Service Provider

freenet: Diensteanbieter wollen bei 5G dabei sein

Der Begriff Diensteanbieter ist wenigen geläufig. Das englische "Service-Provider" schon. Wie wichtig es ist, in der 5G-Lizenz verpflichtend enthalten zu sein, hat uns Benjamin Grimm von der freenet AG erklärt.
Mit Benjamin Grimm sprach

Der Begriff Diensteanbieter ist vielen nicht geläufig, die englische Übersetzung "Service-Provider" hat sich in den deutschen Sprachgebrauch eingeschlichen, zumindest in der Mobilfunkszene.

Als der digitale Mobilfunk im Jahre 1992 startete, waren Service Provider ein gewünschtes Mittel, um den Markt schneller zu erschließen. Die Service-Provider bieten Mobilfunkverträge an, haben aber kein eigenes Netz und auch keine eigene Vorwahl. Stattdessen begannen sie mit dem Verkauf von Mobilfunkverträgen in den Netzen von Telekom (T-D1) und Mannesmann (D2), der heutigen Vodafone.

Sie selbst hatten zuvor Service-Provider-Verträge mit den Netzbetreibern abgeschlossen, wo sie Original-Tarife im Gegenzug für die Übernahme von Marketing, Vertrieb, Kundenbetreuung und Abrechnung mit Rabatt einkaufen konnten. Als E-Plus auf dem Markt kam, startete das Unternehmen mit dem "hauseigenen" Service-Provider E-Plus-Service, daneben durften auch alle bekannten Service-Provider die Verträge verkaufen.

VIAG Interkom wollte zunächst keine Provider ins Netz lassen. Als letzter gestartet, mussten sie viel Geld in den Netzausbau stecken. Die von den Service-Providern benötigte Rabatte erklärte VIAG Interkom für "nicht machbar". Der Service-Provider Debitel (damals noch alleine unterwegs) ließ diese Weigerung gerichtlich prüfen und setzte dann durch, dass o2, der Nachfolger der VIAG Interkom auch Service-Provider zuließ.

Diese Verträge zwischen den Netzbetreibern und Service-Providern gelten im Grunde bis heute.

Viele Service-Provider sind verschwunden

Doch die riesige Zahl der Service-Provider ist geschrumpft. Die meisten Anbieter und Marken sind heute unter dem Dach der freenet AG gelandet, deren bekannteste Marken mobilcom-debitel und klarmobil sind, daneben gibt es noch freenetmobile, debitel-light, callmobile und hier und da noch Talkline, um nur einige zu nennen. Marken wie Ford-Mobiltel 2000 (bei Dekratel gelandet, die mit Unicom zur Dekraphone fusioniert hatten, später als Unicom wieder kamen und schließlich bei Talkline landeten, was von Debitel übernommen wurde) oder Axicon (mit Proficom zu Cellway fusioniert und auf mobilcom verschmolzen) oder der legendäre Provider D-Plus, (der ebenfalls bei Cellway - heute Mobilcom - landete), sind verschwunden.

Neben der freenet AG ist noch die mit 1&1 fusionierte Drillisch-Gruppe unterwegs, die seinerzeit die Marken Victor-Vox und die ursprüngliche Motorola-TelCo, spätere RSL-Com und zuletzt TelCo übernommen hatten.

LTE für Alle gibt’s nur bei o2 – mit Einschränkungen

Wir sprachen mit Benjamin Grimm, Leiter Netze und Angebote bei der Freenet AG. Wir sprachen mit Benjamin Grimm, Leiter Netze und Angebote bei der Freenet AG.
Foto: Freenet AG
Der diskriminierungsfreie Zugang für Diensteanbieter war bei 2G und 3G im Rahmen der Frequenzvergabe verpflichtend. Bei 4G wurde allerdings nicht ausdrücklich eine entsprechende Verpflichtung auferlegt. Dennoch gibt es Service-Provider, die LTE anbieten, aber nur in den sogenannten (teuren) "Netzbetreiber-Tarifen", wie sie z.B. bei mobilcom-debitel im Netz von Telekom oder Vodafone zu haben sind.

