Ausprobiert

Tief im Odenwald: 5G-SA auf 700 MHz von Vodafone

Ober-Mossau im Oden­wald­kreis schreibt Mobil­funk­geschichte: Dort sendet Voda­fone auf 700 MHz mit 5G-Stand Alone. Auch die Telekom liefert 5G, jedoch "nur" DSS und NSA.
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Der kleine Ort 64756 Ober-Mossau (Gemeinde Mossautal im Oden­wald­kreis in Hessen) hat 501 Einwohner (Stand 2011). Ihn könnten Bier­freunde kennen, dort wird das in der Oden­wald-Region popu­läre Schmu­cker Bier gebraut. Auf dem Dach der Schmucker-Brauerei in Ober-Mossau sendet Vodafone im Band n78 mit 5G-SA (und nicht die Telekom wie zunächst vermutet) Auf dem Dach der Schmucker-Brauerei in Ober-Mossau sendet Vodafone im Band n78 mit 5G-SA (und nicht die Telekom wie zunächst vermutet)
Foto: Henning Gajek / teltarif.de

5G-SA für 501 Einwohner

Auf dem Gebäude der Schmu­cker-Brauerei steht eine Mobil­funk­anlage. Da sie ohne Richt­funk­schüs­seln auskommt, bestand zunächst die Vermu­tung, dass es die Telekom sei. Das ist aber diesmal nicht der Fall, hier sendet Voda­fone und zwar mit 5G-SA auf 700 MHz (Band n28)

Die zweite Beson­der­heit dieses Stand­ortes: Dieser Sender strahlt 5G aus, und zwar nicht nur in der übli­chen 5G-NSA Tech­nologie (NSA = Non Stand Alone), sondern auch in der "wahren 5G-Technik, dem 5G-SA (SA = Stand-Alone). Dann arbeitet der 5G-Sender "alleine" und ist direkt mit einem "Core", dem Kern­rechen­zen­trum verbunden. Hilfe von der 4G-Abtei­lung ist dann nicht mehr notwendig - bis auf eine wich­tige Ausnahme, zu der wir gleich noch kommen.

Telekom, Telefónica und "andere" senden vom Berg

Schaut man auf das Schmu­cker-Gebäude, dreht sich dann um 180 Grad und schaut grob in Rich­tung Süd-Osten auf die Hügel­kette, sieht man einen weiß-grauen-Schleu­der­beton-Mast, der von einer "Stimm­gabel"-Antenne gekrönt wird, wie sie die Kollegen der BDBOS (digi­taler Behör­den­funk) gerne verwenden. Ob es sich um einen solchen Standort handelt, darf man gar nicht wissen, weil diese Stand­orte als "geheim" gelten. Auf der Mossauer Höhe steht der Beton-Turm. Oben die Stimmgabel-Antenne, darunter Antennen von Telekom und Telefónica (o2). Auf der Mossauer Höhe steht der Beton-Turm. Oben die Stimmgabel-Antenne, darunter Antennen von Telekom und Telefónica (o2).
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Daneben sind auf dem Mast weitere Antennen montiert, die von Telekom und Telefónica (o2) betrieben werden.

Am Anfang war 5G-SA noch nicht fertig

Zum Start von 5G war diese SA-Tech­nologie noch nicht fertig defi­niert und verfügbar, und somit verfiel man beim Normungs-Gremium 3GPP auf die Über­gangs­lösung "5G-NSA", wo das 4G-Netz sozu­sagen dem 5G-Sender hilft, der schon in "NR"-Technik (NR = New Radio) sendet. Da zu Beginn die Zahl der 5G-Nutzer sehr über­schaubar war, kam dann noch 5G-DSS ins Spiel, wobei DSS für "Dynamic Spec­trum Sharing" steht, einem Misch­betrieb von 4G und 5G.

Inzwi­schen gibt es 5G-SA, doch die Netz­betreiber taten sich damit zunächst etwas "schwer". Es gäbe keine Endge­räte und außerdem fast keinen "Use-Case" (Anwen­dungs­fall), so hieß es.

Voda­fone war Vorreiter

Voda­fone traute sich trotzdem und schal­tete die SA-Funk­tion ("Core Option") auf Kunden­wunsch frei. Doch so einfach, wie es sich anhört, ist es nicht. Man braucht etwas Enga­gement und Inter­esse und man muss ein Endgerät finden, was 5G-SA im Netz von Voda­fone unter­stützt.

Nicht jedes Gerät mit jeder Soft­ware kann es derzeit

Der aktu­elle Stand ist in der Android-Welt, dass das 5G-SA-Gerät bei Voda­fone gekauft werden sollte, weil ein bestimmter Soft­ware-Stand notwendig ist, den über Voda­fone verkaufte Geräte haben, bei "freien" Geräten ist das wohl nicht sicher.

