Mobilfunk-Versorgung

Funklöcher mit Femtozellen stopfen - ein Modell in England

Die englische Politik will durch die Pflicht zu "National Roaming" in England die Netzversorgung spürbar verbessern. Noch sind Netzbetreiber skeptisch. Der Betreiber EE stellt unterdessen einen kreativen Ansatz vor.
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Funkversorgung per Femtozelle in Großbritannien Funkversorgung per Femtozelle in Großbritannien
Bild: EE
Nutzer in Großbritannien, wo es - wie in Deutschland - GSM-Netze seit etwa 1991/92 gibt, klagen selbst heute noch über zahlreiche Versorgungslöcher, die bisher nie mit Mobilfunk gestopft wurden. Das hat die britische Politik inspiriert, die Netzbetreiber in die Pflicht zu nehmen, notfalls durch Einsatz von "National Roaming" endlich landesweit zu versorgen. Sprich: Wenn an einem Ort Anbieter A nicht versorgt, aber Anbieter B, dann soll B gezwungen werden, die Kunden von A in sein Netz hineinzulassen und umgekehrt. Diese Regel gilt weltweit bislang nur bei Notrufen (112 oder 911), jedoch nicht für normale Verbindungen.

Die Reaktion führender Mobilfunk-Manager auf diesen Vorstoß soll drastisch gewesen sein, berichten Eingeweihte. Nicht alle Anbieter reagierten so empfindlich, im Gegenteil. Der britische Netzbetreiber EE (Everything Everywhere), hervorgegangen aus der Fusion von T-Mobile UK und Orange UK hat ein Modell vorgestellt, wie man zu bezahlbaren Kosten auch die Provinz besser erschließen könnte.

Als Pilotprojekt wurde der winzige Ort Sebergham, Cumbria bei Carlisle in Schottland ausgewählt. Diese Ort ist so klein, dass man ihn kaum auf einer Karte findet. Für die 437 Einwohner ist es das erste Mal überhaupt, dass sie Mobilfunkversorgung bekommen. Der örtliche Kneipier rechnet vor, dass seine Gäste nicht mehr das Lokal verlassen brauchen, wenn sie telefonieren, eine E-Mail lesen, etwas arbeiten oder im Internet nachschauen wollen. Kurz gesagt, es wird die "Wirtschaft" im wahrsten Sinne des Wortes beleben.

Konzept von EE: Femtozelle statt Sendeturm

Im Gegensatz zum sonst üblichen Netzausbau mittels hoher Sendetürme hat EE ein ganz anderes Konzept gewählt. Femtozellen werden außen an vorhandene Gebäude montiert, jede Zelle ist über eine Richtfunkverbindung mit der nächsten Zelle verbunden. Über weitere Richtfunkverbindungen wird am Ende der nächste Netzknotenpunkt angesteuert, wo bereits ein schneller Zugang (z.B. per Glasfaser) vorhanden ist. Der Reiz der ganz Aktion ist der Preis: Ein Netzausbau in der tiefen Provinz lässt sich so weitaus günstiger als bisher realisieren.

Für abgelegene Regionen sind diese Mikrozellen ein Lichtblick. Statt einer - oft defekten - öffentlichen Münz-Telefonzelle gibt es jetzt Funkversorgung rund ums Rathaus und in der örtlichen Kneipe. "Das ist ein großer Fortschritt", stellt das britische Online-Magazin TelecomTV fest.

In Sebergham wurden beispielsweise drei Femtozellen des indisch/amerikanischen Herstellers Parallel Wireless installiert. Sie funken in 3G- und 4G-Technologie (UMTS und LTE), jedoch nicht in GSM. Um auch die Fläche außerhalb von Ortschaften zu versorgen, beispielsweise, wo Bauern auf dem Feld oder im Wald arbeiten oder Wanderer die Landschaft genießen, werden diese Micro-Zellen wohl nicht ausreichen, weswegen auch weiterhin Makrozellen mit Sendetürmen erforderlich sein werden. Darüber ist man sich bei EE im klaren, aber viele Gemeinden und Landkreise wie Sebergham sind heilfroh, wenigstens jetzt überhaupt an die moderne Kommunikationstechnik angeschlossen zu sein.

