Themenspezial: Verbraucher & Service Wahlprogramm-Check

Digitalisierung, Breitbandausbau & Co.: Das fordert die SPD zur Wahl

Dieses Jahr versucht sich die SPD bei Digitalthemen breiter aufzustellen als die Jahre zuvor. Interessant sind dabei die Positionen im Bereich Bildung, Breitband und dem Digitalrecht.
Von Stefan Kirchner

Am 24. September sind wieder Millionen deutsche Bundesbürger aufgerufen, die nächste Bundes­regierung zu wählen. Etliche Parteien versuchen daher mit möglichst breit­gefächerten Wahl­programmen die Stimmen der Wähler für sich zu gewinnen, um die Zukunft Deutschlands mitgestalten zu können. Neben wirtschaftlichen und sozialen Themen nimmt die Digitalisierung und der Ausbau des Breitband­netzes einigen Raum in den Wahlprogrammen ein.

In einer kleinen Serie schaut teltarif.de daher die Wahlprogramme der sechs größten Parteien an und filtert heraus, was diese Parteien in Sachen Internet und Digitalisierung versprechen. Ob dies nach der Wahl eingelöst wird, ist freilich eine ganz andere Sache.

In diesem Teil widmen wir uns den Inhalten, welche die SPD bei einem Wahlsieg als stärkste Kraft einer regierungs­fähigen Koalition umsetzen will.

Breitbandförderung und Wirtschaft: Gigabit bis 2025

Eine Grundforderung der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands ist der Ausbau des Breitband­netzes und das ganz konkret mit Glasfaser. Darin sieht die SPD die einzige Möglichkeit, überall in Deutschland schnelles Internet bieten zu können. Interessant ist dabei, dass die Partei sich das Ziel gesetzt hat, den flächen­deckenden Ausbau bis 2025 voranzutreiben. 50-Bit-Netze bis 2018 sieht die Partei lediglich als einen Zwischen­schritt zum Gigabit-Netz. Bis dahin sollen über 90 Prozent aller Gebäude per Glasfaser angeschlossen sein. Um den Ausbau zu fördern, will die SPD entsprechende Bauvorhaben gezielt fördern, um vor allem die Internet­schere zwischen städtischen Ballungs­zentren und dem ländlichen Raum erheblich zu verkleinern. Kleine Unternehmen und mittel­ständische Betriebe sollen, gekoppelt an eine Beratung, Fördermittel erhalten, wenn sie ein aussichtsreiches Digitalisierungs­konzept vorlegen können.

Neben diesen konkreten Plänen will die SPD aber auch konsequent WLAN-Hotspots an allen öffentlichen Orten fördern, deren erwartetes Daten­volumen durch Nutzer zwingend Glasfaser­netze voraussetzt. An diese sollen in Zukunft auch 5G-Sendeanlagen angeschlossen sein, um auch mobil schnelles Internet für die Zukunft gewährleisten zu können.

Davon verspricht sich die Partei auch bessere Bedingungen zum Gründen von innovativen IT-Startups, damit diese von Beginn an ein Teil der europäischen digitalen Binnen­marktes sein können. Hindernisse für eine grenz­überschreitende Wirtschaft müssen abgeschafft werden. Dazu will die SPD unter anderem den Einsatz von freier Software fördern, unter anderem in Bildung und Verwaltung. Letztere soll zudem so umgebaut werden, dass sie mit Hilfe der digitalen Möglichkeiten effizienter und Nutzer­freundlicher für Bürgerinnen und Bürger arbeiten kann. Das schließt eine eindeutige und sichere Zugangs­berechtigung mit ein, für alle Verwaltungs­dienstleistungen des Staates. Vor allem soll der aktuelle Bearbeitungs­stand jederzeit einsehbar sein.

Aber auch die lokale Wirtschaft wie den Einzel­handel will die SPD stärken, indem die Möglichkeiten der Digitalisierung genutzt werden. Im Rahmen von örtlichen Pilot­projekten sollen Strategien zu einem vernetzten Einzel­handel für eine lebendigere Innenstadt erarbeitet und quasi als Blaupause für andere Kommunen zur Verfügung gestellt werden. Dabei sollen auch Modelle für eine Nahversorgung ländlicher Regionen berücksichtigt werden.

