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Lahmes Internet: 15.000 Messprotokolle bei der BNetzA

Gutes Internet hat seinen Preis - je mehr ein Haus­halt zahlt, desto besser sollte die Leis­tung sein. In der Praxis wohl nicht immer. Die Kunden können nach­messen - theo­retisch.
Von mit Material von dpa

Gutes Internet hat seinen Preis - je mehr ein Haus­halt zahlt, desto besser ist die Leis­tung. So zumin­dest ist die Theorie. In der Praxis aller­dings ist recht teures Fest­netz daheim manchmal erstaun­lich langsam - weil der Provider nicht das liefert, was er verspricht.

Schlechter als vertrag­lich verein­bart

Fest­netz-Internet ist in vielen Fällen deut­lich schlechter als vertrag­lich verein­bart. Wie die Bundes­netz­agentur auf Anfrage der Deut­schen Presse-Agentur (dpa) mitteilte, bekamen Verbrau­cher im Rahmen eines seit Dezember gültigen Minde­rungs­rechts bisher knapp 15.000 soge­nannter Mess­pro­tokolle. Dabei wurde "fast ausschließ­lich" ein Minde­rungs­anspruch fest­gestellt - die Leis­tung war also so mies, dass die Verbrau­cher Anspruch auf eine nied­rigere Grund­gebühr hatten.

Proto­kolle bezif­fern nicht die konkrete Minde­rung

Stabiles schnelles Internet kann etwas mehr kosten, sicher ist das nicht. Stabiles schnelles Internet kann etwas mehr kosten, sicher ist das nicht.
Foto: Picture Alliance/dpa
Wie hoch die Minde­rung ist, besagen die Proto­kolle nicht - das sollen die Verbrau­cher mit ihren Anbie­tern klären. Netz­agentur-Chef Klaus Müller sagte, man freue sich, dass das Messtool "breitbandmessung.de" gut ange­nommen werde.

Produkt­infor­mati­ons­blatt beachten

Inter­net­tarife enthalten ein Produkt­infor­mati­ons­blatt, in dem der Anbieter die maxi­male, die mini­male und die norma­ler­weise zur Verfü­gung stehende Daten­rate angeben muss. Von diesen Vorgaben darf es keine „erheb­liche, konti­nuier­liche oder regel­mäßig wieder­keh­rende Abwei­chung“ geben, wie ein Gesetz besagt.

Die Ergeb­nisse der Messungen belegen nun aber Defi­zite, aus denen sich Rechts­ansprüche ableiten lassen. Am häufigsten geht es um die norma­ler­weise zur Verfü­gung stehende Über­tra­gungs­geschwin­dig­keit. Zudem ist der Down­load stärker betroffen als der Upload.

Mit Messtool (theo­retisch) Anspruch unter­mauern

Das noch recht junge Minde­rungs­recht stärkt die Rolle des Verbrau­chers gegen­über seinem Anbieter, seit Mitte Dezember ist das dafür nötige Messtool nutzbar. Die Desktop-App „breitbandmessung.de“ gibt Aufschluss, ob das Fest­netz daheim den Vorgaben entspricht oder ob die Abwei­chungen so stark sind, dass die Verbrau­cher einen Anspruch auf Preis­min­derung haben.

Ähnliche Messungen über die App der Bundes­netz­agentur hatte es schon in den vergan­genen Jahren gegeben, sie hatten eben­falls Mängel aufge­zeigt. Ein Rechts­anspruch ergab sich aus den älteren Messungen aber nicht - das ist erst seit etwa drei Monaten der Fall.

Aufwen­diges Mess­ver­fahren

Um ein Mess­pro­tokoll zu bekommen, sind im Rahmen des neuen Rechts insge­samt 30 Messungen an drei unter­schied­lichen Kalen­der­tagen nötig.

Zwischen den Messungen sollen mindes­tens fünf Minuten liegen, bezie­hungs­weise zwischen der fünften und sechsten Messung eines Tages mindes­tens drei Stunden. Der Gesamt­zeit­raum für die „Mess­kam­pagne“ - so wird die vorge­schrie­bene Reihe an 30 Tests genannt - darf nicht länger sein als zwei Wochen. Diese Vorgaben machen deut­lich, dass Verbrau­cher es auch wirk­lich ernst meinen müssen mit der Über­prü­fung - mal eben so nebenbei bekommt man das Mess­pro­tokoll nicht.

15.000 Mess­kam­pagnen plan­mäßig beendet

Zum einen teilte die Netz­agentur mit, dass im Zeit­raum Mitte Dezember bis Ende Februar knapp 15.000 Mess­kam­pagnen beendet wurden und die Verbrau­cher dann ein Proto­koll bekamen. Zum anderen seien etwa drei Mal so viele Kampa­gnen ange­fangen, aber nicht abge­schlossen worden. Warum so viele Verbrau­cher bei einer Kampagne vor der 30. und finalen Messung ausge­stiegen sind, ist unklar.