Im Gegensatz dazu steht allen Service-Providern, die im Netz von o2 unterwegs sind, LTE in allen Tarifen zur Verfügung, als Folge der europäischen Fusionsgenehmigung für E-Plus und Telefónica-o2. Allerdings bietet Telefónica im Regelfall nur 50 MBit/s an, während die o2-Tarife bis zu 225 MBit/s enthalten können, wo die Sender vor Ort schon so weit sind.

Service-Provider und 5G?

Auch bei 5G sind Service-Provider derzeit nicht sicher vorgesehen. Für die großen Netz-Anbieter ist das kein Problem. „Wenn wir uns einigen, lassen wir gerne Service-Provider mit an Bord, nur wollen wir nicht zu niedrigen regulierten Preisen dazu gezwungen werden, wir wollen freiwillige Verträge schließen“, heißt dazu bei der Deutschen Telekom. Mittlerweile hat die BNetzA die Bedingungen für die 5G-Frequenzvergabe veröffentlicht.

Auf diese Freiwilligkeit mögen sich die Service-Provider wie die freenet AG nicht verlassen. Benjamin Grimm, Leiter Netze und Angebote bei der freenet AG, wünscht sich eine offizielle Verpflichtung durch die Bundesnetzagentur, dass Service-Provider bei 5G wirklich von Anfang an mit dabei sind.

LTE für Provider nur zaghaft

Ihm steckt die LTE-Diskussion noch in den Knochen. Gerade Kunden der Tiefpreis-Discounter wie Klarmobil hatten sich immer LTE gewünscht. Nur die Netzbetreiber wie Telekom und Vodafone wollten LTE lange Zeit nicht "verramschen", sondern erlaubten LTE nur in ihren Premium-Tarifen. Erst langsam gehen die etablierten Netzbetreiber dazu über, LTE auch zu preiswerten Tarifen und Anbietern wie congstar oder otelo dazu anzubieten oder bei den „hauseigenen“ Prepaid-Angeboten, wie Telekom Magenta Start (vormals Xtra) oder Vodafone CallYa.

Nach langem Zögern kam auch klarmobil in den Genuss von LTE. Anfangs durften sie das Wort "LTE" nicht in den Mund nehmen, sondern es musste "High Speed Option" heißen. Auch diese Barriere wurde schließlich abgebaut. Wie ernst es der freenet AG ist, beweist die Internet-Seite diensteanbieterverpflichtung.de, wo nochmal die Argumente einzeln aufgelistet werden.

Vom Wettbewerb überzeugt

Für Service-Provider ist wichtig, dass die Rahmenbedingungen der kommenden 5G-Lizenzen stimmen müssen. "Wir sind vom Wettbewerb absolut überzeugt. Nur so kann der Netzausbau funktionieren", sagte Benjamin Grimm im Gespräch mit teltarif.de "Wettbewerb ist ein Innovationstreiber. Die Netzbetreiber müssen Dinge tun, zu denen sie ohne den Druck der Wettbewerber nicht gezwungen wären." Grimm warnte eindringlich davor, Service-Provider und MVNO bei den kommenden 5G-Netzen nicht ausdrücklich zu berücksichtigen. "Wenn Netzbetreiber keine ausreichende Netzauslastung und nicht genügend Kunden in ihrem Netz haben, lohnt sich die Investition in diese Netze doch gar nicht."

Als Beispiel nennt Grimm die Vermarktung von LTE, welche die Netzbetreiber zum großen Teil selbst übernommen haben: "Hier fehlt die Marktdurchdringung und Deutschland steht bei den LTE-Netzen im internationalen Vergleich schlecht da."

LTE oder kein LTE? Sind wir auf dem Weg in eine Zwei-Klassen-Gesellschaft?

In detektivischer Kleinarbeit hat die freenet AG die Zahl der LTE-Nutzer in Deutschland zusammengetragen.

