Rückblick auf 40 Jahre Mobilfunk

Ein persönlicher Rückblick auf den Mobilfunk in Deutschland

Henning Gajek schaut 40 Jahre zurück auf alle Netze seit dem A-Netz
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Auf der ITU Telecom Messe in Genf konnte ich 1991 an verschiedenen Ständen von Herstellern wie Siemens oder SEL-Alcatel (damals noch ohne Lucent) schon ausgiebige Testgespräche führen. Am 1.Juli 1991 war ich bei einem der offiziellen Netzstart-Termine der Telekom in Stuttgart auf dem Messegelände Killesberg mit dabei. Das Problem: Es gab noch keinerlei Endgeräte. Deswegen mussten die ersten Telefongespräche mit "Messeinrichtungen" geführt werden, die von der Größe eher an einen Küchenschrank erinnerten und in einem Kleinbus oder in einen Schaltschrankregal eingebaut waren.

Während der Pressekonferenz führte ein hoher Repräsentant der Deutschen Telekom über ein solches Test-Messgerät ein offizielles Gespräch mit einem Vertreter der Industrie und Handelskammer, während Kameras surrten und klickten und eifrig mitgeschrieben wurde.

Draußen waren Vertreter des Herstellers SEL-Alcatal und der Deutschen Telekom Mobilfunk versammelt, um technische Fragen der Journalisten zu beantworten. Zunächst wurde versucht, mit den damals hochmodernen C-Netz-"Handys" (Modell Alcatel SEM-340 - gerne als "Brikett" bezeichnet), eine Verbindung zur 0171-Rufnummer des Testfahrzeugs herzustellen. Das klappte nicht - umgekehrt aber schon. Bei einer ersten Testfahrt mit Journalisten rund um das Tagungshotel auf dem Stuttgarter Killesberg achtete der Fahrer des Testwagens darauf, dass er sich nicht zu weit entfernte, denn bis auf eine Sendezelle, waren alle Nachbarstationen sicherheitshalber ausgeschaltet worden, um etwaige Abbrüche bei einem Handover zu verhindern. Am Abend flimmerte diese denkwürdige Veranstaltung über die Bildschirme der Tagesschau, danach war erst einmal wieder für fast ein Jahr "Sendepause". Eine SIM-Karte von Mannesmann D2 Eine SIM-Karte von Mannesmann D2
Foto: teltarif.de

Im Sommer 1992 verdichteten sich dann die Gerüchte, dass es jetzt wirklich losgehen sollte. Ich telefonierte kreuz und quer mit Netzbetreibern und Geräte-Herstellern - an Test-SIM-Karten war nicht zu gelangen. Immerhin schaffte ich es, ein Festnetzeinbau-Telefon Typ Nokia 6050 zu ergattern, das (damals sensationell) sowohl die "großen" als auch die über lange Jahre standardmäßigen "kleinen" SIM-Karten aufnehmen konnte.

Dann traf ich einen Mobilfunk-Fachhändler, der eine SIM-Karte, aber kein Telefon hatte. Als er in Mannheim seine SIM-Karte in mein Telefon einlegte, lästerte er noch "da funktioniert bestimmt noch nichts" und war um so verblüffter, als das Telefon eine PIN verlangte (die er nach Durchwühlen seines Schreibtischs sogar fand). Völlig sprachlos war er, als das Telefon nach wenigen Sekunden "D1" auf dem Display anzeigte. Ein erster Testanruf führte in sein Büro. Ja - es funktionierte! Dann machten wir uns auf den Weg, um die Reichweite und die Größe der Funkzelle zu erforschen. "Das wird sicher gleich abbrechen". Tat es aber nicht.

In Mannheim gab es zu Beginn einen einzigen Sender. Der stand auf dem Mannheimer Fernsehturm und wies eine erstaunliche Reichweite von rund 30 Kilometer rund um den Turm herum auf. Die Qualität der Funkverbindungen auf 900 MHz hing von der Tagestemperatur ab: In der heißen Sommerhitze ging es über längere Strecken nicht, am frühen Morgen oder späten Abend klappte es wieder. Selbst 25 Kilometer vom Sender entfernt war mit einer Magnetfuß-Antenne auf dem Autodach noch mobile Telefonie möglich, was selbst die offiziellen Telekom-Vertreter verblüffte. Dafür konnte die Verbindung in unmittelbarer Sichtweite des Senders auf der Ludwigshafen/Mannheimer Rheinbrücke mit schöner Stahlgitterkonstruktion abbrechen. Die Entfernung zum Sender betrug hierbei etwa zwei bis drei Kilometer.

