Editorial: Kontrolle in die falsche Richtung
Das vereinigte Netz ist noch nicht so gut, wie erhofft
Logos: Hersteller / Montage: teltarif.de
Telefónica/o2 steht im Verdacht, Auflagen
der EU-Kommission aus der
Fusion mit E-Plus
verletzt zu haben. Denn im
Gegensatz zur Genehmigung der Fusion musste sich der Konzern unter
anderem verpflichten, virtuellen Netzbetreibern besonders günstige
Konditionen für die Schaltung von Kunden im o2-Netz einzuräumen.
Hier soll Telefónica zu hohe Preise berechnet haben, indem sie bei
der Berechnung des Referenzpreises bestimmte Angebote der Konkurrenz
unberücksichtigt gelassen haben.
Nun ist es sehr zu begrüßen, dass die EU-Kommission die Situation des Mobilfunks in Deutschland genau beobachtet, denn Deutschland liegt bei der Netzqualität leider weit zurück. Zugleich sind SIM-Verträge im internationalen Vergleich recht teuer. Doch darf bezweifelt werden, dass die Auferlegung einer Strafzahlung gegen Telefónica etwas an der Situation verbessern würde. Denn das entsprechende Geld fehlt dann wieder beim Netzausbau und die Daten der Kunden tröpfeln anschließend noch langsamer. Zugleich könnte die Deutsche Telekom durch eine Strafe gegen Telefónica ihre führende Position auf dem deutschen Markt ohne eigenes Zutun noch weiter ausbauen, und entsprechend noch höhere Vertragsentgelte verlangen. Für die Verbraucher würde es also noch teurer werden.
Eine Strafe der EU-Kommission gegen Telefónica würde also die deutsche Mobilfunk-Misere, bestehend aus schlechter Netzqualität und hohen Entgelten sogar noch verschärfen. Größter Gewinner einer solchen Strafe wäre der deutsche Staat, dessen Aktienpaket an der deutschen Telekom weiter im Wert steigen würde. Die deutschen Bürger - und die sollte die EU-Kommission eigentlich im Fokus haben - würden hingegen verlieren. Entweder an Netzqualität, wenn sie beim günstigsten Anbieter bleiben, oder an Geld, wenn sie die weiter steigenden Preise bei den im nationalen Vergleich zwar besser, im internationalen Vergleich aber trotzdem nicht allzu gut ausgebauten Netzen bezahlen müssen.
Fusion aus Verbrauchersicht gescheitert
Das vereinigte Netz ist noch nicht so gut, wie erhofft
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Die Hoffnung bei der Fusion war, dass mit der Fusion ein schlagkräftiger
Anbieter entsteht, der auf Augenhöhe mit Deutscher Telekom und Vodafone
konkurrieren kann. Indem Synergien beim Netzausbau genutzt werden,
sollte die fusionierte Telefónica-E-Plus ein besseres Netz zu niedrigeren
Preisen für den Kunden anbieten können. Stattdessen ist der Konzern im
Fusionschaos versunken: Über viele Monate hinweg war die Hotline so
gut wie gar nicht erreichbar. Bei der Zusammenlegung der Kundensysteme
wurden zahlreiche Fehler gemacht, so dass Kunden gewohnte Dienste plötzlich
nicht mehr nutzen konnten. Und die Netzintegration ist bis heute "work
in progress" mit hoher Signalisierungslast und folglich auch vielen
Einbuchproblemen an den weiterhin existierenden Netzgrenzen.
Zwar gibt es einen leichten Silberstreifen am Horizont, bei Telefónica sind Fortschritte sichtbar. Andererseits stecken sie noch tief drin im dringend nötigen 4G-Ausbau. Die Chancen von Telefónica, mit dem aktuell anhängigen Eilverfahren zum Aufschub der 5G-Auktion bessere Konditionen für den Lizenzkauf herauszuschlagen, dürften gering sein: Wenn der Staat in Folge des Verfahrens die Auktionsbedingungen wieder lockert, dann werden die Frequenzen halt teurer. Aber es gibt eben durchaus die Chance, mit der Klage Zeit zu gewinnen, bevor der Wettlauf um den 5G-Ausbau beginnt. Möglicher Verlierer ist auch hier wieder der deutsche Kunde, der im internationalen Vergleich die bestmöglichen Mobilfunkdienste eben erst später bekommt.
Alternativen zur Strafzahlung
Wahrscheinlich sieht man das Fusionschaos bei den Verbraucherschützern in der EU-Kommission ähnlich kritisch. Als Vielreisende erleben EU-Politiker die Unterschiede in der Netzqualität aus erster Hand. Nur: In dieser Situation den Telefónica-Konzern weiter zu schwächen, verbessert nichts für die Verbraucher. Gut wäre es daher, wenn sich die Vorwürfe der EU-Kommission am Ende als haltlos erweisen. Oder wenn sie für den Fall, dass Telefónica doch Auflagen verletzt hat, eine Alternative zur Strafzahlung findet. So könnten die Vorleistungspreise für Konkurrenten zumindest für einen gewissen künftigen Zeitraum zwangsweise besonders niedrig angesetzt werden.
Eine weitere Alternative zu Strafzahlung und Preisdiktat - so denn die Auflagen verletzt wurden - könnte auch ein Zwangs-Netzausbau sein: Die EU-Kommission würde beispielsweise eine Liste von 5.000 unterversorgten Standorten erstellen, an denen Telefónica binnen zwei Jahren moderne 2G-, 3G-, 4G- und 5G-Technik aufbauen muss, mit einer nachgewiesenen Gesamtbitrate von 10 GBit/s oder besser in Summe aller Antennen des jeweiligen Standorts, und das zusätzlich zu einer Erneuerung aller bestehenden Standorte. So profitieren am Ende viele: Die Verbraucher profitieren in den bisher mobilfunktechnisch unterversorgten weißen Flecken. Telefónica Deutschland profitiert, weil sie Telefónica Spanien zwingen können, ausreichende Investitionsmittel bereitzustellen. Und die EU-Kommission gewinnt an Macht und Einfluss.