Ein lustiges Detail im Wahlprogramm der SPD ist, dass man auf europäischer Ebene den Ausbau von Glasfaser stärken will. Schaut man sich das Ranking des FTTH Councils Europe [Link entfernt] vom Februar 2017 an, zeigt sich, dass Deutschland dem Ranking nach der vorletzte europäische Staat ist, was den Ausbau von Glasfaser betrifft.

Datenschutz, Datensicherheit und Verbraucherschutz

Was die SPD neben dem Breitband­ausbau auch fordert, ist eine Überarbeitung der rechtlichen Grundlagen für Daten­schutz und Daten­sicherheit. Konkret will die SPD die Kontrolle über persönliche Daten in die Hand von Bürgerinnen und Bürger geben. Jeder soll wissen, wann und von wem für was die eigenen Daten verwendet werden. Quasi eine Art Opt-in-Verfahren für die Daten­nutzung. Widersprüchlich ist dabei jedoch die Position der SPD, dass das wirtschaftliche Potenzial dieser Daten durchaus genutzt werden soll. Big Data und Daten­schutz sollen sich nicht zwingend gegenseitig ausschließen.

Immerhin will die SPD die Bildung von Daten­monopolen unterbinden und personen­bezogene Daten besonders schützen lassen. Insbesondere Daten­zentren und Daten­speicher sollen stärker vor dem Zugriff Dritter von außen geschützt werden. Überhaupt sollen sensible Daten grund­sätzlich verschlüsselt werden, aber trotzdem im Rahmen von Open Access jedem Bundes­bürger bei Bedarf zur Verfügung stehen. Sicherstellen sollen das Zertifizierungen, Zulassungs­regeln, Melde­pflichten und eine bessere Produkthaftung.

Unter anderem will die SPD den Verbraucher­schutz im Internet ausdehnen und eine individuelle Preis­bildung aus der Welt schaffen. Sprich, die Profil­bildung anhand von Nutzer­daten wie Alter, Wohnort, Einkommen oder Bonität verbieten. Dazu sollen auch die Bewertungen für das Scoring offengelegt und veraltete Daten­sätze schneller als bisher wieder gelöscht werden. Gefordert werden dazu klare Regeln für Fristen und Pflichten der Unternehmen.

Smartphones und Apps

Interessant ist, dass sich die SPD explizit dem Thema Smartphones und Apps widmet. Konkret will die Partei durchsetzen, dass Nutzer vor dem Download einer App umfassend über diese informiert werden. Damit soll die Einschätzung zu deren Funktion erheblich erleichtert werden. Außerdem sollen Nutzer ihre Daten von einem Smartphone auf ein anderes ohne Probleme mitnehmen können - was derzeit durch Dritt­anbieter und zum Teil durch Hersteller selbst schon weitest­gehend machbar ist. Ob es da gesetzliche Vorgaben braucht, darf angezweifelt werden. Die SPD will damit Wahlfreiheit und einen Wettbewerb zwischen den Herstellern fördern. Aber auch Netlock und andere Lock-in-Effekte sollen verboten werden, um den Anbieter­wechsel nicht zu erschweren.

Medizin und Gesundheitsversorgung

Etwas anders sieht es im medizinischen Bereich aus. Gerade Telemedizin sieht die SPD als derzeit beste Möglichkeit an, auch im ländlichen Raum eine möglichst gute medizinische Versorgung zu gewährleisten. Das schließt vor allem eine elektronische Patienten­akte mit ein, ohne das Patienten ihre Selbst­bestimmungs­rechte verlieren. Unter anderem soll dadurch eine vereinfachte sektor­übergreifende Behandlung gefördert werden. Einen starken Fokus legt die SPD bei diesen Plänen auf die entsprechende Infrastruktur und Absicherung der gesammelten Patienten­daten. Das letzte Wort über Frei- und Weitergabe soll bei den Patienten liegen.

In diesem Zusammenhang sollte darauf hingewiesen werden, dass die SPD die Schaffung eines Patienten­entschädigungs­fonds fordert, um Patienten bei Behandlungs­fehlern zu unterstützen, wenn die haftungs­rechtlichen Systeme ganz einfach versagen. Überhaupt sollen Patienten in ihren Interessen gestärkt werden.

