Hype um 5G: LTE hat noch lange nicht ausgedient
Das kanadische Marktforschungsunternehmen Tutela untersucht - ähnlich wie Opensignal - den Mobilfunk-Netzausbau und die Kundenerfahrungen in verschiedenen Ländern
Foto: Tutela.com / Screenshot: Teltarif.de
5G ist derzeit das Top-Thema für alle Mobilfunknetzbetreiber. Bis zu 100 mal schnellere Datenübertragung werden gegenüber 4G versprochen, geringere Antwortzeiten (Latenz) und weniger Probleme mit Netzüberlastung: Die Branche hat einen großen Hype um die 5. Mobilfunkgeneration erzeugt. Da könnte man fast meinen, 4G habe schon ausgedient. Wir ahnen es, so einfach ist es natürlich nicht. Das kanadische Netzforschungs- und Beratungsunternehmen Tutela nennt vier Gründe, warum wir 4G nicht aus den Augen verlieren dürfen:
4G stemmt noch immer den Großteil der Verbindungen
Das kanadische Marktforschungsunternehmen Tutela untersucht - ähnlich wie Opensignal - den Mobilfunk-Netzausbau und die Kundenerfahrungen in verschiedenen Ländern
Foto: Tutela.com / Screenshot: Teltarif.de
Es sei zu früh, sagt Tutela, 4G als "veraltete" Technologie zu bezeichnen. Noch 2018 war 4G in Europa für etwa 48 Prozent der gesamten Verbindungen verantwortlich, weitere 33 Prozent fielen auf 3G und 19 Prozent auf 2G, hat Tutela herausgefunden. Sogar im hochentwickelten Deutschland gibt es noch viele Ecken, wo es ausschließlich 2G-Versorgung gibt, obwohl seit Jahren ein Ausbau auf 4G versprochen wird.
Schätzungen der Industrievereinigung für Mobilfunkanbieter GSMA zufolge könnte 5G im Jahr 2025 erst für 15 Prozent der Verbindungen sorgen, die meisten Verbindungen werden weiterhin auf 4G basieren.
5G-Anlagen sind noch nicht ausgereift
5G läuft (oft) nur auf sehr kurzwelligen, d.h. höheren Frequenzen (derzeit bis zu 3,7 Gigahertz; 4G bisher max. 2,6 GHz). Je höher die Frequenz, desto geringer aber die Reichweite. Die hohe Kapazität und extrem schnellen Up- und Downloadraten von 5G sind dementsprechend nur über wenige Hundert Meter möglich, wobei eine direkte Verbindung zur Zelle erforderlich ist: Fenster, Wände oder Bäume werden also zum Hindernis. Zudem benötigen 5G-Anlagen weiterhin 4G-Verbindungen: Letztere fungieren als „Zubringer“, um Verbindungen an 5G weiterzuleiten.
4G-Ausbau bringt kurzfristig realistische Verbesserungen
Im Frühjahr 2019 hatte die Deutsche Telekom über 300 neue LTE-Standorte in Deutschland eingerichtet. 51 000 Haushalte erhielten dadurch endlich LTE. In Kaufungen bei Kassel z.B. verkürzte sich die durchschnittliche Latenzzeit damit von 63 ms auf nur 24 ms. Eine derartige Verbesserung lässt z.B. Video Calls, Online Gaming oder Netflix – generell alle Dienste, die auf Streaming basieren – bemerkenswert flüssiger und in angemessener Qualität laufen.
Dieses Beispiel zeigt für Tutela: Upgrades auf 4G sind für die flächendeckende Versorgung und zeitgemäße Mobilfunkgeschwindigkeiten immer noch nötig und sinnvoll. Hinzu kommt: Die meisten Handys sind heute mit LTE-Advcanced kompatibel, ganz im Gegenteil zu den bislang wenigen und auch teureren Modellen, die schon 5G-Frequenzen unterstützen.
Nicht jeder profitiert von 5G
Die Mehrheit der Bürger im ländlichen Raum Deutschlands setze nach wie vor große Hoffnung in die Digitalisierung, um gleichwertige Lebensverhältnisse zwischen Stadt und Land sicherzustellen. Die aktuellen und geplanten 5G-Implementierungen beschränken sich oft nur auf Stadtgebiete. 5G wird zwar auch die ländlichen Regionen erreichen, aber bis dahin dauert es noch. Eine konsistente Netzabdeckung mit leistungsstarkem 4G-Dienst sollte also weiterhin größte Relevanz genießen, damit auf dem Weg in eine weiter vernetzte Zukunft auch alle gleichermaßen profitieren.
Das Fazit von Tutela
Die Marktforscher bei Tutela kommen zu dem Schluss: „Zweifellos hat 5G großes Potenzial. Allerdings wird es bis zur zuverlässigen 5G-Verbindung noch bis zu 10 Jahre dauern.“ Bis dahin werden vor allem neu entstehende Anwendungsgebiete - z.B. autonome Fahrzeuge oder Smart Factories – von 5G-Verbindungen profitieren.
In absehbarer Zukunft werden wir also eine Koexistenz von 4G und 5G benötigen. Die Betreiber stehen in den kommenden Jahren dementsprechend vor der Herausforderung, 4G weiter auszubauen, während sie gleichzeitig mit der 5G-Entwicklung schritthalten müssen.
Wer ist Tutela?
Wir kennen die Analysen von Opensignal. Tutela scheint ein ähnliches Konzept zu verfolgen.
Tutela Technologies, Ltd. aus Victoria, British Columbia (Canada) sieht sich als unabhängiges Unternehmen, das per Crowdsourcing Daten aus seinem globalen Panel von über 300 Millionen Smartphone-Benutzern erhebt. Tutela sammelt Informationen über die mobile Infrastruktur und testet die mobile Nutzererfahrung, um Organisationen der Mobilfunkbranche dabei zu helfen, die Netzwerke der Welt zu verstehen und zu verbessern.
Die von Tutela bereitgestellten Daten und Erkenntnisse würden von den Ingenieurteams der Mobilfunknetzbetreiber und Netzwerkausrüstungshersteller auf der ganzen Welt als vertrauenswürdig eingestuft, sagt Tutela.
Die Daten eignen sich zum Vergleich von Mobilfunknetzbetreibern sowie als Entscheidungsgrundlage für die Planung und Optimierung von Netzwerken und Infrastrukturen.
Tutela betont ausdrücklich, keine sensiblen persönlichen Daten zu sammeln und verspricht, sich an internationale Datenschutzbestimmungen wie CCPA (kalifornische Version der DSGVO) und DSGVO (auch GDPR, europäische Datenschutzrichtlinie) zu halten. Die Datenschutzrichtlinien und -praktiken von Tutela seien von PricewaterhouseCoopers überprüft worden.