Und D2? Ein Besuch in einem Mannesmann-Shop brachte schließlich den gewünschten Erfolg: Ein "Köfferchen" von "Orbitel" (die Reste dieses Unternehmens wurden später von Ericsson übernommen) brachte brillante Sprachqualität, allerdings konnte es unvermittelt "leise" werden, als ob jemand den Regler zurückgenommen hätte. Im Vergleich dazu machte sich T-D1 mit charakteristischen "Zing Zong Zerroing" Geräuschen bemerkbar, immer dann, wenn der Codierer nicht ein genügend verwertbares Signal zum Auswerten erhalten konnte.

Sofort wurde die Netzabdeckung im Raum Mannheim verglichen. Sie erschien bei Mannesmann D2 anfangs deutlich besser. Wo die Telekom bestehende hohe Sendetürme mit ihren neuen Stationen bestückte, musste Mannesmann "klein" anfangen und baute daher von Anfang kleinzellige Standorte auf, die teilweise raffiniert niedrig gewählt wurden, um mit den Nachbarzellen nicht ins Gehege zu kommen.

1992 war an E-Plus, geschweige denn Viag Interkom (heute o2) überhaupt nicht zu denken. Der Netzausbau bei D1 und D2 blieb lange auf Ballungsräume und Teilstücke der Autobahnen beschränkt. Wer ins Umland wollte, hatte oft noch ein C-Netz Telefon dabei.

Mannesmann mit kostenloser Folgeminute nach Gesprächsabbruch

Damit die schlechte Netz-Versorgung nicht zum Alptraum der Pionierkunden wurde, gab Mannesmann sogar die erste Folgeminute einer abgebrochenen Verbindung kostenlos an seine Kunden weiter. Getaktet wurde bei Mannesmann mit 15 Sekunden, bei der Telekom ergaben sich "krumme" Zeiten von bis zu 40,7 Sekunden pro Takt, um die übliche Einheit von 23 Pfennigen (ca. 0,12 Euro) abbilden zu können.

1993 anlässlich der Internationalen Funkausstellung in Berlin war das Thema GSM Mobil eines der Top-Themen. Auf der Messe konnte man sich Testgeräte ausleihen. Gesagt, getan: "Kommen Sie heute Nachmittag wieder, dann ist alles gerichtet." Bei der Ausgabe des Gerätes war die Hostess tränenüberströmt: "Es ist alles kaputt! Es geht nichts mehr." In der Tat: Die erste Netzüberlast sorgte erst einmal für einen Totalausfall. Mobiles Telefonieren war im Raum Berlin nicht mehr möglich, außer auf der Messe (wo die Telekom in der Halle einen separaten Sender montiert hatte). Immerhin konnte die Hotline von einer Telefonzelle über eine damals aus allen Netzen kostenlose Rufnummer (0130-0171) erreicht werden.

Trotz Netzlast stand mein Entschluss fest: Ein eigenes Handy musste her. Also erwarb ich noch in Berlin mein erstes GSM-Mobiltelefon von Philips (Typ PR810), unter dessen Haube ein Nokia 1011 werkelte. Das Telefon existiert heute noch, aber der Zahn der Zeit hat das Gerät leider außer Gefecht gesetzt.

Zum Vertragsabschluss wurde mir im Laden eine Liste mit "schönen Rufnummern" vorgelegt, ich wählte eine aus dem Bereich 0171-50... und unterschrieb einen Vertrag bei einem Service-Provider mit Namen "Dekratel" im T-D1-Netz. Meine Kalkül war, dass die Telekom über mehr Erfahrung im Mobilfunk und damit über eine bessere Netzabdeckung verfügen sollte - eine Entscheidung, die sich in der Anfangszeit als "riskant" herausstellte, denn es gab doch gewaltige und nervende Funklöcher, einige bis heute. Die zum Vergleich eingesetzte SIM-Karte im Netz von Mannesmann D2-Privat ergab zwar punktuelle Verbesserungen, aber flächendeckend war da noch lange nichts, und ausgerechnet bei mir zu Hause war ein riesiges D2-Funkloch. Im Endeffekt ergänzten D1 und D2 sich oft gegenseitig.

