Vor Ort

Ist das Funkloch weg? Die Bundesnetzagentur prüft nach

Schon wieder kein Netz! Früher war das vieler­orts eine Alltags­erfah­rung. Inzwi­schen haben die Netz­betreiber immer mehr Funk­löcher geschlossen. Ist nun alles gut?
Von / dpa

Kein Netz war früher an vielen Stellen eine Alltags­erfah­rung. Inzwi­schen haben die Netz­betreiber immer mehr Funk­löcher geschlossen. Die Bundes­netz­agentur will die Lage nun vor Ort über­prüfen.

Das frühere Funk­loch, in dem Klaus Müller, der Chef der Bundes­netz­agentur unter­wegs ist, liegt in einem Land­idyll. An den Straßen werden Reit­tur­niere und Schüt­zen­feste beworben, Fach­werk­häuser säumen den Weg. Eine Katze geht in aller Ruhe über die Straße. Doch die entspannte Atmo­sphäre hatte einen Preis: Bis vor kurzem war in 57635 Mehren im Wester­wald (Rhein­land-Pfalz) noch tote Hose in Sachen Handy­netz - auf einer Fläche von drei mal zwei Kilo­metern gab es keinen 4G/LTE-Empfang.

Funk­loch Mehren ist Geschichte?

Die Bundesnetzagentur misst ausgebaute Funklöcher (stichprobenartig) nach Die Bundesnetzagentur misst ausgebaute Funklöcher (stichprobenartig) nach
Foto: Picture Alliance/dpa
Inzwi­schen haben die drei Netz­betreiber gemeldet, dass das Funk­loch Geschichte ist. Um das zu über­prüfen, hat die Bundes­netz­agentur einen Mess­wagen geschickt, und deren Präsi­dent Klaus Müller ist höchst­per­sön­lich auf eine Stipp­visite vorbei­gekommen.

"Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser", betont Müller, früher oberster Verbrau­cher­schützer und bezieht sich dabei auf die Angaben der Deut­schen Telekom, von Voda­fone und Telefónica Deutsch­land (o2). Die hatten die Pflicht, bis Anfang dieses Jahres 500 Funk­löcher (4G) in Deutsch­land zu schließen. Das Dörf­chen Mehren ist eins davon.

Noch nicht alle Funk­löcher geschlossen

Nur ein Teil der 500 Funk­löcher wurde geschlossen, in anderen berufen sich die Firmen auf recht­liche oder tatsäch­liche Schwie­rig­keiten - dass beispiels­weise kein Grund­stücks­eigen­tümer zur Vermie­tung einer Fläche bereit war. In Mehren hingegen hat es geklappt: Das Funk­loch ist passé, angeb­lich. Mitten im Wald wurden Funk­masten errichtet. Nun ist die Frage, ob sie auch ausrei­chend gut Signale liefern.

Der Mess­ing­enieur Markus Busch ist vier Tage lang mit einem Kollegen in einem Trans­porter unter­wegs, um die Qualität des Netzes zu analy­sieren. Es geht nicht nur über Straßen, sondern auch über Feld- und Wald­wege. "Überall da, wo wir fahren können, fahren wir." Auf dem Dach des Wagens sind mehrere Antennen. Der Innen­raum ist voll mit Technik, ob Scanner (Breit­band-Empfänger, die Frequenzen absu­chen), Laptops oder spezi­elle Mess­instru­mente.

Das "Pilot­signal"

Langsam fährt der Trans­porter durch die hüge­lige Land­schaft - und zwar jede Strecke mehr­fach, damit die Messungen eindeutig sind. Dabei wird ein "Pilot­signal" empfangen, das unab­hängig ist von der aktu­ellen Nutzung anderer Menschen. Es gibt also gewis­ser­maßen keine Ausrede, warum die Down­load­rate gerade im Keller ist.

Auf Moni­toren ist zu sehen, wie der Empfangs­pegel jedes Anbie­ters mal steigt, mal sinkt. Alles wird doku­men­tiert und später ausge­wertet. Von Mehren geht es nach Ziegen­hain und Hahn - eine Route, die im Internet auf Wander­karten zu finden ist. "Lieb­haber von Fach­werk­bauten und Natur­stein­häu­sern kommen auf ihre Kosten", heißt es auf der Inter­net­seite ich-geh-wandern.de. In Sachen Gastro­nomie hapere es aller­dings, man müsse Mitge­brachtes verzehren.

Auch Wanders­leute sollen zumin­dest mancher­orts gutes Netz bekommen in Deutsch­land - so besagt es eine Auflage, zu der sich die Tele­kom­muni­kati­ons­anbieter bei der Frequenz­auk­tion im Jahr 2019 verpflichtet haben. Eine Down­load­rate von mindes­tens 100 Megabit pro Sekunde soll auch in 500 bishe­rigen 4G-Funk­löchern ("Weißen Flecken") möglich sein.

Aller­dings ist das quasi ein Ideal­wert - sind mehrere Menschen in einer Funk­zelle unter­wegs, teilen sie sich die Netz­kapa­zität. Das ist bis zu einem gewissen Grad unpro­ble­matisch. "Viele Menschen sind auch heute noch mit zwei Megabit pro Sekunde zufrieden", sagt Fach­mann Busch.

