1&1: Angst vor Absturz der Wirtschaft?
In einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin "Focus" warnt der Internet-Milliardär Ralph Dommermuth (1&1 - United Internet) vor einem Absturz der Wirtschaft und fürchtet "nach hinten durchgereicht“ zu werden.
"Kein Reich währt ewig – das gilt sowohl für Unternehmen als auch für Nationen“, zitiert das Magazin Dommermuth. „Ich fürchte, dass Deutschland über die nächsten Jahre und Jahrzehnte nach hinten durchgereicht wird.“
Laut Focus ziehe Dommermuth folgendes Fazit: Die Bundesrepublik sei „vor allem damit beschäftigt, den Status quo zu erhalten“. Auch für eine Volkswirtschaft gelte aber, „dass Angriff die beste Verteidigung ist. Wir sollten häufiger über Chancen und Wachstum reden“.
1&1-Gründer Ralph Dommermuth (hier bei einer Preisverleihung) fürchtet negative Folgen für die Wirtschaft
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Dommermuth versuche das aber "lieber nicht in Talkshows", weil er in den Medien-Arenen „allenfalls die Rolle des bösen Kapitalisten spielen“ dürfte, was anschließend einen Shitstorm auslöse. Dommermuth folgert daraus: "Die Wirtschaft verliert Stimme, Profil und Einfluss.“
Auf dem Weg zum vierten bundesweiten 5G-Netz
Dommermuth hat in jahrelanger Kleinarbeit sein eigenes Reich aufgebaut, zu dem Namen gehören 1&1, GMX, Ionos, Versatel oder web.de. Die darüber von ihm aufgebaute Holding United Internet setzt mit rund 10.000 Beschäftigten über 5,6 Milliarden Euro jährlich um.
Wie schon mehrfach berichtet, ist 1&1 dabei, dem eingeschworenen "Trio der Konzern-Riesen" Deutsche Telekom, Telefónica (o2) und Vodafone ein viertes bundesweites 5G-Netz entgegenzusetzen. Doch das klappt nicht so wie geplant. Eigentlich wollte 1&1 bis Ende des Jahres schon tausend Antennenmasten aufgestellt haben. Das verzögert sich bekanntlich nun, weil der "Hauptlieferant", die aus Vodafone ausgegründete Vantage Tower, es nicht rechtzeitig schafft.
„Nun sehen wir, dass es wohl doch ein, zwei Jahre länger dauern kann“, so wird Dommermuth zitiert. "Der Bau eines neuen Netzes sei „eine große Aufgabe, und es wird immer mal wieder Verzögerungen geben. So ist es leider bei Projekten dieser Größenordnung.“ Wahre Worte.
Weil der Netzaufbau ins Stocken geraten ist, hat der Kurs der United-Internet-Aktien nachgegeben. Dommermuth soll darüber mit einem seiner großen Investoren Klartext gesprochen haben, was seinen Aktien-Kurs betrifft. Focus findet aber, dass Dommermuth völlig optimistisch sei. Immerhin habe er im vergangenen Jahr für 600 Millionen Euro eigene Aktien zurückgekauft.
Eine Einschätzung (von Henning Gajek)
Bisher wurden die Aktivitäten von 1&1 von vielen Beobachtern mehr oder weniger mit Schmunzeln betrachtet oder kaum wahrgenommen. Dabei dürfte fast jeder teltarif.de-Leser ein E-Mail-Postfach bei GMX oder web.de oder sogar eine Domain bei ionos.de oder dessen Vorgängern (Puretec, 1und1.de etc.) haben oder gehabt haben.
Nicht wenige haben auch schon Erfahrungen mit günstigen Handyverträgen bei der unüberschaubaren Menge von Provider-Marken im 1&1-Drillisch-Markenverbund gesammelt und sind vielleicht noch dort. Andere haben einen Festnetzanschluss von 1&1 und sind damit vielleicht zufrieden oder auch nicht.
Jetzt möchte 1&1 auch als eigener Mobilfunk-Netzbetreiber mitspielen und dort ist das Klima ungleich "rauer" als vorher. Die etablierten Netzbetreiber leisten - wo immer möglich - jede mögliche Form von Widerstand und sehen die Aktivitäten des "Neuen" mit allergrößtem Argwohn.
Die Kunden träumen von einem weißen Ritter, der Mobilfunk- und Festnetzflatrates für unter 20 Euro im Monat anbieten könnte, natürlich bei wirklich flächendeckendem Netzausbau, also auch in dem abgelegenen Schrebergarten oder an dem Badesee im Wald, wo man sich vielleicht einmal im Jahr hin verirrt.
Als neuer Anbieter müsste 1&1 mit supergutem (ausgebauten) Netz und fairem und aufmerksamem Service punkten, doch das ist in der Praxis wohl unbezahlbar. Bleibt noch der untere Preisbereich, wo bei richtig günstigen Preisen mancher Kunde über alles andere hinwegsehen könnte. Doch auch da gibt es schon Gedränge. Als Kunde können wir uns entspannt zurücklehnen und in Ruhe abwarten.
Nicht nur 1&1 ist in Nöten, sondern auch der Konkurrent Vodafone.