Nach dem Quartalsbericht der Deutschen Telekom können 11,2 Millionen Kunden LTE nutzen, das entspricht einer Quote von 26,2 Prozent (100 Prozent = 42,7 Mio. Mobilfunkkunden im Netz der Telekom).

Bei Vodafone liegen keine offiziellen Zahlen vor, durch zur Telekom vergleichbares Verhalten von Vodafone bei den Tarifen und Konditionen, nimmt freenet an, dass die Zahl ebenfalls bei etwa 26,2 Prozent liegt. Vodafone hat insgesamt eine Zahl von 46,3 Millionen geschalteter Karten inkl. Service-Provider und Maschine-zu-Maschine-(M2M)-Kunden.

Die Telefónica (o2) nennt in ihrem Quartalsbericht Q1/18 eine Zahl von 16,9 Mio. LTE-Kunden, das entspricht einer Quote von 37,4 Prozent, im o2-Netz sind insgesamt 45,2 Millionen Mobilfunkkunden nach „marktvergleichbarer Zählung“.

Zählt man das alles gewichtet zusammen, kommt die freenet AG auf etwa 30 Prozent (von insgesamt 134,2 Millionen geschalteten Karten). Eine aktuelle Studie von tefficient zieht ähnliche Schlüsse und kommt für Deutschland auf ca. 33 Prozent.

Da nur ein knappes Drittel der Mobilfunkkunden LTE nutzen kann, stellt sich Grimm die rhetorische Frage, "was eine LTE-Abdeckung von 94 und mehr Prozent bringen soll, wenn ein Großteil der Kunden das Netz nicht nutzen kann?" Wenn zwei Drittel der Kunden eines Netzes nur UMTS (mit einer deutschlandweiten Abdeckung von weniger als 85 Prozent) nutzen können, sollte man bei Beschwerden von Verbrauchern über schlechte Netze auch nachfragen, ob diese Kunden überhaupt LTE nutzen.

"Es besteht die Gefahr einer Zwei-Klassen-Gesellschaft: Die einen Kunden können sich das beste neue Smartphone mit dem teuren Netzbetreibertarif samt LTE leisten, die anderen Kunden haben nur einen Vertrag beim Discounter oder Service-Provider ohne LTE." Und spricht den entscheidenden Satz: "Für unter 30 Euro bekommen Sie im Netzbetreiber-Portfolio keinen vernünftigen Tarif."

Dieses Szenario werde sich bei 5G nicht verbessern, wenn ausschließlich die Netzbetreiber 5G vermarkten dürfen, weil es zu keinen vertraglichen Regelungen zwischen Providern und Netzbetreibern kommt.

Auch Service-Provider sind am Netzausbau beteiligt

Netzbetreiber werfen ihrer "virtuellen" Konkurrenz oft vor, sich nicht am Netzausbau zu beteiligen. Das lässt Grimm nicht gelten. "Wenn jemand sagt, dass wir Service-Provider keine Netze ausbauen, hat er nur auf den ersten Blick recht. Wir beteiligen uns (indirekt) stark am Netzausbau, denn alleine wir als freenet AG zahlen für die Netznutzung jedes Jahr mehr als eine Milliarde Euro an die drei Netzbetreiber. Hinzu kommen die Gelder von anderen Service-Providern und virtuellen Netzbetreibern. Wir zahlen also genauso in den Netzausbau ein, wie es die direkten Kunden der Netzbetreiber auch tun. Das ist leider vielen gar nicht bewusst. Es stimmt einfach nicht, dass wir Service-Provider uns ins gemachte Bett legen und dafür nichts zahlen."

Noch weiß keiner genau, welche Dienste im 5G-Netz möglich sein werden. "Ich denke, das perfekte Geschäftsmodell hat noch niemand." Im direkten Endkundengeschäft gebe es heute noch keinen Bedarf, 5G-Tarife und Dienste anzubieten – und in der Tat macht das Geschäft mit privaten Endkunden ein Großteil der Tätigkeit der freenet AG aus. Genauso klar ist für Grimm, dass das neue Netz Angebote ermöglichen kann, wofür die heutigen Netze nicht ausgelegt sind. Das könnten Smart-Home-Produkte mit Sensoren (IoT) oder extrem kurze Latenzzeiten sein.

