Rückblick

Vorläufer des Internets: Vor 40 Jahren startete Btx

Mit unglaub­lich lang­samen 1200 Bit/s star­tete vor 40 Jahren der Btx-Dienst. Heute sind 1.000.000.000 Bit/s keine Selten­heit mehr. Ein Rück­blick
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Am 1. September 1983, also vor 40 Jahren, star­tete in Deutsch­land der Online-Dienst Btx (für Bild­schirm­text). Dazu war eine (lang­same) Daten­ver­bin­dung über das analoge Tele­fon­netz mit typi­scher­weise bis zu 1200 Bit/s Down und bis zu 75 Bit/s Up notwendig. Geschwin­dig­keiten, die sich viele heute gar nicht mehr vorstellen können.

Erste Vorstel­lung 1977 auf der IFA

Am Anfang brauchte man für BTX ein spezielles Bildschirm-Telefon. Das gab es nur zur teuren Miete. Am Anfang brauchte man für BTX ein spezielles Bildschirm-Telefon. Das gab es nur zur teuren Miete.
Foto: Picture Alliance / dpa
Erst­malig der stau­nenden Öffent­lich­keit wurde Btx im Jahre 1977 vom dama­ligen Post­minister Kurt Gscheidle auf der Inter­natio­nalen Funk­aus­stel­lung in Berlin vorge­stellt. Die IFA war damals die Leit­messe für Tele­kom­muni­kati­ons­pro­dukte für Privat­kunden in Deutsch­land schlechthin. Heute glänzen alle Anbieter wie Telekom, Voda­fone, o2 oder 1&1 in Berlin durch Abwe­sen­heit.

Deut­sche Entwick­lung mit briti­schem Vorbild

Btx war in Deutsch­land unter der Leitung von Eric Danke entwi­ckelt worden, der später Vorstands­mit­glied von T-Online wurde und dieses Amt bis zu seinem Ruhe­stand (2001) beklei­dete. Danke hatte bereits 1975 den briti­schen "PRESTEL"-Stan­dard entdeckt. Im Juni 1980 star­tete er einen Feld­ver­such mit jeweils etwa 2000 Teil­neh­mern in Düssel­dorf, Neuss und Berlin. Am 18. März 1983 unter­zeich­neten die Regie­rungs­chefs der Länder in Bonn einen "Staats­ver­trag" über Bild­schirm­text. Der Vertrag stellte es jedem Inter­essenten frei, unter Beach­tung bestimmter Vorschriften als Anbieter von Bild­schirm­text-Inhalten aufzu­treten. Dazu musste bei der Deut­schen Bundes­post ein System-Zugang bean­tragt und Spei­cher­platz im Btx-System gemietet werden.

Offi­zieller Start 1983

Die Deut­sche Bundes­post star­tete dann 1983 offi­ziell den Btx-Dienst, der anfangs noch ein spezi­elles Btx-Gerät (ein Mini­bild­schirm mit Tastatur und Tele­fon­hörer) erfor­derte. 1983 gab es neben der Btx-Leit­zen­trale in Ulm auch soge­nannte Btx-Vermitt­lungs­stellen in Düssel­dorf, Hamburg, Frank­furt am Main, München und Stutt­gart. Ursprüng­lich war der Ausbau auf 150 Btx-Vermitt­lungs­stellen geplant, aber die erwar­teten Nutzer­zahlen wurden nie erreicht.

Quasi euro­päi­scher Stan­dard

Btx-Ange­bote gab es in verschie­denen euro­päi­schen Ländern und (theo­retisch) war auch der grenz­über­schrei­tende Nach­rich­ten­aus­tausch möglich, sofern man wusste wie das geht und sofern es schon akti­viert war. In Frank­reich war man schlauer: Dort wurden die Endge­räte ("Minitel") an die Kunden verschenkt. Die Folge: Die Nutzung wurde schnell populär. Trotzdem: In fast allen euro­päi­schen Ländern wurden die "Videotex" (Btx-Dienste) um 2000-2001 einge­stellt.

1 Million Kunden?

Mit öffentlichen (kostenlosen) Terminals sollte das Interesse an BTX geweckt werden. Mit öffentlichen (kostenlosen) Terminals sollte das Interesse an BTX geweckt werden.
Foto: Picture Alliance / dpa
In Deutsch­land war man 1986 war von einer Million Kunden ausge­gangen worden, tatsäch­lich waren es da aber nur 60.000. Die Million wurde erst zehn Jahre später erreicht, nachdem Btx ab 1995 mit dem neuen T-Online-Angebot inklu­sive E-Mail-Adresse und "echtem" Internet-Zugang gekop­pelt worden war. 1993 wurde Btx Bestand­teil des neu geschaf­fenen Dienstes "Datex-J".

