Urteil

Dashcam-Aufnahmen als Beweismittel zugelassen

Das Amts­gericht Nien­burg hat Dashcam-Aufnahmen als Beweis­mittel zuge­lassen. Aller­dings war der entschei­dende Punkt, dass die Aufnahme anlass­bezogen erfolgt war. Die Kamera wurde erst einge­schaltet, nachdem der Beklagte negativ auffiel.
Von Marie-Anne Winter

Vor dem Amtsgericht Nienburg wurde jetzt eine Dashcam-Aufnahme als Beweismittel zugelassen. Vor dem Amtsgericht Nienburg wurde jetzt eine Dashcam-Aufnahme als Beweismittel zugelassen.
Bild: dpa
Ob die Aufnahmen von Dash­cams, die an der Front­scheibe von Autos ange­bracht werden und das Verkehrs­geschehen aufzeichnen können, in Straf­pro­zessen verwendet werden dürfen, ist in Deutsch­land bislang umstritten. Die bishe­rige Tendenz war aller­dings, dass Dashcam-Aufzeich­nungen als daten­schutz­widrig einge­stuft werden und somit nicht als Beweis­mittel verwendet werden dürfen.

Nun ist ein Fall bekannt geworden, bei dem das Amts­gericht Nien­burg [Link entfernt] in einem Verfahren um eine mögliche Nöti­gung mit fahr­läs­siger Gefähr­dung des Stra­ßen­ver­kehrs die mit einer Dashcam ange­fer­tigte Aufzeich­nung als Beweis­mittel zuge­lassen hat. Entschei­dendes Krite­rium für das Gericht: Vor dem Amtsgericht Nienburg wurde jetzt eine Dashcam-Aufnahme als Beweismittel zugelassen. Vor dem Amtsgericht Nienburg wurde jetzt eine Dashcam-Aufnahme als Beweismittel zugelassen.
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Die Kamera wurde erst einge­schaltet, nachdem der Beklagte durch sein Verhalten negativ aufge­fallen war. Dieser hatte mit seinem VW-Bus den Fahrer eines Alfa Romeo Mito auf einer vier­spu­rigen Bundes­straße zuerst links über­holt, und war dann kurz vor ihm wieder einge­schert. Anschlie­ßend bremste der VW-Bus-Fahrer den über­holten Wagen aus, so dass der Fahrer im Mito auf die linke Fahr­spur auswei­chen musste und anschlie­ßend den Bus über­holen wollte. Daraufhin zog der Fahrer des Klein­busses erneut nach links - der Abstand zwischen den beiden Fahr­zeugen betrug nur noch wenige Zenti­meter - und das bei einem Tempo von 100 Kilo­meter pro Stunde.

"Erfor­der­lich und verhält­nis­mäßig"

Der Fahrer des Mito hatte mit seiner Dashcam diesen Vorfall doku­men­tiert und später auch die wüsten Beschimp­fungen durch den VW-Bus-Fahrer, als beide schließ­lich auf einem Park­platz ange­halten hatten. Weil der Fahrer des Alfa Romeo die Kamera erst akti­viert hatte, nachdem der Fahrer des VW-Bus ihn das erste Mal bedrängte, bewer­teten die Richter die Aufnahmen als "anlass­bezogen". Deshalb sei diese Dashcam-Aufnahme mit dem geltenden Daten­schutz­recht vereinbar und dürfe damit auch vor Gericht verwendet werden.

Bei der anlass­losen Aufzeich­nung (also wenn die Kamera immer läuft) äußerten Richter in anderen Verfahren Bedenken, weil eine derar­tige heim­liche Über­wachung das Persön­lich­keits­recht der Über­wachten verletze. Auch die Absicht, auf diese Weise ange­fer­tigte Videos später im Internet zu veröf­fent­lichen, sei nicht mit dem Daten­schutz vereinbar.

Die Richter in Nien­burg sehen diese Gefahr zwar auch - "die Gefahr des späteren Miss­brauchs von ursprüng­lich zulässig gefer­tigten Beweis­mit­teln besteht immer" - jedoch dürfe die "abstrakte Furcht vor allge­gen­wär­tiger Daten­erhe­bung (…) nicht dazu führen, dass den Bürgern sach­gerechte tech­nische Hilfs­mittel zur effek­tiven Rechts­ver­fol­gung kate­gorisch vorent­halten werden."

Zuläs­sige Beweis­mit­tel­siche­rung

Im verhan­delten Fall habe betrof­fene Fahrer mit seiner Dashcam den "zuläs­sigen Zweck der Beweis­siche­rung für den konkreten Haftungs­fall" verfolgt. Das habe nichts mit "selbst­ernannten Hilfs­she­riffs" zu tun, die ständig mit akti­vierter Dashcam unter­wegs sind, was die Richter im Prinzip auch nicht gutheißen. Sie betonen viel­mehr, dass es bei der gericht­lichen Aufklä­rung von Verkehrs­unfällen fast immer an verläss­lichen, objek­tiven Beweis­mit­teln mangele. Die Beweis­siche­rung durch die Dashcam bezeich­neten sie in dem verhan­delten Fall deshalb als "erfor­der­lich und verhält­nis­mäßig". Die Richter bewer­teten die mit der Dashcam ange­fer­tigten Aufzeich­nung "von heraus­ragender Bedeu­tung für die gericht­lichen Fest­stel­lungen." Die Aufzeich­nung versetze das Gericht in die Lage, die Einlas­sung des Ange­klagten und die Aussagen der Zeugen im unmit­tel­baren Zusam­men­hang des Gesamt­gesche­hens zu werten. (Akten­zei­chen: 4 Ds 520 Js 39473/14 (155/14)).

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