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Schnelles Internet: Geld ist da, aber keiner baut?

Alle wollen schnelles Internet. Förder­mittel stehen bereit. Doch das Geld kommt nicht vor Ort an. Drei Beispiele aus Baden-Würt­tem­berg.
Von mit Material von dpa

Trotz vorliegender Bewilligungen verzichten mindestens drei baden-württembergische Kommunen auf Bundesfördergelder für den Breitbandausbau. Trotz vorliegender Bewilligungen verzichten mindestens drei baden-württembergische Kommunen auf Bundesfördergelder für den Breitbandausbau.
Foto: Uwe Anspach/dpa
Der Inter­net­ausbau steht seit Jahren auf der poli­tischen Agenda. Gelder wurden bereit­gestellt und blieben liegen. Schnelles Internet ist auch im Jahr 2020 noch immer nicht überall eine Selbst­ver­ständ­lich­keit. Beson­ders in länd­licheren Berei­chen stockt der Ausbau. Den wollte der Bund eigent­lich fördern - doch manche Kommunen rufen die bean­tragten (und bewil­ligten) Gelder gar nicht ab. Warum das?

Trotz vorlie­gender verbind­licher Zusagen verzichten beispiels­weise mindes­tens drei baden-würt­tem­ber­gische Kommunen auf Förder­gelder des Bundes für den Breit­band­ausbau in Höhe von einigen Hundert­tau­send Euro. Dies geht aus einer Antwort der Bundes­regie­rung auf eine Anfrage der Grünen im Bundestag hervor.

Drei Beispiele aus Baden-Würt­tem­berg

Trotz vorliegender Bewilligungen verzichten mindestens drei baden-württembergische Kommunen auf Bundesfördergelder für den Breitbandausbau. Trotz vorliegender Bewilligungen verzichten mindestens drei baden-württembergische Kommunen auf Bundesfördergelder für den Breitbandausbau.
Foto: Uwe Anspach/dpa
Konkret verzichtet die Stadt Mössingen (Land­kreis Tübingen) auf eine abge­seg­nete Förde­rung von rund 451.000 Euro. Auch den Gemeinden Wutöschingen (Kreis Waldshut-Tiengen/ knapp 378.000 Euro) und Goma­ringen (Kreis Tübingen/rund 195.000 Euro) hätten Gelder zuge­standen. Bundes­weit haben der Auflis­tung zufolge mehr als 90 Kommunen auf die Finanz­zuwen­dungen aus Berlin verzichtet.

Welche Gründe gibt es?

Die Gründe sind unter­schied­lich. Die Gemeinde Wutöschingen teilte mit, man habe letzt­lich trotz der Förde­rung keinen Netz­anbieter gefunden, der den Ausbau bestimmter Gemein­dege­biete mit Glas­faser­kabeln habe bewerk­stel­ligen wollen. Zwar habe es im Vorver­fahren einen Inter­essenten gegeben, dieser habe aber einen Rück­zieher gemacht. Daher habe man die Gelder zurück­geben müssen.

Mössingen: Ände­rung im Förder­pro­gramm

In Mössingen sollte der Breit­band­ausbau in drei Gewer­bege­bieten mit Bundes­zuschüssen geför­dert werden. "Wir haben die ursprüng­lichen Förder­anträge aufgrund einer Ände­rung im Förder­pro­gramm zurück­gezogen und dann für die neue Förder­periode neu gestellt", teilte die Stadt mit. Deshalb hätten die bewil­ligten Mittel bisher nicht abge­rufen werden können. Aber: "Das Projekt ist nach wie vor aktuell."

Goma­ringen: Anbieter eigen­wirt­schaft­lich

Auch in Goma­ringen ging es um ein Gewer­bege­biet, das mit schnellem Internet versorgt werden sollte. Die Stadt teilte mit, es habe sich nach der Bean­tra­gung der Förder­gelder ein Anbieter gefunden, der das Projekt ganz ohne kommu­nale Zuschüsse reali­siert habe. Hätte die Gemeinde die Bundes­för­der­gelder in Anspruch genommen, hätte sie den Angaben zufolge selbst noch rund 63.000 Euro für den Glas­faser­ausbau dazu schießen müssen. "Das mussten wir jetzt nicht."

11 Milli­arden Euro - wofür genau?

Das Förder­pro­gramm des Bundes gibt es seit 2015. Es umfasst rund elf Milli­arden Euro. Das für die Auszah­lung zustän­dige CSU-geführte Bundes­ver­kehrs­minis­terium hat nach Angaben der Bundes­regie­rung vom Juni aber erst rund 570 Millionen Euro ausge­schüttet. Die Förder­gelder sind dazu gedacht, den Breit­band­ausbau auch dort voran­zubringen, wo Netz­anbieter mangels Wirt­schaft­lich­keit auf einen Ausbau in Eigen­regie verzichten, oder um Kommunen in die Lage zu versetzen, den Ausbau voran­zutreiben, damit anschlie­ßend die Netz­infra­struktur an kommer­zielle Provider verpachtet werden kann.

Eine Einschät­zung (von Henning Gajek)

Sind das beson­deres skur­rile Fälle? Oder ist das die Spitze eines Eisbergs? Lange wurde uns erzählt, dass der Netz­ausbau zu teuer sei, man brauche Förde­rung. Dann kommen auf einmal Firmen, die einen Glas­faser­ausbau "eigen­wirt­schaft­lich" - also ohne Förder­mittel - hinbe­kommen. Zwar bauen diese Firmen teil­weise im "Hauruck­ver­fahren" und nicht immer nach allen Regeln der Normungs- und Inge­nieur­kunst, aber "Kabel, die im Boden liegen, sieht ja niemand" und wenn es funk­tio­niert, sind alle glück­lich.

Dann gibt es Orte, wo weiterhin niemand bauen will, weil "es sich nicht rechnet". Da stünden Gelder bereit, aber die Gemeinden müssten noch einen "Eigen­anteil" dazu geben. Nur: Viele Gemeinden sind klamm bis pleite, sie können also die vom Bund gefor­derten Eigen­mittel gar nicht selbst stemmen.

Ist das aktu­elle Förder­ver­fahren eine Fehl­kon­struk­tion? Warum bekommt man keine Ausschrei­bung hin, nach dem Motto: "Was kostet der komplette Ausbau von Klein-Mimo­sen­dorf-West?" Die Firmen geben ihre Ange­bote ab, eines bekommt den Zuschlag und dann wird gebaut? Oder haben Förder­mittel und reale Ausbau­kosten nichts mitein­ander zu tun?

Statt­dessen warten viele Gemeinden auf den St. Nimmer­leins-Internet-Tag und die auf schnelles Internet ange­wie­sene Bevöl­kerung und die Unter­nehmen stimmen mit den Füßen ab und ziehen halt woan­ders hin.

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