brandgefährlich

Editorial: Boeings Traumakku

Schon wieder hat sich eine Li-Ion-Zelle an Bord einer Boeing 787 "Dreamliner" von selbst entzündet. Die Untersuchung des Zwischenfalls könnte Hinweise zur weiteren Verbesserung der Sicherheit von Lithium-Zellen bringen.
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Bild: teltarif.de
Es ist wieder passiert: Einer der Akkus an Bord einer an Japanese Airlines (JAL) ausgelieferten Boeing 787 "Dreamliner" hat sich von selber überhitzt, wobei beißender Rauch und Batterieflüssigkeit ausgetreten sind. Glück im Unglück: Dieses Mal ist nur eine Zelle abgeraucht, und nicht gleich das ganze Batteriemodul aus acht Zellen. Die in der Zwischenzeit vorgenommenen konstruktiven Änderungen an den Batterien haben also anscheinend verhindert, dass eine überhitzte Zelle auch noch gleich die Nachbarzellen ebenfalls in den "thermal runaway" schickt. Nach wie vor sind die Zellen aber nicht sicher.

Nun machten in den letzten Monaten auch Meldungen die Runde, dass drei Elektroautos vom Typ Model S von Tesla Motors nach Batteriefehlern Feuer gefangen hatten. Doch rollen inzwischen 25 000 Model S über die Straßen, im Vergleich zu 114 Boeing 787, die bis Ende 2013 ausgeliefert wurden. Mit 60 bis 85 kWh enthalten die Batteriemodule des Model S zudem mehr als zehnmal so viel Energie wie die in der 787: Haupt- und Zweitbatterie kommen dort gerade mal auf 4,5 kWh.

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Bild: teltarif.de
Weiterhin werden die Lithium-Ionen-Akkus in Teslas Elektrofahrzeugen auch stärker belastet als die im Flugzeug: Während die E-Autos fahren, werden die Akkus entladen; nachts werden sie dann wieder vollgeladen, so dass die Akkus mit entsprechend vielen Zyklen belastet werden. Im Flugzeug liefern hingegen die Triebwerke auch genügend Strom für alle Bordsysteme. Sind am Boden die Triebwerke aus, übernimmt eine Hilfsturbine (kurz APU) oder ein Stromanschluss vom Flughafen die Versorgung. Die Akkus der 787 sind - wie eine Starterbatterie im Auto - vor allem dafür da, den Strom zu liefern, um eben diese Hilfsturbine zu starten, wenn es sonst gerade keinen Strom gibt, etwa bei einem Triebwerksschaden. Im Normalfall haben die Dreamliner-Akkus also nichts zu tun! Auch die maximale Ladespannung ist bei der 787 mit 4,0 Volt pro Zelle bewusst niedrig und akkuschonend gewählt. Die meisten Geräte der Kleinelektronik laden bis 4,2 Volt, immer öfters sogar bis 4,3 Volt, um mehr Kapazität herauszuholen. Nur belastet das die Akkus ungleich stärker.

Schließlich - und das ist der wesentliche Unterschied zwischen Model S und der Boeing 787 - stehen alle drei berichteten Brände beim Model S in Zusammenhang mit Unfällen. In einem Fall war das Fahrzeug beispielsweise über ein auf der Straße liegendes Metallteil gefahren, das den Akku von unten aufgeschnitten hatte. Auch herkömmliche Autos geraten bei vergleichbaren Unfällen oft genug in Brand, beispielsweise, wenn die Benzinleitung verletzt wird.

Inzwischen erstaunlich sicher

Insgesamt sind die Li-Ion-Akkus, gerade angesichts ihrer hohen Energiedichte, inzwischen erstaunlich sicher. Boeings Traumakkus, die sich mit schöner Regelmäßigkeit wie auch echte Träume "in Rauch auflösen", sind die berühmte Ausnahme von der Regel. Was zu der erstaunlichen Pannenserie führt - mehr als jede tausendste Zelle hat bereits versagt - wird nach dem erneuten Zwischenfall hoffentlich bald untersucht und ermittelt, um Li-Ion-Zellen künftig noch sicherer zu machen. Davon profitieren dann auch Handys, Smartphones, Tablets, Laptops und die anderen Elektronik-Kleingeräte, die zunehmend unseren Alltag bestimmen.

Auch schon vor der Dreamliner-Akkufeuer-Serie galt das dort verwendete Elektrodenmaterial Lithiumkobaltdioxid als besonders gefährlich. Dennoch erlaubt auch dieses einen sicheren Betrieb der Zellen, wenn nicht weitere Probleme dazukommen. Denkbar ist beispielsweise, dass regelmäßige Temperaturwechsel im Laderaum den Zellen zusetzen, oder die besonderen mechanischen Belastungen bei harten Landungen. Letztere bekommen zwar auch die von den Fluggästen mitgeführten Kleinelektronik-Geräte ab, doch die wenigsten davon dürften tagein, tagaus im Flugzeug unterwegs sein. Zudem dämpfen Taschen gerade die allerstärksten Stoßspitzen weg, während die im Flugzeug verbauten Akkus auch fest mit diesem verbunden sind, und bei hartem Aufsetzen entsprechend hart durchgerüttelt werden.

Auch die ungewöhnliche Größe der Flugzeugzellen - diese haben 75 Ah pro Zelle, während normale Akkus in Kleingeräten und auch den meisten E-Autos nur auf 1 bis 4 Ah pro Zelle kommen - könnte eine Rolle spielen, insbesondere im Zusammenspiel mit den vorgenannten thermischen und mechanischen Belastungen. Vielleicht ist kleiner für Li-Ion-Zellen auch besser!

Technische Details, wieso es schon durch vergleichsweise geringe Überhitzung bei Lithium-Zellen zur Selbstentzündung kommen kann, finden Sie im früheren Beitrag Wenn der Akku brennt.

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