Strafe

BNetzA: Bußgeldverfahren gegen Handy-Netzbetreiber

Sind Deutsch­lands Handy­netze gut genug? Nein, sagt die Bundes­netz­agentur und droht den Firmen Bußgelder an. Verbrau­cher­schützer und Poli­tiker klat­schen Beifall.
Von mit Material von dpa

Das hatten sich viele frus­trierte Kunden schon länger gewünscht: Wegen Schwä­chen im Mobil­funk geht die Bundes­netz­agentur erst­mals mit Bußgeld­ver­fahren gegen Deutsch­lands Handy-Netz­betreiber Deut­sche Telekom, Telefónica (o2) und Voda­fone vor.

Nicht recht­zeitig voll­ständig erfüllt

Man habe dies "wegen schuld­hafter nicht recht­zei­tiger voll­stän­diger Erfül­lung der Versor­gungs­auf­lagen" getan, heißt es in einem Schreiben der Behörde, das der Deut­schen Presse-Agentur vorliegt. Das Verfahren, das bereits im September eröffnet wurde, war öffent­lich bisher nicht bekannt. Die Firmen können nun Stel­lung­nahmen abgeben. Entschieden wird im kommenden Jahr. In sepa­raten, zeit­gleich einge­lei­teten Verfahren drohen den Unter­nehmen zudem soge­nannte Zwangs­gelder.

Netz­betreiber: Auflagen erfüllt, Ausnah­meregel gilt

Ein Messfahrzeug der Bundesnetzagentur. Von einer flächendeckenden Versorgung sind wir noch weit entfernt. Ein Messfahrzeug der Bundesnetzagentur. Von einer flächendeckenden Versorgung sind wir noch weit entfernt.
Foto: Picture Alliance/dpa
Die Netz­betreiber sind der Ansicht, nicht gegen die Ausbau­auf­lagen verstoßen zu haben. Sie berufen sich auf eine Ausnah­meregel: Dort, wo der Ausbau aus recht­lichen und tatsäch­lichen Gründen nicht möglich war - etwa weil niemand ein Grund­stück vermieten wollte, auf dem ein Funk­mast aufge­stellt werden kann - gilt die Auflage auch ohne Netz als erfüllt. Aller­dings ist die Netz­agentur der Ansicht, dass diese Begrün­dung in einigen Fällen nicht greift - und dass mancher­orts eben doch Antennen hätten instal­liert werden können.

Defi­zite bei weißen Flecken und Tunneln

Es geht um 500 LTE-Funk­löcher, in denen keiner der drei Netz­betreiber einen Empfang von 100 MBit/s ermög­licht. Diese weißen Flecken hätten zum Jahres­wechsel verschwunden sein müssen. Die Firmen schafften das aber nicht bei allen. Außerdem haben die Anbieter noch in einigen Bundes­straßen-Tunneln kein gutes Netz, obwohl es vorge­schrieben ist. Auch das ist Gegen­stand der Verfahren.

Wenig Verfeh­lungen?

Bran­chen­kreisen zufolge ist die Zahl der Verfeh­lungen sehr gering. Sollten am Ende Bußgelder verhängt werden, dürften diese entspre­chend niedrig ausfallen. Die Verfah­rens­eröff­nung wird eher als Signal an die Branche verstanden, sich beim Ausbau mehr anzu­strengen und Versor­gungs­auf­lagen lückenlos einzu­halten. In der Vergan­gen­heit drückte die Netz­agentur in ähnli­chen Fällen ein Auge zu. So hielt keiner der drei Netz­betreiber Ausbau­pflichten, die sich aus der Auktion 2015 ergaben, zum Jahres­ende 2019 ein. Bußgelder gab es damals nicht.

o2-Telefónica hat aufge­holt

Telefónica hatte damals große Schwie­rig­keiten. Bei der Telekom und Voda­fone waren es nur kleine Defi­zite. Zwar wurde gegen Telefónica im Jahr 2020 ein Zwangs­geld­ver­fahren einge­leitet. Nachdem o2 arg verspätet ins Ziel kam, wurde das Verfahren aber einge­stellt.

Früherer Verbrau­cher­schützer ist Behör­den­chef

Die Netz­agentur ließ die Bußgeld-Keule 2020 liegen, schwingt sie aber jetzt - obwohl die Verfeh­lungen damals viel größer waren als heute. Das könnte auch an Klaus Müller liegen, der früher Chef des Bundes­ver­bandes der Verbrau­cher­zen­tralen war und seit 2022 Präsi­dent der Netz­agentur ist. In seiner neuen Funk­tion setzt er sich weiter stark für Verbrau­cher­belange ein.

Verfahren gegen 1&1

Es ist nicht das erste Bußgeld­ver­fahren gegen Tele­kom­muni­kati­ons­anbieter, aber das erste gegen etablierte Netz­betreiber. Bereits seit dem Früh­jahr geht die Netz­agentur gegen den Neuein­steiger 1&1 vor, der gerade sein eigenes Mobil­funk­netz aufbaut und dieses bald starten will. Hierfür erstei­gerte 1&1 im Jahr 2019 erst­mals Frequenzen. Ende 2022 hätte die Firma 1000 5G-Stand­orte akti­viert haben müssen. Tatsäch­lich waren es fünf. Der Ausgang des Verfah­rens ist offen.

