Gebündelt

Editorial: Zerreiß' mich nicht!

Für den Kunden wichtige Optionen dürfen nicht einseitig kündbar sein
Von

Urteil (Symbolbild) Bringt das Urteil mehr Schaden oder Nutzen?
Foto: Yann Poirier - Fotolia.com
Dieses Urteil des Landgerichts Hamburg könnte den Verbrauchern am Ende mehr schaden als nutzen, obwohl es gut gemeint ist: Wenn ein Telekommunikations-Anbieter einen Festnetz- oder DSL-Vertrag mit langer Laufzeit mit Zusatzoptionen mit kurzer Laufzeit (z.B. zusätzliche Flatrates für Telefonate zum Handy oder ins Ausland) bündelt, dann darf er trotz der gegenseitig vereinbarten kurzen Laufzeit die Zusatzoptionen nicht einzeln kündigen. Zumindest dann nicht, wenn der Kunde ein erhebliches wirtschaftliches Interesse an diesen hat.

Urteil (Symbolbild) Bringt das Urteil mehr Schaden oder Nutzen?
Foto: Yann Poirier - Fotolia.com
Das Gericht hat vollkommen zu recht erkannt, dass für einen Kunden, der viel ins Ausland telefoniert, die Auslandsflatrate wichtiger ist als der zugrunde liegende Telefonanschluss. Fällt die Flatrate weg, explodieren die Telefonkosten. Entsprechend absurd ist die Möglichkeit, dass der Anbieter die Flatrate kündigt und zugleich bei dem für den Kunden so nutzlos gewordenen Telefonanschluss auf die Erfüllung der Mindestlaufzeit besteht. Folglich ist zu fordern, dass der Anbieter eben beide Produkte gemeinsam kündigt oder nach einer einseitigen Kündigung nur der Option dem Kunden zumindest das Recht einräumt, auch den Anschluss zu kündigen, wenn er an diesem ohne die Option kein Interesse mehr hat.

Das LG Hamburg betrachtet also eine Flatrate-Kündigung wie eine einseitige wesentliche Tarifänderung durch den Anbieter. Dieses ist ebenfalls während der Mindestlaufzeit unzulässig. Nur unter strengen Vorbehalten sind Anpassungsklauseln zulässig, etwa dass tatsächliche unvermeidbare Kostensteigerungen weitergegeben werden, wie zusätzliche Steuern und Abgaben.

Künftig weniger Wahlmöglichkeiten?

Die Negativ-Seite des Urteils ist, dass die Anbieter künftig wahrscheinlich das Angebot an Zusatz-Optionen einschränken werden. Wenn sie fürchten müssen, im Fall des Falles verlustträchtige Zusatz-Flatrates nicht mehr loszuwerden, dann werden sie diese eben gar nicht erst anbieten.

Die positive Reaktion wäre hingegen, dass die Anbieter wieder etwas ehrlicher werden, und eben nur "Flatrate" draufschreiben, wenn sie auch drin ist. Denn wenn die Anbieter den Vielnutzern kündigen, handelt es sich ja faktisch um ein Minutenpaket. Das können sie aber auch gleich so anbieten: Bucht der Kunde nämlich ein "Auslandspaket 1 000", dann ist er selber dafür verantwortlich, abzuschätzen, ob ihm die 1 000 Minuten im Monat auch reichen. Aber selbst, wenn der Kunde über's Ziel hinaustelefoniert, müssen die Anbieter dann mitnichten kündigen, sondern einfach nur nachberechnen. Aber letzteres bitte zu Konditionen, unter denen die ersten 100 Extra-Minuten nicht gleich mehr kosten als das ganze 1 000er-Paket. Und bitte ein System einrichten, das den Kunden automatisch aktiv informiert, wenn er im jeweiligen Monat den Bereich der Inklusivminuten verlässt.

Wenn dem Produktmanager der Aufwand für einen echten Pakettarif zu hoch ist, bleibt immer noch die klassische Auslandsoption: Der Kunde zahlt 5 Euro im Monat extra, und kann im Gegenzug für 1 Cent pro Minute in das Festnetz der wichtigsten Länder telefonieren. Auch diese Variante kann der Kunde leicht für sich durchrechnen. Anbieter, die hingegen weiterhin "Flatrate" auf ihre Produkte schreiben, faktisch aber dank Poweruser-Kündigungen nur Minutenpakete vertreiben, lassen einen hingegen wünschen, dass noch weitere Richter das Spiel durchschauen und ihnen per AGB-Auslegung einen Strich durch die Rechnung machen.

Weitere Editorials