Digital Innovation Day

Digitalisierung: Wenn der Rollator nach Hilfe ruft

Zum alljährlichen Digital Innovation Day hatte o2 Telefónica Germany am Mittwoch wieder in die Eisbach Studios nach München geladen. Dort gab es praktische Beispiele für Digitalisierung zu sehen.
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Der Experte für den Umgang mit digitalen Medien, Prof. Dr. Gerald Lembke, findet, dass viele Anbieter viel zu technikverliebt seien. Für den Kunden sei wichtig, dass es funktioniere. Die Kunden nutzen die Technik aus Bequemlichkeit oder zur Unterhaltung. Spitzengruppe der Nutzung sei die Jugend von 15 bis 17 Jahren auf Facebook, obwohl sie sich insgesamt von dort langsam zurück ziehe. Statistisch alle 6,8 Minuten werde ein Smartphone gezückt, am Tag 3,5 Stunden genutzt, davon alleine eine Stunde auf Facebook. Weniger als 10 Minuten werde telefoniert und das Smartphone weniger als 10 Prozent produktiv genutzt. Das Ziel sei es, das Smartphone effektiver und produktiver zu nutzen. Der Umgang solle "gesund und nachhaltig" sein.

Als hohes Lied der Unternehmensentwicklung wird die Disruption gefeiert, aber eine von Lembke initiierte Studie zeigt, dass viele Unternehmen "dieses Disruption" gar nicht kennen oder nicht für realistisch halten.

Lembke ist Fan der digitalen Welt, findet aber in Abwandlung eines Wahlkampfslogans, dass "Denken first" und "Digital second" gelten solle. Ungeahnte Verkaufszahlen erzielte das Jux-Produkt Nophone, welches die Größe eines Smartphone habe, aber keinerlei funktionsfähige Technik enthalte. Interessierte Zuhörer auf dem Digital Innovation Day von o2 Telefónica Germany Interessierte Zuhörer auf dem Digital Innovation Day von o2 Telefónica Germany
Bild: Telefonica

Big Data im Netzbetrieb

Marcus Thurand, Vorstandsmitglied für den Netzbetrieb von Telefónica Germany plädierte dafür, die Digitalisierung nur in Kombination mit dem Menschen umzusetzen. Die digitale Farbsteuerung des Lichts im Wohnzimmer kam bei seiner Frau nicht an. Der digitale Hausschlüssel zunächst auch nicht. Aber Kinder vergessen den echten Schlüssel, jedoch nicht das Smartphone. Jetzt kommen seine Kinder ins Haus hinein und Mutter kann auf der App nachschauen, ob sie schon da sind und seit wann. "Die Akzeptanz ist wichtig".

Mit Big Data kann man das eigene Netz besser unter Kontrolle bekommen und Störungsmuster erkennen. Wenn viele Stationen gleichzeitig ausfallen, welche Stationen sind für den Kunden die wichtigsten?

Überall werden Daten gesammelt, die einzeln wenig Sinn ergeben, in der großen Summe aber schon. Oft gibt es kleine Störungen, die nach kurzer Zeit "wie von selbst" verschwinden. Für sich alleine betrachtet, fallen sie kaum auf. Wenn man die Daten sammelt und über längere Zeit betrachtet, werden Muster erkennbar, die ziemlich sichere Prognosen erlauben, wann ein Netzelement wirklich ausfallen könnte.

Telefónica betreibt rund um den o2-Tower im München ein "Tech City" genanntes Versuchsnetz aus acht speziellen Standorten, an denen neue Technologien ausprobiert werden können. Einige Systeme können von sich dort bewegenden regulären Kunden mit genutzt werden, für andere sind spezielle SIM-Karten, die nicht im Handel erhältlich sind oder bestimmte Endgeräte notwendig. Aktuelle Forschungen im Frequenzband 3,5 GHz haben ergeben, dass die Reichweite spürbar besser wird, wenn man mit vielen verschieden ausgerichteten Antennen (Massive MIMO) arbeitet. Die Wellenlänge von 4 Zentimeter macht solche Antennen handlich und nutzbar. In sogenannten Breakout Sessions redeten immer zwei Referenten gleichzeitig. Der Zuhörer konnte über Kopfhörer mit Funkempfänger den Kanal auswählen und bei idealer Umschaltfrequenz beide Vorträge mitverfolgen.

Die Daten gehören dem Kunden, er gibt sie ständig aufs Neue

Moritz Diekmann, Geschäftsführer Telefónica Germany Next GmbH, stellte neue Denkansätze vor. Das Unternehmen beschäftigt sich mit den anfallenden Datenmengen und den möglichen Nutzungen, soweit der Kunde diesem zustimmt. Dabei gelte das Prinzip "die Kundendaten sind Daten des Kunden", jeder Kunde gibt seine Daten immer wieder aufs neue frei oder auch nicht. o2 biete die Plattform zum Datenaustausch.

Anwendungsbeispiels sind etwa der in München gezeigte Vitastiq-Stick, der wie ein dicker Kugelschreiber aussieht und im unmittelbaren Hautkontakt auf der Hand die Vitamin-Werte des Kunden ermittelt. Diese könnte man einem Lieferdienst wie Rewe-Fresh übermitteln, welcher dem Kunden ein entsprechendes Angebot unterbreite, wenn bestimmte Vitaminwerte über- oder unterschritten werden.

Oder man hat eine stressige Autofahrt und die Musikanlage zu Hause weiß das und legt die passende Musik auf, wenn der Kunde endlich zu Hause angekommen ist. Unter anderen Umständen wäre das Musikprogramm ein anderes.

Während große Markenanbieter wie die Netzbetreiber ihre Kunden und deren Daten bisher möglichst für sich behalten wollten, seien sie von "Over the Top" Anbietern wie WhatsApp fast überrollt worden. Offene Ökosysteme, bei denen die Daten mit Partnern ausgetauscht werden, könnten noch intelligentere Angebote schaffen, wovon alle etwas hätten. Dabei spiele der Datenschutz eine große Rolle, weil nur Daten weitergegeben werden können, die der Kunde freigegeben hat.

Auf der letzten Seite es geht um Sicherheit und um Hacker mit Humor.

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