Die Bundesanwaltschaft will das Ermittlungsverfahren
wegen des mutmaßlichen Lauschangriffs auf das Mobiltelefon von
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nach Informationen des Focus
einstellen. Das Fachreferat Cyberspionage habe im Verfahren gegen den
US-Geheimdienst NSA eine entsprechende Einstellungsverfügung
verfasst, berichtet das Nachrichtenmagazin unter Berufung auf Quellen
im Bundesjustizministerium.
Auch sechs Monate nach Beginn der Ermittlungen gebe es keinen
seriösen Beweis für einen gezielten Lauschangriff der NSA auf Merkels
Handy. Bundesanwältin Sigrid Hegmann und ihr Team hätten unter
anderem alle deutschen Sicherheitsbehörden nach Belegen für eine
gegen Merkel gerichtete Geheimdienstoperation gebeten. "Das Ergebnis
war gleich null. Heiße Luft, keine Fakten", zitiert Focus einen
Insider des Justizministerium.
Karlsruhe will die Ermittlungen dem Bericht zufolge nach Paragraf 170
Absatz II der Strafprozessordnung beenden. Danach kann eine Straftat
nicht nachgewiesen werden, das Verfahren wäre damit erledigt.
Justizkreise gehen laut Focus davon aus, dass Generalbundesanwalt
Harald Range der Empfehlung seines Fachreferats folgen wird, das er
selbst mit den Untersuchungen beauftragt hatte.
Kanzlerinnenhandy
NSA-Abhöraffäre: Alle Fraktionen begrüßen Ermittlungsverfahren
Agententätigkeit fremder Nachrichtendienste ist strafbar - daran
lässt der Generalbundesanwalt keinen Zweifel. Nun ermittelt er in der
NSA-Spähaffäre wegen des abgehörten Telefons der Kanzlerin. Auch eine
Vernehmung Snowdens kommt für ihn in Betracht.
Von Jennifer Buchholz mit Material von dpa
AAA
Nach monatelangen Prüfungen hat Generalbundesanwalt
Harald Range den US-Geheimdienst NSA offiziell ins Visier genommen.
"Es besteht der Verdacht, dass unbekannte Mitarbeiter
US-amerikanischer Nachrichtendienste ein Mobiltelefon der
Bundeskanzlerin ausgespäht haben", sagte Range in
Karlsruhe. Deshalb habe er Ermittlungen im Fall des abgehörten Handys
von Angela Merkel eingeleitet - bisher aber nicht wegen der möglichen
massenhaften Ausspähung der Kommunikationsdaten von Bürgern aus
Deutschland durch britische und US-Dienste.
Snowden soll vernommen werden
Generalbundesanwalt Harald Range leitet ein Ermittlungsverfahren gegen die Mitarbeiter der NSA ein Bild: dpa
"Es mangelt am Anfangsverdacht für eine konkret verfolgbare
Straftat", sagte Range. 2 000 Strafanzeigen sind laut seiner Behörde
dazu eingegangen. Ob es zu weiteren Ermittlungen kommt, hängt laut
Range nun davon ab, ob das Verfahren wegen Merkels Handy neue
Erkenntnisse bringt.
Seine bisherigen Prüfungen hätten alle zugänglichen Quellen umfasst.
Zudem habe er die Bundesregierung um die Übermittlung ihrer
Erkenntnisse gebeten - und bei Ex-NSA-Mitarbeiter Edward Snowden, der
sich derzeit in Russland in Asyl befindet, über dessen deutschen
Anwalt angefragt. Snowden habe sich aber ihm gegenüber bisher nicht
geäußert.
"Jetzt kommt es darauf an, mit den Mitteln der Strafprozessordnung
vorzugehen", kündigte Range an. Eine Vernehmung Snowdens erwägt der
Generalbundesanwalt weiter. Seine Behörde versuche zudem, an
Dokumente zu kommen, die laut Snowden bei verschiedenen Medien liegen
sollen. "Einen Versuch ist es allemal wert, an die Medien
heranzutreten, die behaupten, Unterlagen zu haben", sagte Range. Als
Konsequenz aus der NSA-Affäre hat die Karlsruher Behörde zudem das
neue Ermittlungsreferat Cyber-Spionage geschaffen.
Vertreter aller Fraktionen begrüßten die Ermittlungen
Gegen die NSA soll ein Ermittlungsverfahren eingeleitet werden Bild: dpa
Zuvor hatte Range die Schritte im Rechtsausschuss des Bundestags
angekündigt. Vertreter aller Fraktionen begrüßten die Ermittlungen.
Die Ausschussvorsitzende Renate Künast (Grüne) sagte: "Ich glaube,
dass es für einen Rechtsstaat wie Deutschland wichtig ist, dass die
Öffentlichkeit sieht, dass wir nicht wehrlos sind."
Vor einer Woche hatten Süddeutsche Zeitung, WDR und NDR berichtet,
Range wolle auf ein Ermittlungsverfahren verzichten - aus Mangel an
belastbarem Material. Range habe sich dann gegen erhebliche Bedenken
in seinem Haus durchgesetzt, auch wegen öffentlichen Drucks.
Der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele meinte, Range habe sich
wohl als eine Art Teil der Bundesregierung gefühlt, die die
NSA-Affäre wegwischen wolle. Die Union erhob schwere Vorwürfe gegen
Vertreter der Grünen. Diese hätten versucht, Druck auf Range
auszuüben - auch mit der Einladung in den Rechtsausschuss. "Wir haben
heute einen Skandal des Rechtsstaats erlebt", sagte der
CDU-Abgeordnete Patrick Sensburg.
Union und SPD wollen Snowden in Moskau treffen
Range versicherte, unabhängig entschieden zu haben.
Regierungssprecher Steffen Seibert sagte: "Die Bundesregierung hatte
darauf nicht einzuwirken und hat darauf auch nicht eingewirkt."
Ströbele kritisierte, dass Range das Ausspähen der
Kommunikationsdaten von Millionen Bundesbürgern vorerst weiter nur
beobachte. "Das kann ich nicht verstehen." Auch der SPD-Abgeordnete
Christian Flisek sagte: "Ich bin ein wenig irritiert, warum sich das
ausschließlich auf das Kanzlerinnenhandy beschränkt." Er gehe aber
insgesamt von intensiven Ermittlungen des Generalbundesanwalts aus.
Ströbele zeigte sich zuversichtlich, dass Ranges Behörde und der
NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags nun gemeinsam mehr Licht in
den Ausspähskandal bringen.
Union und SPD im NSA-Ausschuss wollen Snowden bald zu einem
"informellen Gespräch" in Moskau treffen. Dabei sollen Möglichkeiten
einer Zeugenaussage Snowdens vor dem Ausschuss sondiert werden, sagte
Flisek. Grüne und Linke lehnen das Vorgespräch ab. Sie fordern von
der Regierung, eine Vernehmung in Deutschland zu ermöglichen.