Editorial: Firma pleite, Produkt platt
Kaum gekauft, schon Elektroschrott: Server-Abschaltungen gefährden immer mehr Produkte
Vodafone
Vor zwei Wochen
schrieb ich (auch) über die Folgen, die ein
abgeschalteter DRM-Server auf digitale Güter wie Computerspiele, Filme
oder Musik haben kann: Da nirgendwo Nachschlüssel für die
Freischaltung dieser digitalen Werke hinterlegt sind, verliert damit
der Kunde die Möglichkeit zur Nutzung seiner Werke. Ähnliche Probleme
gibt es aber nicht nur bei digitalen Gütern, sondern mehr und mehr auch
bei elektronischen Geräten: Aktuelles Beispiel ist eine
smarte Türklingel, deren Käufer wohl in
wenigen Tagen ziemlich dumm dastehen werden: Weil der Hersteller
Nello Insolvenz anmelden musste, werden schon bald die Server abgeschaltet,
und dann funktioniert die Klingel nicht mehr richtig.
Nun werden solche Käufer, die sich überhaupt eine smarte Türklingel für 150 Euro leisten können, den Verlust eher verschmerzen können als solche Käufer, die zum Standardmodell für 10 Euro aus dem Baumarkt greifen. Die Notwendigkeit, die Türklingel jetzt tauschen zu müssen, dürfte aber gerade die 150-Euro-Zielgruppe nerven. Daher gilt: Hätten die Käufer eine Garantie, dass ihre Smart-Home-Produkte auch in fünf und fünfzehn Jahren noch funktionieren, und nicht schon nach fünf Wochen oder fünfzehn Monaten wegen abgeschalteter Server oder fehlender Updates zu Elektroschrott mutieren, würde es sicher mehr Interessenten geben.
Natürlich galt auch früher, dass die Ersatzteilversorgung für ein Produkt nach der Insolvenz des Herstellers gelitten hat. Nur: Von einem Tag auf den anderen komplett unbrauchbar wurden die Geräte dadurch nicht.
Geprüfte Zuverlässigkeit und Ersatzserver für den Weiterbetrieb
Kaum gekauft, schon Elektroschrott: Server-Abschaltungen gefährden immer mehr Produkte
Vodafone
Für Pauschalreisen gibt es in der EU inzwischen den Sicherungsschein,
der im Falle der Insolvenz des Reiseveranstalters oder dessen
Erfüllungsgehilfen eventuelle zusätzliche Hotelkosten und den
Rücktransport absichert, bzw. den Reisepreis, wenn man die Reise gar
nicht erst antreten kann. In der Vergangenheit haben diese Sicherungsscheine
gut funktioniert, Probleme gibt es bei der aktuellen Insolvenz von
Thomas Cook nur, weil die Haftungssumme der Versicherung wohl zu niedrig
bemessen ist.
Warum nicht einen ähnlichen Sicherungsschein für digitale Produkte einführen, der die Versorgung eines Produkts mit Sicherheitsupdates und den Weiterbetrieb für das Produkt nötiger Server-Infrastruktur für einen angemessenen Zeitraum garantiert? Dieser Schein würde - wie der Reisesicherungsschein auch - mit Hilfe von privatwirtschaftlichen Versicherungsgesellschaften realisiert. Der jeweiligen Versicherung müsste der Hersteller diejenigen Quellcodes hinterlegen, die nötig sind, um im Fall des Falles die Server weiterzubetreiben oder Sicherheitsupdates durchzuführen.
Klar würden sich Microsoft und Google erstmal weigern, die Quellcodes von Windows oder Google-Apps zu hinterlegen und damit faktisch zu veröffentlichen. Nur: Eine solche Hinterlegung könnte (und sollte in vielen Fällen auch) verschlüsselt erfolgen, wobei die Schlüssel getrennt vom Quellcode und besonders gegen unbefugten Zugriff gesichert hinterlegt werden. Ein Teil des Schlüssels könnte in Brüssel in einem Bankschließfach lagern, ein Teil in Berlin, ein Teil in Dublin und ein Teil in Budapest. Ein Angreifer müsste somit vier Banken überfallen, um illegal an die Schlüssel zu gelangen - ein doch eher unrealistisches Szenario. Viel realistischer ist hingegen die Gefahr, dass IT-Firmen aus politischen Gründen keine Updates mehr liefern können, oder auch große, wichtige Produkte aus Gründen der eigenen Produktpolitik nicht mehr pflegen. Genau dagegen würde die Hinterlegung auch schützen.