Aktuell gibt es Geräte von Samsung, Xiaomi und Oppo, die schon so weit sind. Auch das reicht noch nicht aus: Man braucht eine spezi­elle SIM-Karte, die auf den netten Namen "SUCI-SIM" hört. Das steht für "Subscrip­tion Conce­aled Iden­tifier". Bei der Erst­anmel­dung im Netz wird die Iden­tität, die bisher IMSI (Inter­national Mobile Station Iden­tifier) hieß und jetzt SUPI (Subscrip­tion Perma­nent Iden­tifier) heißt, verschlüs­selt - und heraus­kommt SUCI.

Apple schaltet iPhone 13 mit Update auf iOS 15.4 frei

5G-Anzeige im Elektro-Auto. Die Zukunft ist schon da. 5G-Anzeige im Elektro-Auto. Die Zukunft ist schon da.
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Wer in der Apple-Welt (iOS) unter­wegs ist, hat es deut­lich einfa­cher, denn seit dem Update auf iOS 15.4 "verstehen" alle iPhones der aktu­ellen 13er-Serie (Mini, "Stan­dard", Pro und Pro Max) die 5G-SA-Tech­nologie auf Band n28 (700 MHz).

Der Weg zur Nutzung

Wer schon Kunde bei Voda­fone ist und die korrekte SUCI-SIM bereits besitzt, kann mit Hilfe der "Mein Voda­fone App" diesen Dienst, den Voda­fone "5G+" getauft hat, kosten­frei dazu­buchen. Es ist dabei egal, ob das eine diskrete (Plastik-)SIM-Karte oder eine elek­tro­nisch ladbare eSIM ist. In das iPhone 13 (in allen Vari­anten) können bis zu zehn eSIM geladen werden (plus eine Plastik-SIM im Nano-Format). Zu einer Zeit können ein oder zwei SIM-Karten auf Empfang sein, egal ob zwei eSIM oder eine eSIM plus die Plastik-SIM. Das iPhone 13 hat nur einen analogen Schacht für Plastik-SIM-Karten.

Die eSIM kam per QR-Code, dazu wird eine Geheim­zahl mitge­lie­fert, die bei der Instal­lation der eSIM einmal benö­tigt wird. Somit war die Akti­vie­rung im Hand­umdrehen erfolgt, nun muss der Anwender noch einen eigenen Namen für die eSIM-Karte im iPhone-Setup vergeben (sofern man nicht einen vorge­geben wie "Geschäft", "Privat", "Reise" etc. verwenden möchte).

Direkt nach der Ankunft: Es geht nicht?

Am frühen Morgen gestartet nach Ober-Mossau: Der Mobil­funk-Sende­turm ist weithin zu sehen, doch das iPhone 13 bleibt bei 4G. Nun also die SIM-Karte mit dem Konkur­renz­netz deak­tiviert und unter Einstel­lungen - 5G auf "akti­viert" gestellt: Das 5G-Symbol erschien wenige Sekunden und war wieder weg.

Keine 5G-SA-Anzeige - der Netz­monitor hilft

Der Beweis in Zeile 4: "Connection type SA", das Band in Zeile 1. Der Beweis in Zeile 4: "Connection type SA", das Band in Zeile 1.
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Eine Infor­mation ist wichtig: Es gibt keine Stan­dard-Anzeige im Handy, die das Vorhan­den­sein oder die Nutzungs­mög­lich­keit von NSA oder SA anzeigt. Es gibt dort nur eine "5G"-Anzeige.

Apple Fans wissen, dass ein "Anruf" der merk­wür­digen Tasten­folge *3001#12345#* den Netz­monitor, der in jedem iPhone inte­griert ist, frei­gibt. Der Monitor zeigte zunächst nur 4G an. Das blieb auch so, als wir quasi vor dem Sende-Turm in Sicht­weite standen.

Gedulds­spiel

Der Beweis: Frequenzband n28 (Zeile 9) auf 700 MHz, für Sender-Sammler ist die cell_id (Zeile 2) noch interessant. Der Beweis: Frequenzband n28 (Zeile 9) auf 700 MHz, für Sender-Sammler ist die cell_id (Zeile 2) noch interessant.
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Etwas enttäuscht wurde die Telekom-SIM-Karte akti­viert, 5G war sofort da. 5G von der Telekom mit 5G-DSS offenbar von dem Sende­mast auf der Brauerei. Zurück zu Voda­fone - und nach etwas Herum­spielen tauchte endlich das erhoffte 5G-Symbol auch bei Voda­fone auf und blieb. Der Netz­monitor zeigt Band 28, also 700 MHz, und weitere Para­meter verraten, dass es sich um 5G-Stand-Alone handelt.

Trotz 5G-SA: 4G wird noch gebraucht

Auch während Sprach-Tele­fonaten über das Voda­fone-Netz bleibt die Anzeige "5G" erhalten, dabei schaltet das Telefon in diesem Falle auf 4G/VoLTE zurück, denn 5G-VoNR (Voice over New Radio/5G) gibts bei Voda­fone noch nicht. Also ist das 4G-Netz noch eine Zeit­lang notwendig, wenn man Sprach­tele­fonie gebrau­chen und nicht auf OTT-Messenger oder andere SIP-Anbieter wech­seln möchte.

