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Editorial: BGH zementiert hohe Mobilfunk-Terminierungsentgelte

Technischen Umgehungstrick verboten
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Die Preise, die die Mobilfunk-Netzbetreiber untereinander und von anderen Netzbetreibern für die Zustellung von Gesprächen in ihre Netze verrechnen, die so genannten Mobilfunk-Terminierungsentgelte, sind zu hoch. Die Folgen hiervon sind wiederholt dargelegt worden: Die Festnetze subventionieren die Mobilfunknetze, die Anrufer die Angerufenen. Zugleich behalten Verbraucher teure Festnetzanschlüsse, um günstig erreichbar zu sein, und zahlen dadurch zusätzliche Grundgebühren. Am Ende geht der Irrsinn dann gar so weit, dass die Netzbetreiber ihre Kunden fürs sich-anrufen-lassen bezahlen. Die daraus abgeleitete Forderung: Die Bundesnetzagentur sollte sich bei der Festsetzung künftiger Interconnects nicht von Schaufensterpreisen ("unter 10 Cent pro Minute") leiten lassen, sondern den Interconnect möglichst schnell und möglichst drastisch senken.

Ähnliche Forderungen hört man auch regelmäßig aus Brüssel: Die EU-Kommission hält IC-Entgelte in Höhe von 1 bis 2 Cent pro Minute für effizient, einem Bruchteil der aktuellen Entgelte in Höhe von ca. 7 Cent. Und so droht die EU-Kommission gar mit einem Vertragsverletzungsverfahren. Offiziell geht es in der Drohung um eine Formalie; Hintergrund dürfte daher die nur zögerliche Senkung der Entgelte durch die Bundesnetzagentur sein.

Zweckentfremdete SIM-Karten als Monopolbrecher

Nun bieten viele Netzbetreiber ihren Kunden sehr günstige netzinterne Gespräche an. Hier setzt ein technischer Trick an: Telefonieanbieter, die z.B. Gespräche aus dem Festnetz günstig in die Mobilfunknetze überstellen wollen, verwenden statt der kabelgebundenen offiziellen Schnittstelle so genannte GSM-Gateways. Diese konvertieren die Gespräche ins Handy-Datenformat und lassen sie gegenüber dem Mobilfunknetz auch so aussehen, als ob sie direkt von einem Handy kommen würden.

Für Verbraucher haben die Gateways ebenfalls ein paar Nachteile: Die Rufnummernübermittlung funktioniert nicht, oder es wird gar eine falsche Rufnummer übertragen. Im Vergleich zum direkten Interconnect kann der Rufaufbau länger dauern und die Sprachqualität verschlechtert sein. Dafür sind die so vermittelten Telefonate meist günstiger.

Die Netzbetreiber wollen den Trick mit den Gateways nicht, da er ihre Einnahmen senkt und gleichzeitig ihre Netzlast erhöht. Und so deaktivieren sie regelmäßig SIM-Karten, wenn sie den Verdacht haben, dass diese in Gateways verwendet werden. Übliche Anhaltspunkte sind (fast) nur ausgehende Verbindungen, eine große Zahl unterschiedlicher Zielrufnummern und nur geringe (oder gar keine) Mobilität des Endgeräts.

Es verwundert nicht, dass der Streit über GSM-Gateways am Schluss vor Gericht landete und dort bis ganz nach oben durchgefochten wurde. Soweit nicht auch noch der EuGH angerufen wird, hat das BGH nun ein - leider wenig wettbewerbsfreundliches - Endurteil gesprochen. Sinngemäß kann man der Pressemitteilung des Gerichts entnehmen: Wenn der verklagte Netzbetreiber (es war E-Plus; es hätte aber genausogut einer der anderen drei sein können) den Interconnect-Zugang zu den von der Bundesnetzagentur festgesetzten Bedingungen bereit stellt, ist er nicht verpflichtet, andere Formen des Interconnect zu dulden. Auch dann nicht, wenn er seinen Endkunden netzinterne Telefonate teils deutlich günstiger anbieten als anderen Netzbetreibern.

Für die Netzbetreiber ist das Urteil gut, weil es ihnen Rechtssicherheit gewährt. Mögliche Regulierungsfehler der Bundesnetzagentur, insbesondere die Festsetzung überhöhter Entgelte, können nicht in einem Zivilverfahren direkt gegen die Netzbetreiber geltend gemacht werden, selbst dann, wenn diese davon profitieren, sondern müssen in einem Verwaltungsgerichtsverfahren direkt gegen den Bescheid der Bundesnetzagentur vorgebracht werden. Dieses Verwaltungsgerichtsverfahren unterliegt aber zahlreichen Einschränkungen, beispielsweise bereits bezüglich der Fristen, innerhalb derer nach einer Entgeltfestsetzung überhaupt ein Einspruch dagegen möglich ist.

Der Bundesgerichtshof hat mit der aktuellen Entscheidung die Position der Bundesnetzagentur gestärkt. Zugleich geht damit aber auch mehr Verantwortung einher, weil Fehlentscheidungen entsprechend schwieriger korrigiert werden können. Die letzte Festsetzung der Mobilfunk-Terminierungsentgelte läuft noch bis November 2010. Die Bundesnetzagentur ist also bald wieder am Zug, hoffentlich mit mehr als nur einem preislichen Trippelschritt.

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