Netzneutralität, Recht, Bildung & Kunst

Netzneutralität: Datengleichheit und Big Data

Wichtig für ein offenes und freies Internet, egal wie schnell es ist, ist die Netz­neutralität und das auf internationaler Ebene. Die SPD will sich daher dafür einsetzen, dass rechtliche Vorgaben für etwaige Ausnahmen der Netz­neutralität auf europäischer Ebene gar nicht mehr möglich oder zumindest sehr stark eingeschränkt möglich sind. Unter anderem soll die Bundes­netzagentur (BNetzA) dafür sorgen, dass sich die Qualität des Internets nicht verschlechtert. Dazu braucht es entsprechende rechtliche Rahmen­bedingungen. Sprich die Daten­politik der Bundes­regierung muss auch dafür Sorge tragen, dass mögliche künftige Entwicklungen berücksichtigt werden. Als Beispiel wird die Verknüpfung von Big Data und autonomen Fahren genannt, wofür der rechtliche Rahmen noch gar nicht vollständig steht. Diese grundlegende Arbeit will die SPD im Rahmen einer Daten-Ethikkommission mit der Zivil­gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft erarbeiten.

Eines der daraus resultierenden Ziele der SPD ist es, eine Art digitales Grund­recht in Deutschland und Europa zu schaffen. Dabei soll Deutschland als einer der führenden Standorte für Daten­schutz und IT-Sicherheit ausgebaut werden, um eine Grundrechte­charta für das Digital­zeitalter auf EU-Ebene voranzutreiben.

Apropos autonomes Fahren: Für die anfallende Datenflut sollen an Haupt­verkehrsachsen verstärkt Glasfaser­netze entstehen, um die anfallenden Daten möglichst schnell transportieren zu können. Dabei sollen weder Daten­schutz noch Daten­sicherheit zu kurz kommen.

Digitales Recht: Mehr Kompetenzen gegen Hatespeech

So viele Möglichkeiten die digitale Welt auch bietet, sie ist kein rechts­freier Raum. Daher will die SPD das IT-Sicherheits­gesetz weiter­entwickeln, um neuen Gefährdungen besser gegenüber gewappnet zu sein. Unter anderem sollen Sicherheits­behörden sowohl personell als auch technisch aufgerüstet werden, was insbesondere fachliche Kompetenz mit einschließt. Damit einher­gehend sollen Forschung und Entwicklung im Bereich IT-Sicherheit verbessert und die Ausbildung von IT-Fachkräften entsprechend gefördert werden. Man will die technologische Kompetenz und digitale Souveränität stärken. Die SPD verspricht sich davon auch eine Verbesserung der Spionage-Abwehr von Cyber­angriffen durch fremde Nachrichten­dienste.

Zusätzlich sieht die SPD vor, dass das Bundesamt für Sicherheit in der Informations­technologie (BSI) zu einem Dienst­leister ausgebaut werden soll, der Hard- als auch Software zertifiziert, Gütesiegel für Digital-Produkte vergibt und einen Algorithmen-TÜV etabliert, um diskriminierungsfreie software­gestützte Entscheidungen zu gewährleisten.

Ein weiterer Punkt im Bereich Digital­recht ist das Thema des Hate Speech, sprich Hass­kommentare im Netz. Justiz- und Polizei­behörden sollen besser geschult werden, um bei Verfahren differenzierter agieren zu können. Dennoch will die SPD vor allem die Betreiber von sozialen Netzwerken stärker in die Pflicht nehmen, die regelmäßig entsprechend berichten sollen. Es soll einen einheitlichen Standard für das Beschwerde-Management geben, wer sich weigert mitzumachen, soll mit Buß­geldern bestraft werden. Fraglich ist nur, ob sie den Groß­konzernen finanziell weh tun oder nicht.

Was die SPD weiterhin schützen will, ist die Freiheit der Medien und der Schutz von deren Informanten. Ob nur im investigativen Journalismus oder allgemein, geht aus dem Wahl­programm nicht hervor. In jedem Fall müsse das Medien­recht der neuen Zeit angepasst werden, mit einem Fokus auf "Must-be-found"-Regelungen und Netz­neutralität. Eine Balance zwischen privaten und öffentlich-rechtlichen Rundfunk­anstalten müsse beibehalten werden. Unter anderem soll die Bereitstellungs­pflicht von Inhalten für sieben Tage gekippt werden. Konkrete Pläne dazu fehlen jedoch. Ganz konkret wird die SPD hingegen bei der Deutschen Welle: Der Auslands­sender soll bestehen bleiben und noch stärker finanziell gefördert werden.