Das führte zu interessanten Angeboten eines Versicherungsmaklers aus Hamburg, der Karten des dänischen Netzbetreibers "Sonofon" unter dem Schlagwort "D1+D2=D3" anbot. Kunden erhielten eine dänische Mobilfunkrufnummer, konnten aber dank freier Netzwahl für Roaming-Kunden zwischen D1 und D2 wechseln und so ihre Netzabdeckung verbessern. Aufgrund der anfangs moderaten Roaming-Tarife aus Dänemark lohnte sich das Angebot sogar.

Der Kundenservice bei der damaligen "Dekratel" (die später in "Dekraphone", dann "Unicom" umbenannt und zu Talkline eingemeindet wurde, heute wäre es Mobilcom-Debitel) war nervenaufreibend. Meine erste Roaming-Abrechnung aus der Schweiz kam sechs Monate später. Andere Rechnungen waren ab und zu nachweisbar falsch (und wurden nach fundierten schriftlichen Protesten manuell korrigiert). Dann wurden die Anbieter Unicom und Dekratel zur Dekraphone zusammen gelegt. Dabei wurden bestehende Tarife ohne große Vorwarnung zu Ungunsten der Kunden geändert. Heute hätte man sofort gekündigt, damals war man froh, einen Anschluss zu haben.

Als meine D1-Karte auf einmal immer pünktlich um 18:00 Uhr jeden Tag ausfiel (und am nächsten Tag wieder problemlos lief), die Dekratel Hotline (unter einer normalen Festnetznummer in Köln) "dauerbesetzt" war und die Netzbetreiber-Hotline von D1 auch nicht weiter wusste, habe ich schriftlich bei Dekraphone gekündigt. Die Kündigung lief problemlos durch, die Karte wurde einige Tage nach dem vereinbarten Kündigungstermin abgeschaltet.

Um nicht ohne mobile Verbindung dazustehen, schloss ich im Mai 1995 in einem Fachgeschäft in Mannheim einen nagelneuen "Telly D1" Mobilfunkvertrag direkt beim Netzbetreiber Telekom ab, dessen Rufnummer bis heute im D1-Netz aktiv ist (inzwischen im Prepaid-Tarif Xtra Click) Anhand der 1995 vergebenen D1-Rufnummer (0171-62...) konnten Insider erkennen, wo der Vertrag abgeschlossen und geschaltet worden war.

1998 kam ein Vertrag dazu, diesmal vom Service Provider "D-Plus" (später zu Cellway und heute bei Mobilcom-Debitel) dessen Rufnummer mit 0171-51xxxxx begann. Eine später zugeschaltete Twin-Card hatte eine eigene Rufnummer der Form 0171-51yyyyy, die Rufnummer unterschied sich in den letzten fünf Stellen. Es durfte immer nur eine Karte im Netz aktiv sein. Ankommende Anrufe oder SMS landeten immer auf der jeweils aktiven Karte, egal welche Nummer gewählt wurde. Beim Absenden einer SMS hingegen, wurde immer die "echte" Rufnummer der Karte übermittelt. Abgehende Anrufe von der Zweitkarte wurden ohne Rufnummer übertragen - für meine Gesprächspartner ziemlich verwirrend.

Ein Anruf bei der Hotline löste das Problem: Ein Gruppenleiter schaltete für die Zweitkarte die Rufnummernanzeige (CLIR) frei. Mit Einführung der Multisim bei Telekom D1 habe ich beide Karten zusammenlegen lassen, dabei wurde auf meinen Wunsch hin die ältere "Hauptrufnummer" abgeschaltet "Oh, das haben wir noch nie gemacht - sollte aber gehen". Der kundige Hotliner hat es wirklich hinbekommen - mit dem Hinweis, dass die Hotline meine Kundendaten vorerst noch unter der alten Rufnummer finden würde. Die Folgerechnung musste angemahnt werden, seitdem läuft es einwandfrei.

Die dritte Seite unseres persönlichen Rückblicks behandelt die ersten Erfahrungen mit den E-Netzbetreibern E-Plus und Viag Interkom/o2 soie die Geburtsstunde der Mobilfunk-Discounter.

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