Ausbau­auf­lagen von 2019

Für ihre Netze brau­chen die Firmen Funk­fre­quenzen unter­schied­licher Bänder. Bei der Vergabe legt der Bund ein quali­tatives Mindest­niveau fest, auf das die Handy­netze gebracht werden müssen. So mussten die Firmen in jedem Bundes­land bis Ende 2022 98 Prozent der Haus­halte mit mindes­tens 100 Megabit pro Sekunde versorgen. Diesen zentralen Teil des Aufla­gen­kata­logs erfüllten die Telekom, Voda­fone und o2. Zudem gab es noch Auflagen für Verkehrs­wege und besagte weiße Flecken - hierbei legten die Unter­nehmen nach Über­zeu­gung der Netz­agentur Schwä­chen an den Tag.

Genaue Zahlen verrät niemand

Genaue Zahlen, wie viele weiße Flecken und Tunnel als unver­sorgt gelten, sind nicht bekannt. Ein Spre­cher der Netz­agentur will sich nicht zum Thema Bußgeld­ver­fahren äußern. Auch die Firmen geben auf Nach­frage keine Zahlen bekannt.

Posi­tive Reak­tion der Politik

Bundes­poli­tiker und Verbrau­cher­schützer reagieren positiv auf die Einlei­tung der Bußgeld­ver­fahren. Die Firmen hätten der Behörde offenbar keine plau­siblen Gründe vorweisen können, warum die Ausbau­pflichten nicht voll­ständig einge­halten worden seien, sagt der FDP-Bundes­tags­abge­ord­nete Rein­hard Houben. "Der Entwurf eines Bußgeld­bescheides ist deswegen nur konse­quent."

Lob kommt auch vom Sozi­alde­mokraten Johannes Schätzl. "Versor­gungs­auf­lagen ergeben nur dann Sinn, wenn sie auch konse­quent durch­gesetzt werden und Strafen folgen, wenn Auflagen nicht einge­halten werden", sagt der Bundes­tags­abge­ord­nete. Der Grüne Maik Außen­dorf nennt die Nicht­ein­hal­tung der Vorgaben "ärger­lich". Die Firmen müssten ihren Verpflich­tungen nach­kommen. "Zur Durch­set­zung der Versor­gungs­auf­lagen ist die Verhän­gung von Bußgel­dern durch die Bundes­netz­agentur ein wich­tiges Signal." Der CSU-Poli­tiker Rein­hard Brandl nennt die Verfah­rens­ein­lei­tung "absolut richtig".

Auch der Verbrau­cher­schützer Felix Flos­bach begrüßt die härtere Gangart der Netz­agentur. Wenn die Behörde die Netz­auf­lagen nun strenger kontrol­liere und Vergehen ahnde, helfe das Verbrau­che­rinnen und Verbrau­chern - "heute und in Zukunft".

Die Firmen wiederum verweisen auf große Fort­schritte, die sie beim Netz­ausbau gemacht haben. Die Netze sind nach Milli­arden­inves­titionen der Unter­nehmen tatsäch­lich deut­lich besser als vor einigen Jahren. Die Bußgeld­ver­fahren sind aller­dings ein Hinweis, dass es mancher­orts noch hapert.

Eine Einschät­zung (von Henning Gajek)

Der Autor ist vor kurzem eine Woche kreuz und quer durch Frank­reich gefahren. Es ging durch kleine Orte, über einsame Straßen und überall, wirk­lich überall gab es Mobil­funk-Netz. In Deutsch­land ist das abseits der Ballungs­gebiete nach wie vor nicht der Fall. Von daher ist die Unge­duld der Bundes­netz­agentur richtig und wichtig. Der Beifall aus der Politik darf aber nicht darüber hinweg­täu­schen, dass manche Station vor Ort wegen "Beden­ken­trä­gern" in der örtli­chen Politik und den zustän­digen Ämtern oder bei Mitbür­gern, die den Ernst der Lage noch immer nicht begriffen haben, nicht vorwärts kommt.

Auch war die bishe­rige Praxis, eine Gegend als "versorgt" zu betrachten, wenn nur einer von drei oder vier Netzen hier sendet. Das ist unrea­lis­tisch, denn nur wenige infor­mierte Nutzer haben zwei oder drei Netze dank Dual-SIM immer zur Hand. Vier paral­lele Netze flächen­deckend aufzu­bauen, ist - pardon - "Unsinn". Es wird nur mit inten­siver Zusam­men­arbeit aller Netz­betreiber gehen. Dem Kunden muss aber auch klar sein, dass ein flächen­deckender Netz­ausbau etwas mehr kostet, als viele zu zahlen bereit sind.

Jede Woche geben wir einen Über­blick über den Netz­ausbau. Letzte Woche war die Ausbeute erschre­ckend gering.

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