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freenet: Diensteanbieter wollen bei 5G dabei sein

Der Begriff Diensteanbieter ist wenigen geläufig. Das englische "Service-Provider" schon. Wie wichtig es ist, in der 5G-Lizenz verpflichtend enthalten zu sein, hat uns Benjamin Grimm von der freenet AG erklärt.
Mit Benjamin Grimm sprach

In detektivischer Kleinarbeit hat die freenet AG die Zahl der LTE-Nutzer in Deutschland zusammengetragen.

Nach dem Quartalsbericht der Deutschen Telekom können 11,2 Millionen Kunden LTE nutzen, das entspricht einer Quote von 26,2 Prozent (100 Prozent = 42,7 Mio. Mobilfunkkunden im Netz der Telekom).

Bei Vodafone liegen keine offiziellen Zahlen vor, durch zur Telekom vergleichbares Verhalten von Vodafone bei den Tarifen und Konditionen, nimmt freenet an, dass die Zahl ebenfalls bei etwa 26,2 Prozent liegt. Vodafone hat insgesamt eine Zahl von 46,3 Millionen geschalteter Karten inkl. Service-Provider und Maschine-zu-Maschine-(M2M)-Kunden.

Die Telefónica (o2) nennt in ihrem Quartalsbericht Q1/18 eine Zahl von 16,9 Mio. LTE-Kunden, das entspricht einer Quote von 37,4 Prozent, im o2-Netz sind insgesamt 45,2 Millionen Mobilfunkkunden nach „marktvergleichbarer Zählung“.

Zählt man das alles gewichtet zusammen, kommt die freenet AG auf etwa 30 Prozent (von insgesamt 134,2 Millionen geschalteten Karten). Eine aktuelle Studie von tefficient zieht ähnliche Schlüsse und kommt für Deutschland auf ca. 33 Prozent.

Da nur ein knappes Drittel der Mobilfunkkunden LTE nutzen kann, stellt sich Grimm die rhetorische Frage, "was eine LTE-Abdeckung von 94 und mehr Prozent bringen soll, wenn ein Großteil der Kunden das Netz nicht nutzen kann?" Wenn zwei Drittel der Kunden eines Netzes nur UMTS (mit einer deutschlandweiten Abdeckung von weniger als 85 Prozent) nutzen können, sollte man bei Beschwerden von Verbrauchern über schlechte Netze auch nachfragen, ob diese Kunden überhaupt LTE nutzen.

"Es besteht die Gefahr einer Zwei-Klassen-Gesellschaft: Die einen Kunden können sich das beste neue Smartphone mit dem teuren Netzbetreibertarif samt LTE leisten, die anderen Kunden haben nur einen Vertrag beim Discounter oder Service-Provider ohne LTE." Und spricht den entscheidenden Satz: "Für unter 30 Euro bekommen Sie im Netzbetreiber-Portfolio keinen vernünftigen Tarif."

Dieses Szenario werde sich bei 5G nicht verbessern, wenn ausschließlich die Netzbetreiber 5G vermarkten dürfen, weil es zu keinen vertraglichen Regelungen zwischen Providern und Netzbetreibern kommt.

Auch Service-Provider sind am Netzausbau beteiligt

Netzbetreiber werfen ihrer "virtuellen" Konkurrenz oft vor, sich nicht am Netzausbau zu beteiligen. Das lässt Grimm nicht gelten. "Wenn jemand sagt, dass wir Service-Provider keine Netze ausbauen, hat er nur auf den ersten Blick recht. Wir beteiligen uns (indirekt) stark am Netzausbau, denn alleine wir als freenet AG zahlen für die Netznutzung jedes Jahr mehr als eine Milliarde Euro an die drei Netzbetreiber. Hinzu kommen die Gelder von anderen Service-Providern und virtuellen Netzbetreibern. Wir zahlen also genauso in den Netzausbau ein, wie es die direkten Kunden der Netzbetreiber auch tun. Das ist leider vielen gar nicht bewusst. Es stimmt einfach nicht, dass wir Service-Provider uns ins gemachte Bett legen und dafür nichts zahlen."