Unklar ist auch, wie weit Service-Provider im 5G-Netz eigene Dienste ohne Vorleistungen der Netzbetreiber umsetzen können, wenn es keine Diensteanbieterverpflichtung gibt.

Kein eigenes Netz - kein Mitbieten

In den Think Tanks von freenet war schon einmal über die Idee diskutiert worden, sich aktiv an der Versteigerung der 5G-Lizenzen zu beteiligen. Dazu hatte man erfahrene Experten und Berater befragt. Die erste Reaktion: „Ja klar. Das geht. Kein Problem.“ Bei näherem Hinschauen wurde aber schnell klar, dass die zur Versteigerung stehenden Frequenzen für ein eigenständiges und flächendeckendes Netz mehr als ungeeignet sind.

Damit müsste man sich hochgradig vom National Roaming abhängig machen, das bisher nicht geregelt ist. Würde ein neuer Netzbetreiber auftauchen, würde freenet gerne auch bei diesem passende Leistungen einkaufen, kündigte Grimm an.

Eine Einschätzung:

In Deutschland gibts eine Spaltung in LTE-Nutzer und Nicht-LTE-Nutzer. Diese zweite Gruppe besteht aus Kunden, die LTE nicht nutzen können, weil ihr Tarif das nicht hergibt oder weil deren Handy kein LTE kann. Bleiben viele Kunden, deren Handy zwar LTE könnte, die aber nicht wissen, dass man dafür eine gesonderte Freischaltung oder eine neuere SIM-Karte braucht oder einen anderen (teureren) Tarif oder eine Option buchen muss.

Da im o2-Netz, wo LTE generell in allen Tarifen möglich ist, auch nicht alle Kunden LTE nutzen, wird schnell klar: Die Zahl der verkauften LTE-Geräte ist noch viel zu gering. Die Kunden wissen noch gar nicht, was LTE ist oder finden es nicht wichtig. Will man die Penetrationsrate mit LTE erhöhen, müsste man LTE-Geräte entweder massiv subventionieren und wenigstens bewerben. Das kann noch kommen, spätestens wenn in einigen Jahren 3G (UMTS) und irgendwann auch 2G (GSM/GPRS) in den Netzen komplett abgeschaltet werden.

Den Netzbetreibern sind die Service-Provider unheimlich, da diese - um überleben zu können - hohe Rabatte fordern und ihre Zielgruppe vor allen Dingen bei preisbewussten Kunden sehen und damit die Rendite, sprich die Chance, "genügend" Geld für den Netzausbau und für die Anteilseigener zu verdienen, erschweren. Anderseits erreichen Service-Provider auch Zielgruppen, welche niemals den Shop eines Netzbetreibers betreten würden. Wo Provider alle Netze im Angebot haben, können sie den Kunden besser beraten und zufriedene Kunden sind treue Kunden.

Virtuelle Netzbetreiber mit eigener Vermittlung bilden in Deutschland eher eine kleine Nische und bedienen Spezialkundschaft wie sipgate (kreative, internetbasierte Telefon-Dienste), Truphone (internationale Vielreisende) oder Lycamobile (Ethno-Zielgruppe). Die klassischen Service-Provider haben verständliche Angst, ohne eine explizite Erwähnung in den künftigen Lizenzbestimmungen schnell an die Wand gedrückt zu werden.

Auf freiwillige Vereinbarungen mit den Netzbetreibern will man sich nicht so gerne verlassen, weil die im Zweifelsfall problematisch und am Ende teuer werden könnten und die eigene preisbewusste Kundschaft und die eigenen Anteilseigner daran wenig Freude hätten. Andersrum: Regulierte Preise sollten aber eigentlich nur die Ultima Ratio sein, normalerweise sollten sich Preise aus Angebot und Nachfrage bilden.

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