Verbrüdert

Editorial: Seltsame Allianzen im Patent-Krieg

Microsoft und Apple gemeinsam gegen Google
Von

Das Patentproblem betrifft übrigens nicht nur die Tk-Branche, sondern zum Beispiel auch die Medizin. Die Pharmakonzerne verlangen für patentgeschützte Medikamente fast ausnahmslos absurd hohe Preise. Als Beispiel sei das bekannte Männermedikament "Viagra" genannt, das es seit einigen Monaten dank ausgelaufener Patente auch als Generikum zu kaufen gibt. Nicht nur ist laut "Medizinfuchs" eine Großpackung Duraviril über 60 Prozent günstiger als eine Standardpackung Viagra - in der Großpackung von Duraviril sind trotz des günstigeren Preises dreimal mehr Tabletten drin. Dem Namen "Dura" macht das Medikament folglich nicht nur entsprechend der bekannten Wirkung, sondern auch bezüglich der längeren Haltbarkeit der Packung alle Ehre. Übrigens mischt auch Pfizer, der Originalhersteller, selber kräftig im Generika-Markt mit: Wer zum Originalpreis für eine 4er-Packung nochmal 33 Prozent drauflegt, bekommt dafür 500 Prozent mehr Pillen. Auch kein schlechter Deal.

Übrigens: Viagra/Sildenafil gilt als Zufallsfund. Das Medikament wurde eigenltich für einen ganz anderen Einsatzzweck entwickelt, nämlich die Verbesserung der Durchblutung des Herzens. Dass es die Durchblutung auch an anderer Stelle verbessert, war eine Nebenwirkung, die erst im Verlauf der Zulassungsstudien zur Hauptwirkung erklärt wurde. Der aktive Komplex von Viagra ist bekannt, es war (mindestens) zwei Pharmakonzernen möglich, recht schnell Medikamente gleicher Wirkung, aber chemisch anderem Wirkstoff auf den Markt zu bringen. Freilich gingen diese Konkurrenten trotz wesentlich vereinfachter Wirkstoffsuche (man wusste ja bereits, wie das aktive Zentrum auszusehen hat!) mitnichten mit günstigerem Preis in den Markt, sondern erlangten ihrerseits jeweils Patentschutz, und schickten dann die Pharmavertreter auf die Reise, die Ärzte zu überzeugen, im Fall des "männlichen Versagens" doch besser ihre Variante zu verschreiben. Medikament 2 soll länger wirken als Viagra (Stichwort: "Wochenendpille"), Medikament 3 nach der Einnahme am schnellsten zur Wirkung kommen.

Weil es für Medikamente 2 und 3 noch keine legalen Generika hierzulande erhältlich sind, sehr wohl aber in Indien, die Pharmapatente größtenteils ablehnen, und zudem für Medikament 1 die Generika in Indien nochmals erheblich weniger kosten als hierzulande, lohnt sich das Geschäft für die Pharma-Schmuggler auch weiterhin. Der Viagra-Spam wird also auch künftig die E-Mail-Inboxen füllen.

Aber die Pharmabranche kann noch mehr, als überteuerte Lifestyle-Medikamente verkaufen: Jüngst hat der Medizinhersteller Genzyme das erfolgreich eingeführte Medikament MabCampath mit dem Wirkstoff Alemtuzumab, das für die Behandlung einer sehr speziellen Form von Blutkrebs (Leukämie) zugelassen war, nicht etwa aus medizinischen, sondern aus rein kommerziellen Gründen vom Markt genommen. Denn zugleich hat sich der Hersteller um die Zulassung für ein Medikament mit demselben Wirkstoff, jedoch viel geringerer Wirkstoffmenge pro Einheit, vermutlich aber in etwa gleichem Preis pro Einheit, für die Behandlung von Multipler Sklerose unter dem Handelsnamen Lemtrada bemüht, und diese etwa ein Jahr nach der genannten Rücknahme auch erhalten. Nun ist MS viel häufiger als "Leukämie in der Unterform CLL mit defektem TP53-Tumorsuppressor-Gen", und entsprechend gut sind die Verdienstaussichten. Jedoch könnten die MS-Patienten vergleichsweise kostengünstig versorgt werden, wenn die MabCampath-Einzeldosen (die für die Krebs-Behandlung viel höher sein müssen als für die MS-Behandlung) entsprechend aufgeteilt werden. Genzyme gibt laut Wikipedia auch recht offen zu, genau das mit der Rücknahme von MabCampath verhindern zu wollen.

Patent-Optimierung auf den Profit

Nein, ich habe kein Interesse, die Berichterstattung auf teltarif auf "Pharmatarife" auszuweiten. Die vorgenannten Beispiele sollen nur aufzeigen, welche Fehlanreize das aktuelle Patentsystem schafft. Erforscht wird nicht, was maximal hilft, sondern, womit sich maximal Geld verdienen lässt. Das Problem lässt sich nicht lösen, aber sicher abmildern, indem man der internationalen Gemeinschaft das Recht gibt, den Konzernen wichtige Patente für einen "vernünftigen" Preis abzukaufen. Also einen, der die Entwicklungskosten vielfach abdeckt und den beteiligten Forschern und Erfindern ein sorgenfreies Leben bis ans Lebensende ermöglicht. Der aber dennoch ebenfalls um Faktoren unter dem liegt, was die Patentverwerter inzwischen aus einzelnen Patenten herausholen, zu Lasten der Gemeinschaft.

Weitere Editorials