­fahren (KapMuG) zusam­men­gefasst wurden. Es folgten zwei nahezu endlose Prozesse vor dem Ober­lan­des­gericht Frank­furt, dessen Vorla­gebe­schlüsse beim Bundes­gerichtshof beide Male nicht voll­ständig über­zeugten, so dass 20 Jahre nach den ersten Klagen immer noch keine rechts­kräf­tige Entschei­dung vorliegt.

Langer Prozess - einige Kläger verstorben

Im Prozess­ver­lauf starben im Juni 2016 der ausge­wählte Must­erkläger Bruno Kiefer und am 1. April dieses Jahres auch der Rechts­anwalt und profi­lierte Anle­ger­ver­treter Andreas Tilp, der das Verfahren entschei­dend geprägt hatte. Sein enger Kollege Peter Gunder­mann wieder­holte nach dem Vergleichs­vor­schlag die Einschät­zung, dass die Kläger ohne das zusam­men­fas­sende Muster­ver­fahren vermut­lich leer ausge­gangen wären. "Das KapMuG bündelt die Kräfte aller Anleger, damit entsteht ein wirk­sames Gewicht gegen die Markt­macht des Gegners", sagte der Anwalt.

Keine schnelle Lösung

Eine schnelle Lösung des Konflikts ist dennoch nicht heraus­gekommen - anders als in den USA, wo die Telekom bereits im Jahr 2005 an Anleger 150 Millionen Dollar ausge­zahlt hat. "Der Fall zeigt eindeutig, wie unge­eignet das KapMuG-Verfahren in seiner aktu­ellen Ausge­stal­tung ist", kriti­siert DSW-Vertreter Tüngler. Sein Kollege Klaus Nieding hofft, dass von dem "absolut sinn­vollen" Frank­furter Vergleich eine Signal­wir­kung auf andere KapMug-Prozesse wie Volks­wagen oder Porsche ausgeht: "Die Unter­nehmen müssen sich viel früher bewegen im Sinne der Akti­enkultur. Das heißt, sie müssen auf die Aktio­näre zugehen, die klagen."

Die Zukunft des 5G-Funks soll Open-RAN sein. Doch auch hier gibt es Bedenken.

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