Der Speed­test - wie erwartet

Speedtest mit 5G-SA auf 700 MHz. Die Werte liegen im erwartbaren Rahmen, recht gut ist der Upload. Speedtest mit 5G-SA auf 700 MHz. Die Werte liegen im erwartbaren Rahmen, recht gut ist der Upload.
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Ein Speed­test ergab eine Ping­zeit von 20 ms, einem Jitter von 2,9 ms, einen Paket­ver­lust von 3,3 Prozent und einen Down­stream von etwa 60 MBit/s, gegen­über einem Upload von etwa 33 MBit/s. Verwendet wurde die Speed­test-Soft­ware von Ookla, die einen Server der FS IT-Systeme UG in Frank­furt am Main anpingte. Die derzeit erziel­baren Geschwin­dig­keiten sind nicht so hoch wie bei LTE oder 5G-NSA, weil bei 5G-SA derzeit noch keine Carrier "aggre­giert" (laien­haft: zusam­men­geklebt) werden können, diese Technik steht aber schon in den Start­löchern.

5G-SA-Anwen­dungen gesucht

5G-SA wird seine Stärken auch bei Privat-Nutzern ausspielen, die gerne Spiele spielen (Gamer), wo es auf schnelle Reak­tionen ankommt, oder bei Anwen­dungen, wo virtu­elle oder Augmented Reality eine Rolle spielt.

Das können Infor­mati­ons­sys­teme sein, wo man eine Sehens­wür­dig­keit (z.B. eine Kirche) foto­gra­fiert und dann vom "Netz" die fehlenden Infor­mationen zu dieser Kirche (Baujahr, Bauherr, Sehens­wür­dig­keiten, Geschichte etc.) nach­gelie­fert bekommt.

Mit Augmented Reality könnten Service-Tech­niker zu tun bekommen, die über eine Video-Brille eine Anlei­tung zur Repa­ratur eines Gerätes bekommen, das sie vorher viel­leicht noch nie gesehen haben. Ein "Video-Coach" könnte über Mobil­funk verbunden sein und dann genaue Anwei­sungen geben, oder man disku­tiert mit Kunden, Liefe­ranten oder Experten über die aktu­elle Lage vor Ort. Denkbar wäre auch, dass ein Roboter-Fahr­zeug in einen gefähr­lichen Bereich vordringt und Bilder vom Geschehen liefert, die mit Infor­mationen ange­rei­chert werden und Lösungen ergeben, um die Gefahr zu besei­tigen.

Mit 5G-SA ist Voda­fone der Zukunft noch ein wenig voraus, aber eins ist schon heute klar: Es ist ein massiver Netz­ausbau notwendig.

Wie weit reicht 700 MHz?

Mobil­funk auf 700 MHz hat rein physi­kalisch eine größere Reich­weite als bei 3600, 2600, 2100 oder 1800 MHz. Die Reich­weite von 700 MHz im Mossautal fanden wir enttäu­schend, nach ca. 3-4 km Fahrt verschwand bereits das 5G-Signal und wurde durch 4G ersetzt. Nach weiteren Kilo­metern im Orts­teil "Hüttental" gab es nur noch E für Edge.

Was können wir also sagen?

Ja, 5G-SA gibt es und es funk­tio­niert bei Voda­fone beispiels­weise mit einem iPhone 13, wenn auch nicht gleich auf Anhieb. "Beim aller­ersten Mal" tun sich die betei­ligten Systeme noch etwas "schwer", was auch von Technik-Kennern bestä­tigt wird. Da braucht es Geduld.

Im Augen­blick sind wir Pionier­kunden und können eigene Erfah­rungen damit machen, was geht und wie es geht. Ob der Strom­ver­brauch durch 5G-SA spürbar sinkt, können wir nicht sagen, da der Test­sender etwa in 30 km Entfer­nung steht und für verwert­bare Aussagen ein längerer Aufent­halt vor Ort notwendig wäre.

Und in Zukunft?

In abseh­barer Zukunft könnte sich 5G-SA weiter durch­setzen und rein theo­retisch eines Tages auch 5G-NSA ablösen, beson­ders wenn dann VoNR (Tele­fonie über 5G) in den Netzen gene­rell verfügbar ist. Die Vorteile von 5G-SA sind prin­zip­bedingt gerin­gere Ping­zeiten, wobei sich 20 ms auch in 4G-LTE oder 5G-NSA-Netzen erzielen lassen, je nach Standort und Netz­last.

Telekom und Telefónica senden eben­falls bereits an ausge­wählten Stand­orten mit 5G-SA, geben diese Funk­tion aber für Privat­kunden im Augen­blick noch nicht frei. Arg lange kann das nicht mehr dauern.

Bis das alles rund läuft, wird es viele Sender, Sender und noch­mals Sender brau­chen. Eine gute Lösung ist "MOCN", was die Telekom zusammen mit Voda­fone gestartet hat und bald auch Telefónica (o2) mit einbe­ziehen wird. Viel­leicht kommt später auch noch 1&1 hinzu, wer weiß.

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