Reak­tionen der Netz­betreiber und Internet-Anbieter

Ein Spre­cher der Deut­schen Telekom sagte, man erhalte zurzeit relativ wenige Mess­pro­tokolle von den Kunden. In den vergangen zwei Monaten seien es durch­schnitt­lich zehn pro Tag gewesen. „Wir suchen dann immer nach einer kulanten Lösung“, sagte er. „Wenn nach Klärung der Ursache für das Mess­ergebnis ein Anspruch besteht, gewähren wir selbst­ver­ständ­lich eine Minde­rung auf den monat­lichen Betrag.“ Der Beitrag vari­iere je nach Kunde und Vertrag.

Voda­fone teilte knapp mit, dass bisher „wenige“ Kunden vom Minde­rungs­recht Gebrauch gemacht hätten. „Zahlen veröf­fent­lichen wir dazu nicht“, sagte ein Spre­cher.

Stei­gender Bera­tungs­bedarf beim Verbrau­cher­schutz

Verbrau­cher­schützer werteten die Zahlen zum Minde­rungs­recht als Beleg für eine große Kluft zwischen Anspruch und Wirk­lich­keit beim heimi­schen Internet. Rund 15.000 komplett durch­geführte Mess­kam­pagnen binnen zwei­ein­halb Monaten seien „nicht unbe­acht­lich“, schließ­lich sei der Aufwand hoch, sagte Felix Flos­bach von der Verbrau­cher­zen­trale NRW. Die Zahl der Verbrau­che­rinnen und Verbrau­cher, die sich in den Bera­tungs­stellen zu dem Thema infor­mierten, steige stetig.

Verbrau­cher­schützer fordern mehr Trans­parenz

Der Verbrau­cher­schützer monierte, dass die Höhe des Minde­rungs­anspru­ches nicht klar sei - Fest­netz-Nutzer müssten nach Sich­tung des Proto­kolls selbst entscheiden, wie viel sie weniger zahlen wollten. Die Tele­kom­muni­kati­ons­anbieter böten dann häufig nur einen geringen Preis­abschlag und erklärten nicht, wie sie auf den Betrag kämen. „Mehr Trans­parenz der Provider wäre hilf­reich“, sagte Flos­bach.

Neuer BNetzA-Chef im Kunden­dialog

Tatsäch­lich könnte sich die Situa­tion für die Verbrau­cher bald verbes­sern. Denn Bundes­netz­agentur-Präsi­dent Müller sagte, seine Behörde stehe „im Inter­esse der Kundinnen und Kunden im Dialog mit der Branche, um verein­fachte Entschä­digungs­modelle zu errei­chen“.

Politik sieht sich bestä­tigt

Der digi­tal­poli­tische Spre­cher der Grünen im Bundestag, Maik Außen­dorf, rechnet bei „breitbandmessung.de“ mit stei­genden Nutzungs­zahlen, da dieses Instru­ment an Bekannt­heit gewinne. Wie die aller­meisten der rund 15.000 ausge­stellten Mess­pro­tokolle belegten, zahlten die Nutze­rinnen und Nutzer „für eine Band­breite, die sie schluss­end­lich nicht erhalten“, sagte der Poli­tiker. „Das ist nicht akzep­tabel und zeigt, dass dieses Instru­ment zum Schutz der Verbrau­che­rinnen und Verbrau­cher längst über­fällig gewesen ist.“

Eine Einschät­zung (von Henning Gajek)

"Warum so viele Verbrau­cher ihre Messungen abbre­chen, sei unklar." Die Netz­agentur hätte das bei teltarif.de nach­lesen können: Die Messung erfor­dert in der Praxis fünf Tage auf normalen Inter­net­gebrauch komplett zu verzichten, um die Aussa­gekraft der Messungen nicht zu gefährden.

Ein Fami­lien­vater mit inter­net­süch­tigen Kindern wird das kaum durch­halten. Eine schnelle Lösung wäre ein gene­relles Kündi­gungs­recht von einem Monat oder einer unab­ding­baren Notaus­tiegs­klausel bei Neuver­trägen, ohne Angabe von Gründen binnen zwei bis vier Wochen nach Vertrags­abschluss. Nur: Wenn es vor Ort nur einen mangel­haften Anbieter gibt und sonst nix, hilft das auch nicht weiter.

So wie der Schorn­stein­feger regel­mäßig vorbei­kommt, um Grenz­werte der Heizung zu checken, sollten viel­leicht "Mess­beamte" der Netz­agentur regel­mäßig in den Häusen vorbei­schauen und nach­messen. Das könnte bei einigen stark vernach­läs­sigten Haus- oder Netz­instal­lationen bitter nötig sein.

Wenn Glas­faser vor der Tür oder im Haus liegt, muss das nicht heißen, dass es auch funk­tio­niert. teltarif.de musste helfen.

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