Urheberrecht im digitalen Zeitalter

Die SPD will eine gerechtere Vergütung erzielen, sprich einen gerechteren Interessen­ausgleich zwischen Produzenten und den Verwertern digitaler Inhalte. Bessere Vergütung statt Verbote lautet die Devise, weshalb die pauschale Vergütung auch auf Online-Plattformen ausgeweitet werden soll. Konkret will man diejenigen mit berücksichtigen, die mit kreativen Leistungen im Netz ihr Geld verdienen. Außerdem soll das Urheber­recht wissenschafts- und bildungs­freundlich modernisiert werden. Autorinnen und Autoren sollen für ihr Schaffen gerechter entlohnt werden, was eine Anpassung der Rahmen­bedingungen für die Vergütung nach sich zieht. Zudem sollen klarere rechtliche Regelungen dafür Sorge tragen, dass Bibliotheken auch im Digital­zeitalter ihrem Bildungs­auftrag nachkommen können und eBooks rechtlich gefahrlos verleihen können.

Eingeschlossen in diese Bemühungen ist das Urheber­recht auf europäischer Ebene. Der Abbau nationaler Grenzen für digitales Urheber­recht und die Harmonisierung der Binnen­märkte und Ausnahme­reglungen für Bildung, Wissenschaft sowie Forschung sollen vorangetrieben werden. Das schließt auch die Buchpreis­bindung mit ein, welche für die SPD nicht verhandelbar ist. Digitale Kunst soll, sofern machbar, mit derselben Mehrwert­steuerstufe behandelt werden, wie analoge Kunst.

Digitale Bildung und Kultur

Freilich ist die SPD nicht die einzige Partei, nach deren Vorstellung die Bildung in Deutschland unter Berücksichtigung der neuen digitalen Möglichkeiten reformiert werden muss. Dazu sieht die Partei vor, dass der Unterricht mit modernster Technologie aufgewertet wird, um fächer­übergreifend Kompetenzen im Umgang, dem Einsatz und der Gestaltung von Inhalten zu vermitteln. In Kooperation mit den Ländern sollen daher neue Bildungs­standards für alle Schulstufen sowie Bildungs­bereiche erarbeitet und umgesetzt werden.

Sämtliche Lehrmaterialien sollen zudem digital im Rahmen von Open Access zur Verfügung stehen. Konkret sollen offene Bildungs­inhalte kurz Open Educational Resources zur Verfügung stehen. Bereitgestellt werden sollen diese Inhalte über eine digitale Lern­plattform, auf die jeder zugreifen kann. Daher müssen Bund und Länder gemeinsam Bildungs­einrichtungen fördern, damit die geeignete Technik überhaupt bereitgestellt werden kann. Dabei sollen aber auch Lehrerinnen und Lehrer gezielt mit aktueller Technik ausgebildet werden, damit sie entsprechende Medien- und Technik­kompetenz an ihre Schüler weitergeben können.

Zudem sollen Online-Angebote von Hochschulen ausgebaut werden, damit das Studium zeit- und ortsunabhängiger wird. Dazu bedarf es einer Ausstattungs­offensive bei der Digitalisierung ihrer Inhalte und des Campus mit Lern­plattformen. Den Gedanken der Open University will die SPD fördern, damit auch Menschen ohne Abitur sich neues Fachwissen aus erster Hand aneignen können. Außerdem muss das Nutzen von moderner Technik legal werden, Stichwort Text- und Datamining.

Weiterhin sollen Volkshochschulen um Kurse ausgebaut werden, in denen speziell älteren Menschen das digitale Leben näher gebracht wird. Deutschland soll quasi für die digitale Gesellschaft des 21. Jahrhunderts fit gemacht werden und das in allen Altersklassen.

Doch nicht nur Bildung muss digital stärker ausgebaut werden, sondern auch Kultur selbst. Dazu sollen Bund und Länder stärker in die Deutsche Digitale Bibliothek investieren. Unter anderem soll das deutsche Filmerbe digitalisiert werden, was durch eine Finanzierung und Stärkung der deutschen Filmbranche sowie des Kinemathekverbandes geschehen soll. Überhaupt soll das Kulturerbe durch Digitalisierung auch nachfolgenden Generationen hautnah vermittelt werden können. Auch die Förderung und den Zugang der Kunst soll durch digitale Möglichkeiten verbessert werden. Profitieren könnten davon vor allem diejenigen, die bisher keine Möglichkeit hatten, Kunst und Kultur zu erleben.

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