Der weltweite Dachverband der Mobilfunkwelt, GSMA sieht die Verpflichtung zum nationalen Roaming kritisch, da es "technisch sehr kompliziert" sei. Stattdessen schlägt die GSMA vor, den Netzausbau auf freiwilliger Basis dadurch zu ermöglichen, indem die Gebühren für Mobilfunk-Lizenzen deutlich gesenkt und die oft bürokratischen Regeln zur Genehmigung von Mobilfunkstandorten radikal vereinfacht werden.

Weniger Funklöcher in Deutschland?

Funkversorgung per Femtozelle in Großbritannien Funkversorgung per Femtozelle in Großbritannien
Bild: EE
Wenn wir uns Deutschland anschauen, gibt es - allen vollmundigen Versprechen und aufwendigen Testfahrten zum Trotz - immer noch weite Landstriche, wo eine brauchbare Mobilfunkversorgung entweder ganz fehlt oder kaum sinnvoll nutzbar ist, nicht nur in den Flächenländern Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg oder Sachsen(-Anhalt), sondern auch in den waldreichen Regionen von Schwarzwald, Odenwald oder Pfälzerwald von Baden-Württemberg, Hessen oder Rheinland-Pfalz. Selbst unweit von Ballungszentren findet man schnell Orte, die bis heute nicht mit Mobilfunk versorgt sind - 25 Jahre nach Vergabe der ersten beiden Mobilfunklizenzen an Telekom und Mannesmann (heute Vodafone) eigentlich ein Unding.

Verständlich: Die Netzbetreiber investieren lieber in Ballungszentren, wo hohe Kunden- und Nutzungszahlen zu erwarten sind. Die Mikrozellen-Lösung wie in England könnte auch in Deutschland ein erster Schritt zur Verbesserung der Situation sein.

Unser Kommentar

Wie schon der ehemalige Bundespräsident Herzog forderte, müsste ein "Ruck" durch Deutschland gehen, die Mobilfunknetzanbieter zu verpflichten, endlich "flächendeckend" zu versorgen und zwar auch da, wo bisher "kein Netz" auf dem Display aufleuchtet. Das könnte durch staatliche Zuschüsse erfolgen (die am Ende alle Mobiltelefonierer aber auch Mobiltelefonverweigerer bezahlen müssten.

Denkbar wären auch Tarifmodelle, welche gegen Aufpreis die Nutzung von abgelegenen Sendestationen beinhalten, denkbar wären auch moderate Aufschläge, die zielgerichtet zum Netzausbau verwendet werden müssen. Die Bundesnetzagentur könnte überlegen, bei der kommenden Frequenzauktion auf horrende Lizenzkosten zu verzichten und stattdessen den Teilnehmern eine Ausbauverpflichtung aufzuerlegen, die bei Nichteinhaltung einen Entzug der Sendelizenzen zur Folge haben könnte. Das Geld erst über teure Lizenzen einzunehmen, um es dann regional für den Netzausbau wieder auszugeben, könnte am Ende teurer sein als das Geld den Netzbetreibern dafür zu belassen, sofern mangelhafter Netzausbau mit Lizenzentzug bestraft wird. Wenn ein kleinerer Anbieter nicht ganz Deutschland ausbauen und versorgen kann oder will, wären durchaus regionale Anbieter denkbar, die untereinander oder mit einem größeren Netzbetreiber über Verträge verbunden sind.

Lippenbekenntnisse zu schnellerem Internet und einer besseren Versorgung helfen keinem, Taten sind gefragt. Zum absoluten Billigtarif wird es den vollständigen Netzausbau aber nicht geben.

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