Noch weiß keiner genau, welche Dienste im 5G-Netz möglich sein werden. "Ich denke, das perfekte Geschäftsmodell hat noch niemand." Im direkten Endkundengeschäft gebe es heute noch keinen Bedarf, 5G-Tarife und Dienste anzubieten – und in der Tat macht das Geschäft mit privaten Endkunden ein Großteil der Tätigkeit der freenet AG aus. Genauso klar ist für Grimm, dass das neue Netz Angebote ermöglichen kann, wofür die heutigen Netze nicht ausgelegt sind. Das könnten Smart-Home-Produkte mit Sensoren (IoT) oder extrem kurze Latenzzeiten sein.

Unklar ist auch, wie weit Service-Provider im 5G-Netz eigene Dienste ohne Vorleistungen der Netzbetreiber umsetzen können, wenn es keine Diensteanbieterverpflichtung gibt.

Kein eigenes Netz - kein Mitbieten

In den Think Tanks von freenet war schon einmal über die Idee diskutiert worden, sich aktiv an der Versteigerung der 5G-Lizenzen zu beteiligen. Dazu hatte man erfahrene Experten und Berater befragt. Die erste Reaktion: „Ja klar. Das geht. Kein Problem.“ Bei näherem Hinschauen wurde aber schnell klar, dass die zur Versteigerung stehenden Frequenzen für ein eigenständiges und flächendeckendes Netz mehr als ungeeignet sind.

Damit müsste man sich hochgradig vom National Roaming abhängig machen, das bisher nicht geregelt ist. Würde ein neuer Netzbetreiber auftauchen, würde freenet gerne auch bei diesem passende Leistungen einkaufen, kündigte Grimm an.

Eine Einschätzung:

In Deutschland gibts eine Spaltung in LTE-Nutzer und Nicht-LTE-Nutzer. Diese zweite Gruppe besteht aus Kunden, die LTE nicht nutzen können, weil ihr Tarif das nicht hergibt oder weil deren Handy kein LTE kann. Bleiben viele Kunden, deren Handy zwar LTE könnte, die aber nicht wissen, dass man dafür eine gesonderte Freischaltung oder eine neuere SIM-Karte braucht oder einen anderen (teureren) Tarif oder eine Option buchen muss.

Da im o2-Netz, wo LTE generell in allen Tarifen möglich ist, auch nicht alle Kunden LTE nutzen, wird schnell klar: Die Zahl der verkauften LTE-Geräte ist noch viel zu gering. Die Kunden wissen noch gar nicht, was LTE ist oder finden es nicht wichtig. Will man die Penetrationsrate mit LTE erhöhen, müsste man LTE-Geräte entweder massiv subventionieren und wenigstens bewerben. Das kann noch kommen, spätestens wenn in einigen Jahren 3G (UMTS) und irgendwann auch 2G (GSM/GPRS) in den Netzen komplett abgeschaltet werden.

Den Netzbetreibern sind die Service-Provider unheimlich, da diese - um überleben zu können - hohe Rabatte fordern und ihre Zielgruppe vor allen Dingen bei preisbewussten Kunden sehen und damit die Rendite, sprich die Chance, "genügend" Geld für den Netzausbau und für die Anteilseigener zu verdienen, erschweren. Anderseits erreichen Service-Provider auch Zielgruppen, welche niemals den Shop eines Netzbetreibers betreten würden. Wo Provider alle Netze im Angebot haben, können sie den Kunden besser beraten und zufriedene Kunden sind treue Kunden.

Virtuelle Netzbetreiber mit eigener Vermittlung bilden in Deutschland eher eine kleine Nische und bedienen Spezialkundschaft wie sipgate (kreative, internetbasierte Telefon-Dienste), Truphone (internationale Vielreisende) oder Lycamobile (Ethno-Zielgruppe). Die klassischen Service-Provider haben verständliche Angst, ohne eine explizite Erwähnung in den künftigen Lizenzbestimmungen schnell an die Wand gedrückt zu werden.

Auf freiwillige Vereinbarungen mit den Netzbetreibern will man sich nicht so gerne verlassen, weil die im Zweifelsfall problematisch und am Ende teuer werden könnten und die eigene preisbewusste Kundschaft und die eigenen Anteilseigner daran wenig Freude hätten. Andersrum: Regulierte Preise sollten aber eigentlich nur die Ultima Ratio sein, normalerweise sollten sich Preise aus Angebot und Nachfrage bilden.

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