2001: Chef geht, System geht (fast)

Bereits am 31. Dezember 2001 wurde der ursprüng­liche Btx-Dienst "offi­ziell" abge­schaltet, T-Online-Technik-Chef Danke ging in den Ruhe­stand. Btx blieb aber in einer redu­zierten Vari­ante für Online-Banking bis zum 10. Mai 2007 am Leben. Den Banken hatte Btx gut gefallen, da es relativ "proprietär" und "abge­schottet" vor dem "bösen Internet" gewesen war.

Wie wurde Btx genutzt?

Wenn man den Btx-Dienst starten wollte, braucht man entweder ein Bild­schirm-Text-Telefon oder einen PC mit Modem und den passenden Decoder, anfangs nur als Zusatz­gerät, später auch auf Soft­ware­basis. Nach dem Start des Verbin­dungs­auf­baus, den man auf Wunsch "mithören" konnte ("diiiing diing doing chrrrsch") wurde der Start­bild­schirm aufge­baut, der Kunde musste sich entweder selbst einloggen oder die Zugangs­daten waren schon im Decoder hinter­legt.

Start­seite *0#

Die Steue­rung des Systems war denkbar einfach: *0# (Stern Null Raute) rief die Leit­seite auf, von dort ging es dann auf die verschie­denen Ange­bote. Viele Seiten waren über Kurz­wahlen *1188# z.B. für die Tele­fon­aus­kunft oder Begriffe wie *adac#, *ccc# oder *telekom# zu errei­chen. Jeder Aufruf begann mit einem * (Stern) dann der Seiten­nummer oder dem Namen und eine # (Raute) zum Abschi­cken.

Waren Seiten beson­ders kosten­pflichtig, musste mit "1-9" bestä­tigt werden. Man hatte dazu zwei weit ausein­ander liegende Ziffern gewählt.

Chance zum Geld­ver­dienen?

Viele Seiten waren kosten­frei aufrufbar, andere verlangten Geld, etwa für Test­berichte, "wert­volle" Infor­mationen oder Ange­bote im Rotlicht-Bereich, mit pixe­liger Klötz­chen­grafik inklu­sive. Hoch­auf­lösende Bilder waren bei 2.400 Bit/s undenkbar. Der Preis für eine Seite konnte (theo­retisch) bis zu 9,95 DM (ca. 5,09 Euro) betragen. Klar, dass diese Verdienst­mög­lich­keiten allerlei zwie­lich­tige Anbieter anlockten.

Wie sicher war Btx?

Betrieben wurde Btx in Deutsch­land von der Deut­schen Bundes­post (Vorläufer der Telekom) und als "beson­ders sicher" beworben. Computer-Akti­visten und Spezia­listen wie der CCC (Chaos-Computer-Club) bewiesen aber, das es ausnutz­bare Sicher­heits­lücken im System gab und schafften es beispiels­weise, von Demo-Account einer Spar­kasse perma­nent teure eigene CCC-Seiten (für 9,95 DM) aufzu­rufen, obwohl ihnen die Zugangs­daten der Spar­kasse eigent­lich nicht bekannt waren.

Dann kam das echte Internet

Mit dem Aufkommen des "echten" Inter­nets, ging das Inter­esse am proprie­tären Btx-Dienst immer weiter zurück. Die Telekom hatte über­legt, das Angebot des "neuen" Inter­nets und des Btx-Systems wegen geringem Inter­esse einzu­stellen. Nur wenige Kunden wollten das notwen­dige Btx-Endgerät mieten, nicht jeder Haus­halt hatte damals schon einen PC.

Btx: Die Chance für Ralph Dommer­muth

Der schlep­pende Verkauf von Btx war die Stunde des Ralph Dommer­muth und seines jungen Unter­neh­mens 1&1. Er verkaufte binnen kürzester Zeit eine unglaub­liche Menge von Btx-Abon­nements an Kunden aus allen Alters­schichten, die mögli­cher­weise bis dahin noch gar keinen Computer hatten.

Telekom ließ Internet weiter­laufen

Davon moti­viert, sagte die Telekom ihre Pläne ab und ließ das System weiter­laufen. Das offi­zielle Btx-Programm wurde um den "Netscape"-Browser erwei­tert. Irgend­wann waren die Vorschriften des Post­minis­teriums gelo­ckert worden, dass auch Modems mit mehr als 2.400 bps möglich wurden. Nach 9.600 und 14.400 bps ("mehr geht auf keinen Fall") tauchten Modems mit 28.800 bis "unglaub­lichen" 57.600 Bit/s im Markt auf, dann setzte sich die DSL-Technik durch.

Btx wurde 2007 in Deutsch­land komplett einge­stellt. Brauchte man zu Beginn noch einen Saal mit Server-Technik, soll das gesamte bundes­weite Btx-System am Ende auf einem einzigen PC gelaufen sein.

Wer sich für das Thema inter­essiert, findet im Museum für Kommu­nika­tion noch weitere Infor­mationen. Es gibt sogar einen "Btx-Emulator", mit dem tech­nisch kundige Bastler die Zeit von damals zurück­holen können.

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