Netz schlecht, trotz Ausbau?

Bei Veran­stal­tungen, wo viele Menschen hinkommen, kann es aber doch noch hapern, selbst wenn die Ausbau­auf­lage erfüllt wurde. "Zwischen dem subjek­tiven Nutzer­erlebnis und der Sende­leis­tung einer Funk­sta­tion ist immer eine Diskre­panz", sagt Behör­den­chef Müller. Die Erwar­tungs­hal­tung in der Bevöl­kerung steige - "Filme streamen, Handy­games spielen und große Dateien runter- oder hoch­laden, das wollen die Menschen auch unter­wegs machen - egal wo."

Das bedeutet aber auch, dass die Tele­kom­muni­kati­ons­anbieter viel Geld in Sende­masten stecken müssen, die relativ wenig genutzt werden. Ist es sinn­voll, bis an die letzte Milch­kanne gutes Netz zu haben? Im Inter­net­zeit­alter ja, sagt Müller. "Das ist die Erwar­tungs­hal­tung der Menschen und der Politik und das streben wir an."

Nur noch 2,6 Prozent Funk­loch?

Laut Zahlen der Bundes­netz­agentur waren im April 2023 nur noch 2,6 Prozent der Fläche weiße Flecken, ein Jahr zuvor hatte der Wert noch bei 3,7 Prozent gelegen - dort hatte also keiner der drei Netz­betreiber gesendet. Soge­nannte graue Flecken - wo also nur einer oder zwei der Netz­betreiber gefunkt haben - waren im April 2023 auf 16,7 Prozent der Landes­fläche, ein Jahr zuvor waren es 24,7 Prozent.

Die Zahlen zeigen, dass es besser wird. Das betonen auch die Tele­kom­muni­kati­ons­firmen, die auf hohe Inves­titionen verweisen. Seit der Auktion 2019 habe man rund 2900 Funk­sta­tion-Neubauten und mehr als 3800 Upgrades auf LTE-Technik ange­stoßen, heißt es von Voda­fone.

Ausbau­pflichten von 2019

Während es bei den Über­prü­fungen des Mess­wagens im Wester­wald um Ausbau­pflichten von 2019 geht, richtet Behör­den­chef Müller den Blick nach vorne. Im kommenden Jahr will seine Behörde Auflagen für die nächste Frequenz­ver­gabe fest­legen, ein erster Vorschlag hierzu soll in den kommenden Wochen publi­ziert werden.

Wie fallen die Ergeb­nisse der Mess­wagen-Fahrten im Wester­wald aus? Inge­nieur Busch lächelt. "Es sieht gut aus: Der weiße Fleck ist nicht mehr weiß und nicht mehr grau - er ist gar kein Fleck mehr." Die Angaben der Netz­betreiber seien richtig gewesen. Ob das in allen angeb­lich geschlos­senen Funk­löchern so ist, bleibt aller­dings offen - die Behörde macht nur Stich­proben-Messungen.

Nicht immer und überall gut?

Aller­dings sind die Verbin­dungen auf dem Land noch längst nicht überall gut, wie ein Halt in dem Dörf­chen 57635 Fiers­bach zeigt, das unweit von Mehren liegt - nur auf diese Gegend bezog sich die Weiße-Flecken-Ausbau­pflicht nicht.

dpa fragte beim Fiers­bacher Bus- & Taxi­unter­nehmen Uwe Bischoff nach: "Wie ist Ihr Handy­netz­emp­fang?" Proku­rist Jonas Otto schüt­telt den Kopf. "Welches Netz?", fragt er und zeigt sein Handy: Null Balken. Manchmal gehe er zum Tele­fonieren auf einen Hügel. "Da ist es besser." Update: Auch in Fiers­bach gibt es Netz, wie uns ein aufmerk­samer Leser mitteilte. Ende des Updates

Eine Einschät­zung (von Henning Gajek)

Wir sehen, es muss noch viel mehr ausge­baut werden. Es ist gut, wenn die Bundes­netz­agentur nach­misst, leider hat sie nicht die Mittel, um viel mehr zu messen. Amts­chef Klaus Müller hat verstanden, worauf es hinaus­laufen soll: Überall Netz, wo Menschen sich aufhalten, auch auf dem Land. Da sollte seine Behörde eisern dran bleiben. Ob an jedem Ort dreimal oder viermal ähnliche Technik aufge­baut werden muss, ist eine berech­tigte Frage: Durch Koope­ration über MOCN könnte ein Anbieter bauen und seine Mitbe­werber gegen Kosten­betei­ligung drauf lassen.

Denkbar wären auch Roaming-Modelle, wo der Kunde eines schlechter ausbau­enden Netz­betrei­bers gegen Aufpreis regional oder lokal das Netz des besseren Anbie­ters nutzen kann. Man sollte die Netz­betreiber aber bis zum Voll­ausbau des Landes vor unnötig teuren Frequenz­auk­tionen verschonen. Das dort verbra­tene Geld ist erst einmal weg. Der voll­stän­dige Netz­ausbau wird schon teuer genug werden.

Jede Woche berichten wir über den Netz­ausbau der Mobil­funker im Land.

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